Weltverfolgungsindex 2020

Gewalt gegen Christen hat dramatisch zugenommen

Das christliche Hilfswerk Open Doors hat den Weltverfolgungsindex 2020 veröffentlicht, die Rangliste der 50 Länder, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Betroffen sind in diesen Ländern rund 260 Millionen Menschen. Die Gewalt gegen die Gläubigen und ihre Kirchen hat mit 9'500 Übergriffen auf Gotteshäuser und kirchliche Einrichtungen dramatisch zugenommen.
Weltverfolgungsindex 2020 (rot = extremes Ausmass der Verfolgung, orange = sehr schwer, gelb = schwer)
Christen in Nordkorea
Christenverfolgung in Indien (Symbolbild)

Neben den 50 aufgeführten Ländern sind Christen in 23 weiteren Staaten mit hoher Verfolgung konfrontiert. Auffällig sind die weltweit zunehmende Kontrolle und Unterdrückung kirchlichen Lebens sowie die Zerstörung und Schliessung von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen, am stärksten in China.

9'500 Kirchen angegriffen

In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex sind etwa 260 Millionen Christen hoher bis extremer Verfolgung ausgesetzt.
Kirchliches Leben ist dort, wenn überhaupt, nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Besonders christliche Leiter werden ins Visier genommen und bedroht, verhaftet oder ermordet. Weite Teile der Bevölkerung begegnen Christen mit einer feindseligen Haltung. Ob im täglichen sozialen Leben, im Berufsleben, in der Möglichkeit, ihren Glauben frei zu leben, sowie im Umgang mit den Behörden erleben sie massive Diskriminierung und Verfolgung. Im Berichtszeitraum vom 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019 wurden fast 9'500 Kirchen und kirchliche Einrichtungen geschlossen, attackiert oder zerstört, im Vorjahr waren es 1'850.

Hier wurden Christen in 2019 am stärksten verfolgt

Zuoberst auf dem Index liegt erneut Nordkorea, gefolgt von Afghanistan, Somalia, Libyen und Pakistan.
Nordkoreas Herrscherdynastie lässt sich nach wie vor götzengleich verehren. Die Zeitrechnung basiert auf der Geburt von Staatsgründer Kim Il Sung. Der heutige Machthaber Kim Jong Un hält mehrere zehntausend Christen in Arbeits- und Straflagern interniert.

In Afghanistan und Somalia (Ränge zwei und drei) gibt es so gut wie keine Kirchen. Die einheimischen Christen sind in der Regel Konvertiten muslimischer Herkunft. Sie können ihren neuen Glauben nur im Geheimen leben, weil der Abfall vom Islam als todeswürdiges Vergehen gilt. Vor einer ähnlichen Ausgangslage stehen Libyens Christen, deren Alltag durch die Wirren der ungelösten Konflikte zusätzlich erschwert wird.

Auch in Pakistan bleibt die Gewalt gegen Christen auf höchstem Niveau. Übergriffe gegen christliche Mädchen und Frauen sind an der Tagesordnung, die herrschenden Blasphemie-Gesetze zwingen sie zusätzlich zu grösster Vorsicht. Wer deren Änderung auch nur erwägt, riskiert, ermordet zu werden. Die Fürsprache von Christen weltweit hat nach einer konstruierten Blasphemie-Anklage und mehr als acht Jahren Haft zum Freispruch der zum Tode verurteilten pakistanischen Christin Asia Bibi geführt. Aus Kanada teilte sie mit, sie habe denen vergeben, die sie ins Gefängnis gebracht und ihren Tod gefordert hatten. Sie bat die Menschen in Pakistan darum, auch jene nicht zu vergessen, «die schon jahrelang im Gefängnis leiden.»

Destabilisierung in Afrika durch islamistische Gruppen

In afrikanischen Ländern südlich der Sahara führen islamische Extremisten regelrecht Krieg unter anderem gegen christliche Gemeinden. Sie versuchen, die Länder dieser Region zu destabilisieren, in denen die Regierungen oft schwach und nicht in der Lage sind, die Sicherheit ihrer Bevölkerung zu gewährleisten.

