Nach niederländischem Urteil

Demente gegen ihren Willen töten?

In den Niederlanden ist es künftig erlaubt, demente Patienten auch gegen ihren Willen zu töten, wenn eine frühere Patientenverfügung vorliegt. Darüber berichtete Livenet Ende April. Uli Zeller, der selbst seit Jahren Demente begleitet, ist bestürzt. Er schreibt in seinem Kommentar für Livenet von drei Wünschen, die jeder demente Mensch hat.
Alter Mann sitzt auf einer Bank
Uli Zeller (Bild: zVg)
Cover von Uli Zellers Buch «Frau Krause macht Pause»

Ich arbeite in einem Altenheim in Singen (DE) als Betreuer und Seelsorger. Mit Bestürzung habe ich von einem aktuellen Gerichtsurteil in den Niederlanden gelesen. Das Gericht erlaubt es, Menschen mit Demenz zu töten, auch wenn sie das gar nicht wollen (Livenet berichtete).

«Aktive Sterbehilfe», «Euthanasie» oder «töten»?

Ich habe erst davor zurückgeschreckt, hier den Begriff «töten» zu verwenden. «Aktive Sterbehilfe» hört sich schliesslich harmloser an. Und «Euthanasie» (vom Griechischen her kommend «der schöne Tod») hätte eine schönere Wortbedeutung. Doch auch die Ärztezeitung spricht hier von «Tötung». Daher scheint mir dieser Begriff doch angebracht.

Ich arbeite seit vielen Jahren mit Menschen, die an Demenz leiden. Diese Kolumne greift Erfahrungen und Beobachtungen aus dieser Praxis auf. Ich versuche, mich in die Situation eines Menschen mit Demenz zu versetzen – und drücke es in Form von drei Wünschen aus:

Nehmt mich ernst

Nur weil ein Arzt einmal den Stempel «Demenz» in meine Krankenakte gedrückt hat, heisst das nicht, dass ich blöd bin. Geht nicht davon aus, dass ich ein Trottel bin. Redet mit mir, nehmt mich ernst. Wisst, dass ihr es mit einem Menschen zu tun habt – und nicht mit einem Fall. Ich kann mich äussern – vielleicht in Worten, vielleicht indem ich auf meine Lippen beisse oder mit den Armen zucke.

Nehmt Rücksicht auf meine Gefühle

Bei Menschen mit Demenz werden Gefühlsäusserungen wichtiger. Aussagen des Verstandes treten eher zurück. In den Gefühlen sind Betroffene aber stark. Oft stärker als Menschen ohne Demenz. Es kann sein, dass ich in einer Demenz emotional plötzlich Lebensfreude auf einer Ebene habe, die mir ohne Demenz nie möglich war. Weil der Verstand so manche Gefühle zurückdrängt. Achtet darauf. Nehmt meine Gefühle ernst.

Nehmt mir meine Schmerzen

Oft schränken Begleiterscheinungen die Lebensqualität noch mehr ein als eine Demenz. Zum Beispiel Schmerzen. Wenn ich Anzeichen von Schmerzen habe, dann nehmt mir diese bitte. Es gibt wundervolle Hilfsmittel. Vom Schmerzpflaster über Tropfen bis hin zur Schmerzpumpe. Auch ablenken lasse ich mich gerne vom Schmerz. Zum Beispiel, wenn ich etwas geniessen kann. Ihr könnt mir gerne hin und wieder eine genussreiche Freude machen – zum Beispiel mit einem Stück cremiger Schokolade, einem frisch gebrühten Kaffee oder einem Glas Rotwein.

Uli Zeller schreibt Bücher rund ums Thema Demenz. Alle seine Bücher finden Sie hier.

Links zu «Schmerzen bei Demenz erkennen»:
gelbe-liste.de
deutsche-alzheimer.de
wegweiser-demenz.de

Zum Thema:
Umgang mit Demenz:
«Honig im Kopf» - Was steckt dahinter?
Demenzkranke begleiten: Wenn man den eigenen Glauben vergisst
Durch Gebet und Eingebung: Von Demenz geheilt

Datum: 09.05.2020
Autor: Uli Zeller
Quelle: Livenet

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