Zwischenruf

Jesus oder die Unvernunft

«Jesus tritt ab, die Unvernunft bleibt», titelte Simon Hehli kürzlich in der NZZ. Wir begründen die Gegenthese: «Jesus tritt ab – die Unvernunft tritt auf».
Kirche

Simon Hehli bearbeitet bei der NZZ unter anderem den Themenschwerpunkt Religion/Kirchen. Er hat Geschichte, Politik und Religionswissenschaften studiert. Sein religionskritischer Kommentar ist offensichtlich inspiriert vom Auftritt der 18-jährigen Esoterikerin Christina von Dreien, die vor ausverkauften Sälen ziemlich krude Ideen vertritt und behauptet, im Kontakt mit ihrer als Baby verstorbenen Zwillingsschwester zu sein.

Immer weniger «Vernünftige»?

Anders als andere Religionskritiker sieht er nicht die Vernunft anstelle der Religion treten, sondern Unvernünftige wie Esoteriker, Schöpfungsgläubige, Fundamentalisten, Leute die an die Bibel als Gottes Wort und an ein Leben nach dem Tod glauben. Demgegenüber sei die religionskritische Fraktion der Säkularisten zwar laut, aber verschwindend klein, bedauert Hehli. Demgegenüber vertrauten eine Million Menschen in der Schweiz an kosmische Energien, Engel, Geister, heilende Steine und Pflanzen.

In der Tat gibt es auch in der Geschichte des Christentums viel Unvernunft. Die Frage stellt sich aber, ob die Unvernunft nicht viel mehr eine Folge des Missbrauchs des christlichen Glaubens und seines Stifters war. Vom christlichen Glauben erfasste Menschen bezeugen weltweit, dass sie nicht nur den Sinn des Lebens gefunden haben, sondern dass ihr Leben von Hoffnung und einer Ewigkeitsperspektive durchdrungen ist. Zudem gibt es viele plausible Gründe für den Glauben und die Bibel als Basis für diesen Glauben.

Unvernunft im modernen Gewand

Im Kontrast dazu leiden auch Christen unter der Unvernunft von Aberglaube und Ideologien. Denn die Antworten auf die angeblich schädliche Religion sind heute oft ideologisch durchdrungen und schüren neue Intoleranz. Neue Geschlechterrollen und Sexualnormen sollen Menschen befreien, werden aber ebenso dogmatisch vertreten wie früher religiöse Lehren. Homophobie und Islamophobie werden zu neuen Feindbildern stilisiert im Namen von Minderheitenschutz.

Beispiel gefällig? Da fordert eine Nationalrätin ein Gesetz, um einer kleinen Gruppe von Sexualtherapeuten das Handwerk zu legen, weil sie gegen ein ideologisch verfestigtes sexuelles Weltbild verstossen. Dem Wunsch, an seiner sexuellen Identität zu arbeiten, wird schlicht die Legitimität abgesprochen. Andererseits werden Menschen unterstützt, die ihr Geschlecht mit hohem medizinischen und psychologischem Aufwand verändern wollen. Ist das vernünftig?

Christliche Vernunft

Das heisst umgekehrt nicht, dass Christen immer vernünftig denken und handeln. Oft braucht es ein Innehalten und eine Denkpause, um neuen Herausforderungen der Gesellschaft zu begegnen. Voreilige Verurteilung ist ebenso unvernünftig wie das kritisierte Phänomen.

Paulus fordert die Christen bezeichnenderweise nicht zu einem fröhlichen oder ausgelassenen Gottesdienst auf, sondern zu einem vernünftigen (Römer, Kapitel 12, Verse 1-2). Dies bedeutet einen ganzheitlichen Einsatz von Körper und Geist und führt zu einem gereinigten Denken. Dies befähigt Christen zu einem vernünftigen Denken und schärft die Urteilsfähigkeit zu unvernünftigen zeitgenössischen Ideen und Ideologien. Das bedeutet nicht, Zeiterscheinungen zu verurteilen, sondern konstruktiv und mit der nötigen Zurückhaltung damit umzugehen. Oder, wie es Paulus schreibt: «Ich rufe... jeden Einzelnen von euch zu nüchterner Selbsteinschätzung auf. Keiner soll mehr von sich halten, als angemessen ist. Massstab für die richtige Selbsteinschätzung ist der Glaube, den Gott jedem in einem bestimmten Mass zugeteilt hat (Römer, Kapitel 12, Vers 3).»

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Datum: 08.07.2019
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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