Erstmals auf dem Weltverfolgungsindex ist Kamerun (Rang 48). In den vergangenen Jahren hat sich der muslimisch geprägte Norden zu einer Hochburg von Boko Haram entwickelt. Durch die islamische Radikalisierung werden Christen vertrieben und kirchliche Aktivitäten gestört und damit zunehmend verunmöglicht. Im Norden werden Konvertitinnen aus dem Islam zur Heirat mit einem Muslim gezwungen, was leider nicht nur in Kamerun geschiet sondern auch in anderen Länder wie Ägypten. Christliche Kinder werden teils auf Druck muslimischer Verwandter zum Besuch des islamischen Unterrichts gezwungen.

Unübersichtlich bleibt die Lage generell in Sub-Sahara-Afrika, da mindestens 27 islamistische Gruppen in der Region operieren, darunter die Seleka, Ex-Seleka und andere Milizen, die noch immer für Krieg in der Zentralafrikanischen Republik sorgen.

Auf Position zwölf liegt Nigeria. Laut der «International Crisis Group» ist die Gewalt von muslimischen Fulani-Extremisten in Form von anhaltenden Angriffen auf Bauern in der Nord- und Zentralregion sowie auf Kirchen und ganze Dörfer, inzwischen sechsmal so tödlich wie die von Boko Haram. Auch Christen in Asien leiden unter dem militanten Islamismus. Die Lage in Bangladesch (von Rang 48 im Vorjahr auf 38) und Sri Lanka (von 46 auf 30) hat sich deshalb stark verschlechtert. Auf Sri Lanka haben bei Anschlägen auf Ostergottesdienste und Hotels im April 2019 etwa 250 Menschen ihr Leben verloren, die meisten davon Christen.

Burkina Faso neu auf dem Index

Die sprunghafte Zunahme von islamistischen Angriffen auf Christen in Burkina Faso (Rang 28) bringen das für religiöse Toleranz bekannte Land erstmals auf den Weltverfolgungsindex. Im Berichtszeitraum wurden im Norden mehrere blutige Überfälle auf Gottesdienste ausgeführt, mindestens 50 Christen kamen dabei ums Leben. Mehr als 200 Kirchen wie auch Schulen und christliche NGOs wurden angegriffen oder aus Angst vor Überfällen geschlossen. Ähnlich ist die Lage in weiteren Staaten der Region, darunter Mali (29). Hier wurden am 9. Juni bei einem Angriff auf das Dorf Sobame 95 Christen umgebracht.

Der vorsitzende Bischof für Burkina Faso und Niger, Laurent Birfuoré Dabiré, warnte eindringlich: «Wenn die Welt weiterhin nichts tut, wird es hier bald keine Christen mehr geben.»

Big Brother schaut hin

Regimes in China (Rang 27) und weiteren Ländern versuchen durch digitale Überwachung, Verhaftungen sowie Einschüchterung der Christen das kirchliche Leben zu ersticken. In den Kirchen in China werden Kameras und zunehmend biometrische Gesichtserkennung eingesetzt. Die kommunistische Partei verlangt absolute Unterordnung und liess im vergangenen Jahr mehr als 5'500 Kirchen und kirchliche Einrichtungen schliessen.

In Testläufen eines Sozialkreditsystems (SCS) in Rongcheng in der Provinz Shandong planen die Behörden, jeden Einwohner nach einem Punktesystem zu bewerten. Gute Staatsbürgerschaft wird belohnt, schlechte bestraft. Bestraft werden soll unter anderem das «illegale Verbreiten des Christentums». Privatsphäre und Glaubensfreiheit werden dadurch im Reich der Mitte noch stärker eingeschränkt.

