Kein Bock auf Burn-Out
1. Aufgaben delegieren
Die Gemeindeleitung muss delegieren. Dann bleibt im Ältestenkreis mehr Zeit für das Hören auf Gott und aufeinander sowie für inhaltliche Themen. Es empfiehlt sich eine Struktur, die einerseits einen Leitungskreis vorsieht, der die geistliche Gesamtsicht und die Gesamtverantwortung wahrnimmt (etwa als Ältestenkreis) und andererseits die Leitung von Teilbereichen und operativen Aufgaben bei Diakonen oder Bereichsleitern verortet (siehe Apostelgeschichte 6).
2. Sitzungen zeitlich begrenzen
Unsere Sitzungen waren meist zweiwöchentlich dienstagabends ab 19:15 Uhr. Und nach endlosen Diskussionen fiel mir manches Mal mittwochs das Aufstehen und Arbeiten sehr schwer. In einem Punkt bin ich mir mittlerweile ganz sicher: Besprechungen, die über 22:00 Uhr hinausgehen, sind nicht nur verschwendete, sondern kontraproduktiv wirkende Zeit. Bei Klausurwochenenden ist das Gegenteil richtig: Zu vorgerückter Stunde ohne formale Tagesordnung wird es manchmal erst richtig spannend.
3. Dauerhaft Unzufriedene auf andere Gemeinden verweisen
Meiner Erfahrung nach hat es keinen Zweck, um jeden Preis alle zusammenhalten zu wollen. Eine gesunde Mischung theologischer Prägungen ist durchaus reizvoll, aber dauerhaft extrem Unzufriedene sollte man eher auf andere Gemeinden verweisen. Ich habe es erlebt, dass man im Guten auseinandergehen und dennoch innig verbunden bleiben und punktuell zusammenarbeiten kann. Einheit in aller Unterschiedlichkeit zu erleben und zu pflegen (Epheser 4) heisst eben nicht, alle und alles organisatorisch in eine Gemeindeform zu zwingen.
4. In willige Menschen investieren
Es sollte nicht zu viel Energie darauf verwendet werden, die einzubinden, die dauerhaft fordernd oder kritisierend unterwegs sind und sich gleichzeitig fein aus der verbindlichen Mitarbeit heraushalten. Man sollte klar auf die setzen, die sich tatsächlich jetzt schon mit ganzem Herzen für Gott und die Gemeinde einsetzen. Die gilt es zu stärken, zu fördern, zu ermutigen und zu schulen. Ich habe gelernt: Man sollte möglichst alle einbeziehen, aber besonders in willige Menschen investieren, also in die, welche sich gerne einbringen, ihr Bestes geben, eine dienende Herzenshaltung erkennen lassen.
5. In befristeten Projekten denken
Früher hat Schwester Sigrid bei uns 25 Jahre lang fröhlich den Büchertisch koordiniert und die wöchentlichen Chorproben waren für viele ein ehrenhafter Pflichttermin. Heute kann man Menschen schwer dazu motivieren, sich langfristig festzulegen und Verantwortung zu übernehmen. Und natürlich haben gesellschaftliche Veränderungen (Berufstätigkeit beider Partner bzw. Elternteile, Vielzahl alternativer Angebote) auch in Gemeinden Folgewirkungen.
Wir haben gelernt, mehr in befristeten Projekten zu denken. Die Zeit des Gemeindechores ist vorbei, aber für einen Gospelworkshop mit anschliessendem Gospelgottesdienst besteht sehr wohl Nachfrage – und viele Externe klinken sich ein. Ach ja: Einen Büchertisch haben wir auch wieder, jedes Jahr als stark nachgefragtes Highlight in der Adventszeit.
6. Grenzen respektieren
Es geht, was geht. Was nicht geht, geht nicht. Alle Beteiligten sollten ihr Bestes geben – aber auch ihre Grenzen sowie die Grenzen anderer respektieren. Man kann in Ausnahmesituationen (wie 2020 etwa zu Beginn der Corona-Pandemie, wo Hals über Kopf Streamingangebote geschaffen werden mussten) eine Zeitlang Überlast fahren, aber wenn die Belastungsspitze zum Dauerzustand wird, stellt man die Aufgabe über die Mitarbeiter. Das ist nicht gut. Das geht nicht gut. «Habt acht auf euch und auf die Herde» heisst es in Apostelgeschichte Kapitel 20, Vers 28 – man beachte die Reihenfolge!
7. Mutig aufgeben
Auch wenn es manchmal schmerzhaft ist, einen Schlussstrich zu ziehen: Man muss nicht um jeden Preis alle Arbeitszweige, die irgendwann einmal eingeführt wurden, am Leben halten. Es kommen immer wieder neue Aufgabenbereiche hinzu, dann muss man andere unter Umständen irgendwann beenden.
Zum Autor:
Ulrich Müller war von 2008 bis 2020 Ältester der Christuskirche Gütersloh (BEFG) und ist es seit 2023 wieder. Im Aufatmen-Sonderheft «50 Lessons Learned. Gemeinde leiten – aber wie?» finden Sie weitere Tipps von ihm. Das Heft kann im Shop des SCM Bundes-Verlags bestellt werden. Müller schreibt ausserdem Bibelkommentare für Menschen, die eigentlich keine lesen.
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Datum: 11.03.2024
Autor:
Ulrich Müller
Quelle:
Magazin Gemeinde.Praktisch. 2023, SCM Bundes-Verlag