Irakische Christen und Aufruhr

Vertrauen auf Jesus üben – mitten in den Unruhen

In der Josefs-Kirche im Herzen von Bagdad versammeln sich seit dem 4. November 2019 irakische Christen aller Kirchen - die Adventisten nicht ausgenommen - zum wöchentlichen Montagsgebet.
Johannes-Christen im Südirak

Die Christen in Bagdad bitten um ein Ende der blutigen Ausschreitungen, die den Irak schon seit Oktober erschüttern. Sie beten aber auch für die Erfüllung der gerechten Anliegen des Massenprotestes: Für Abhilfe bei den Plagen von Teuerung, Arbeitslosigkeit und korrupter Misswirtschaft der seit den letzten Wahlen von 2018 Regierenden. Die dicht gedrängten Beterinnen und Beter flehen auch um die Eindämmung des Fanatismus irakischer Muslime, der vom sozialen Notstand genährt wird.

Unruhen und Übergriffe gegen Christen

Die jetzigen Unruhen erinnern in vielem an die Schreckensjahre 2003 bis 2011, als drei Viertel der bis dahin zwei Millionen Christen den Tod fanden, vertrieben wurden, die Flucht ergriffen oder zumindest Frauen und Kinder ins Ausland in Sicherheit brachten. Zwar gab es diesmal keine gezielten Angriffe auf christliche Kirchen, Schulen und diakonische Werke. Doch nun nützen in Bagdad eifernde Schiiten und rein kriminelle Elemente die allgemeine Unrast zu Plünderungen der Läden von Christen im Basar, zum Eindringen in ihre Wohnungen mit Raub und Vergewaltigungen.

Johannes-Christen in der Defensive

Im schiitischen Südirak gibt es seit über zehn Jahren in der Provinz überhaupt keine Christen mehr. Nur im Marschland von Nasiriya - dort dürfte sich Abrahams Heimat Ur befunden haben - hatten sich Täufergemeinden altertümlicher Herkunft gehalten, die sogenannten Johannes-Christen. Als jetzt gerade diese Gegend Hochburg des Schiitenaufruhrs im Süden wurde, haben sich diese Täufer noch tiefer ins schwer zugängliche Sumpfland Mesopotamiens zurückgezogen.

Wenig übriggebliebene Christen ­­– und eine Christin im Parlament

In Iraks Golfhafen Basra, wo es früher blühende evangelische Gemeinden und einen chaldäischen Erzbischof gab, sind nur mehr wenige Hundert übrig geblieben: Chaldäer und Assyrer, ein paar Armenier, Baptisten, Pfingstchristen und Adventisten. Doch sitzt im Parlament von Bagdad eine presbyterianische Abgeordnete aus Basra, Evan Fayek Yakub. Sie wurde im Mai 2018 aber nicht auf einen der fünf für Christinnen und Christen reservierten Sitze – unter den 329 des irakischen «Repräsentantenhauses» -, sondern als «Unabhängige» gewählt. Dank ihrer Sozialarbeit ist die Lehrerin auch im heute so gut wie rein schiitischen Basra beliebt und angesehen.

Nach der Dezimierung die Verkündigung

Gerade hält sich Frau Yakub zu einer Parlamentssitzung in Bagdad auf. Sie begrüsst den Schulterschluss der militanten Schiiten des Imams Muktada as-Sadr mit der Regierung Abadi. Mag diese Wende der schiitischen Volksbewegung «Sairun» (Vorwärts) auch vom iranischen General Kassem Soleimani vermittelt sein: «Immer noch besser eine geordnete schiitische Obrigkeit als religiös verbrämte Sozialrevolution in den Strassen». Das Parlament sei gerade daran, die nötigen Reformen zur Beruhigung der Demonstranten zu beschliessen: «Niederwerfung der Proteste allein genügt nicht. Wir müssen die Anliegen dieser Verzweifelten aufgreifen.» Evan Fayek Yakub ist bemüht, im Zug des Reformprogramms auch die letzten irakischen Christen besser abzusichern: «Nach unserem Dahinschwinden liegt die Zukunft in der Verkündigung. Die wird uns aber von der bisherigen Gesetzgebung unter Muslimas und Muslimen verwehrt. Es darf keine staatlichen Strafen für die Bekehrung vom Islam mehr geben.»

Die Bischöfe der etablierten Kirchen halten dieses Anliegen der Christin aus Basra in einer islamisch beherrschten Gesellschaft für «Utopie». Doch die tapfere Presbyterianerin vertraut auf Jesus ...

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Datum: 20.11.2019
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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