Ein Inder muss ein Hindu sein

Auch in Indien (Rang 10, wie WVI 2019) macht die Entwicklung biometrisch basierter Überwachungssysteme ebenfalls Fortschritte. Unter einer von der BJP geführten Regierung der zweiten Amtszeit breitet sich eine ultranationalistische Hindutva-Ideologie (in der man als Inder ein Hindu sein muss) weiter aus. In diesem Monat, Januar 2020, will die indische Regierung ein nationales Gesichtserkennungssystem einführen. Mit mindestens 447 nachgewiesenen Vorfällen von gegen Christen verübter Gewalt und Hassverbrechen im Jahr 2019 (in einem Klima der Straflosigkeit aufgrund von polizeilicher Untätigkeit und sogar Absprachen), befürchten die Christen weitere Angriffe.

Irak und Syrien: Kampf gegen Auslöschung

Wegen der Unsicherheit im Irak und der Bedrohung durch schiitische Milizen zögern Christen, in ihr Land zurückzukehren. Deren Zahl hat innerhalb nur einer Generation um 87 Prozent abgenommen. Lebten im Jahr 2003 noch 1,5 Millionen Christen im Zweistromland, sind es heute noch rund 202'000.

Ähnlich ist die Situation in Syrien. Zusätzlich droht Christen durch den Einmarsch der Türkei in Nordostsyrien ihre Vertreibung. Dank der Hilfe von Christen weltweit stemmen sich die Gemeinden in Syrien und Irak gegen ihre Auslöschung. Vor dem Konflikt lebten rund 2,2 Millionen Christen in Syrien. Ihre Zahl ist auf rund einen Drittel geschrumpft: Noch 744'000 sind geblieben.

Leichte Verbesserung und Hoffnung im Sudan

Es gibt in verschiedenen Ländern auch vereinzelt Hinweise auf Besserung; darunter im Sudan. Der sudanesische Minister für religiöse Angelegenheiten Nasreddine Mufreh erklärte, dass den Christen gestohlenes Eigentum zurückgegeben werden solle und dass sie das Recht haben sollen, ihren Glauben frei auszuüben. Zeichen der Zeit: Die neue Justizministerin, Rayaa Nicol Abdel Masih, selbst koptischen Glaubens, überbrachte die gute Nachricht am Mittwoch, den 25. Dezember, persönlich und erklärte: «Nach neun Jahren hat die Regierung den 25. Dezember zum Feiertag erklärt, was die Gefühle der Liebe, des Friedens und der Staatsbürgerschaft des sudanesischen Volkes zeigt. Mögen unsere muslimischen Brüder und Schwestern wissen, dass dieser Feiertag ein Festtag ist, zu dem sie herzlich eingeladen sind!»

Wesentlich entschlossenere Unterstützung

Die Religionsfreiheit in der Welt ist zunehmend gefährdet. Wenn Regierungen Christen das Recht verweigern, ihren Glauben zu leben und sie stattdessen verfolgen, müssen wir uns zu ihrer Stimme machen.» sagt Philippe Fonjallaz, Leiter von Open Doors Schweiz. «Angesichts der Zunahme des religiösen und ideologischen Extremismus rufen wir die Medien, unsere Regierung und die Entscheidungsträger auf, ihre Augen vor dieser Tatsache nicht zu verschliessen, sondern die Verfolgung von Christen sowie anderer Minderheiten bei jeder Gelegenheit zu thematisieren, damit die betroffenen Regierungen nicht ungestraft handeln können. Wir rufen auch dazu auf, Christen für ihre verfolgten Brüder und Schwestern zu mobilisieren, um sie zu unterstützen, auch im Gebet.»

Insgesamt beobachtet Open Doors 150 Länder und unterstützt seit 65 Jahren verfolgte Christen durch umfangreiche Hilfsprojekte in über 60 Ländern.

Der ausführliche Bericht mit detaillierten Länderprofilen, Analysen zu weltweiten Entwicklungen, der Methodik sowie einer Zusammenstellung der Zahlen zu den gegen Christen verübten Gewalttaten finden sie hier: powebtool.net

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Zum Thema:
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Datum: 15.01.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Open Doors CH

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