Jenseits von Schuldzuweisungen

Gott im kriegsgeplagten Libanon

Zerstörte Häuser
Mitten in den kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon gibt es Christen, die für ihre Landsleute da sind und ihnen Hoffnung und Hilfe geben möchten. Rouba Yammine ist eine von ihnen.

«Es ist über ein Jahr her, dass wir das letzte Mal einen klaren Himmel gesehen und uns sicher gefühlt haben», beschreibt Rouba Yammine ihr derzeitiges Leben. Die libanesische Mitarbeiterin von «Youth for Christ» (Jugend für Christus) in Beirut lebt mit Mann und Tochter am Rand der libanesischen Hauptstadt und engagiert sich als Assistentin des Nationalleiters. Während die Welt darüber diskutiert, wer mehr Schuld auf sich geladen hat, Israel oder die Palästinenser bzw. inzwischen die Libanesen, sieht Rouba die leidende Bevölkerung auf beiden Seiten. Und sie erlebt jeden einzelnen Tag Tod und Elend in ihrer direkten Umgebung.

Wenn die Nachrichten von 3'000 toten Libanesen sprechen, von über 13'000 Verletzten und einer Million Menschen auf der Flucht, dann sind das die Menschen, unter denen sie arbeitet, zu denen sie gehört. Roubas Alltag ist geprägt von angstmachenden Geräuschen wie Detonationen und dem Überschallknall von Flugzeugen und der genauso angstmachenden Stille mit der Frage, was als nächstes geschehen wird. «Wir sind gefangen in einem Schwebezustand zwischen Leben und blossem Überleben», beschreibt sie ihre Situation.

Wenn die eigentliche Arbeit nicht möglich ist

Rouba Yammine ist Gemeindeleiterin in Beirut

Jugend für Christus ist eine internationale Jugendarbeit, die jungen Menschen die gute Nachricht von Jesus Christus weitergeben und sie auf ihrem Weg mit Jesus begleiten möchte. Das hat auch die Arbeit im Libanon geprägt: Schülergruppen, Sommercamps, Jugendtreffs. Nichts davon läuft mehr, denn das gesamte Land befindet sich im Ausnahmezustand. Fast muss man sagen, dass dies nichts Neues ist, denn 2019 gab es eine Revolution, dann folgte die Pandemie, dann die gewaltige Explosion im Hafen von Beirut mit tausenden Verletzten und vielen Toten – und jetzt der Krieg der Hisbollah mit Israel. Als Folge änderte sich die Arbeit völlig. Nun stehen Geflüchtete und Vertriebene im Fokus. Mal geht es um Freizeitgestaltung, mal um das Besorgen von Hygieneprodukten oder einer warmen Mahlzeit. Hoffnung weitergeben in herausfordernden Zeiten ist das Ziel der Mannschaft in Beirut. Dazu gehören selbst Seminare zu psychischer Gesundheit. Wie kann man mit traumatischen Erlebnissen umgehen? Wie lernt man, darüber zu sprechen? Welche Hilfe bietet der Glaube?

Dieses Dasein für andere ist anders als die frühere Arbeit des Missionswerks, doch immer noch finden Menschen zum Glauben. So wie Hashem (19), der irgendwann im Jugendzentrum auftauchte und Gemeinschaft suchte. Mit dem Glauben wollte er zunächst nichts zu tun haben, aber die Christen machten ihn durch ihr Leben neugierig. Als er sich nach Jesus erkundigte, meinten sie nur: «Geh und entdecke es selbst.» Und als er Gott in einer Nacht voller Zahnschmerzen um Hilfe bat und geheilt wurde, beschloss er, als Christ zu leben. Jetzt setzt er sich für Familien auf der Flucht ein. Hashem ist nur einer von vielen, die gerade erleben, dass Gott mitten im Chaos des Lebens Frieden schenkt.

Wenn die Angst mitgeht

Es ist eine Sache, von aussen in eine Krisensituation hineinzuschauen, und eine andere, mittendrin zu sein. Rouba Yammine beschreibt ihr Leben daher als «surreal», weil sie einerseits in einem bis jetzt noch sicheren Gebiet am Stadtrand lebt, andererseits jeden Tag die Luftangriffe mitbekommt und den Brandgeruch wahrnimmt. Viele junge Menschen – gerade Christen, die im Land sowieso einen schweren Stand haben – gehen. Rouba sagt selbst: «Die Arbeit hier ist nichts für schwache Nerven. Es ist nicht leicht, Menschen in den dunkelsten Momenten ihres Lebens zu begleiten und ihren Schmerz zu teilen. Die Geschichten, denen wir begegnen, scheinen aus einem Horrorfilm zu stammen: Familien werden auseinandergerissen, Häuser zerstört und das Trauma wird die Menschen für den Rest ihres Lebens begleiten.»

Wie viele andere kämpft die Christin damit, ihr Bild eines liebenden Gottes mit den Bildern von Zerstörung und Verzweiflung in Einklang zu bringen. Gleichzeitig sieht sie Versöhnung und Hoffnung, wie nur Gott sie geben kann, als einzigen Ausweg aus der aktuellen Misere. «Je dunkler es wird, desto heller leuchtet die gute Nachricht von Jesus», stellt sie klar. Sehr persönlich erzählt sie: «Als ich meine Tochter gestern Abend ins Bett brachte, musste ich an die zahllosen Kinder denken, die in Notunterkünften oder auf der Strasse schlafen, ohne auch nur eine Decke zu haben. Als ich sie an mich drückte, schmerzte mein Herz für die Mütter, die ihre Kinder verloren haben, für die Ehefrauen, die ihre Männer verloren haben, und für alle, die einen unvorstellbaren Verlust erleiden.»

Dies ist kein Statement gegen Israel, aber auch keines gegen die Menschen in Gaza oder rund um Beirut. «Politik war noch nie meine Stärke», unterstreicht Rouba, «aber die Sorge um die Unschuldigen auf beiden Seiten ist etwas, von dem ich weiss, dass es Gott sehr am Herzen liegt.» Deshalb appelliert sie an Christen in aller Welt zu beten, denn «nur Gebet und Glaube können uns Halt geben». Und am nächsten Morgen steht Rouba wieder auf, versorgt ihre Tochter und geht wieder in die unsichere Welt der Menschen hinein, für die sie da sein will.

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Datum: 09.11.2024
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Premierchristianity

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