Heinz Strupler

«Arbeiten im Reich Gottes ist kein Muss»

Mit ungewohnten Wegen wühlten Heinz Strupler und seine Frau Annelies die Schweizer Freikirchenlandschaft in den letzten 50 Jahren auf. Am 18. April ist Heinz 75-jährig geworden.
Heinz Strupler
Heinz Strupler mit seiner Frau Annelies

«Heinz ist von Gott berufen worden, ein Pionier zu sein und ungewohnte Wege zu gehen. Maybe, he's a history maker – vielleicht wird er Geschichte schreiben.» Dies sagte Greg Livingstone, einer der Leiter von Operation Mobilisation OM, zur jungen Annelies Isler, als sie über ihre keimende Beziehung zu Heinz Strupler sprachen. Ende Juni feiern Heinz und Annelies Strupler-Isler ihre goldene Hochzeit. Am 18. April hat Heinz seinen 75. Geburtstag gefeiert.

«Annelies ist für mich ein Glückstreffer. Wir haben die gleichen Interessen für den vollzeitlichen Dienst. Das war für mich auch eine Bedingung für eine Beziehung», blickt Jubilar Heinz Strupler auf den gemeinsam ausgeübten Dienst zurück. Dieser Dienst, den er ebenfalls seit 50 Jahren vollzeitlich ausübt, war ihm immer wichtig. Durch ihn entstanden zahlreiche christliche Organisationen in der Schweiz und über die Landesgrenzen hinaus. Die momentan bekannteste ist wohl der Gemeindeverband ICF. Im theologischen Ausbildungsbereich war während einiger Jahre die Bibelschule Walzenhausen sehr bekannt, später sind die Kürzel IGW und ISTL Markenzeichen geworden.

Der 75-Jährige ist bei ICF und ISTL nur noch im Hintergrund engagiert. Er, der nach eigenen Aussagen lange Jahre immer im Pioniermodus lebte, hat seinen Rhythmus verlangsamt. «Meine Kräfte nahmen in den letzten Jahren ab. Ich musste schauen, dass ich mit meiner Leidenschaft nicht Dinge machen will, die ich nicht mehr kann. Ich muss meinen Pioniergeist radikal fokussieren und mein Wissen hauptsächlich in die Beratung und Entwicklung von Einzelnen investieren, ihren Beitrag im Reich Gottes wahrzunehmen», so beschreibt Strupler seine momentane Lebensphase. Er freut sich aber immer noch, wenn er gelegentlich mit ISTL-Theologiestudenten evangelistische Strasseneinsätze machen kann.

Selber nicht überall gleichzeitig sein

Heinz Struplers Sicht für die theologische Ausbildung entsprang dem Missionsbefehl von Jesus. Er erzählt: «Ich las die Bibel ganz naiv. Da stand: 'Gehet hin in alle Welt!' Wie sollte ich denn 'in alle Welt' gehen können?» Wenn er also nicht selber 'in alle Welt' gehen konnte, musste er andere für diese Aufgabe rekrutieren. In diesem Gedanken wurde er auch durch OM geprägt, wo der Vers aus dem 2. Timotheusbrief Kapitel 2, Vers 2 oft betont wurde. Heinz Strupler fasst den Vers zusammen: «Trainiere andere, die wieder andere trainieren!» So war es sein Ziel, dass überall in der Welt Leute in einem Dienst für Jesus stehen, denen er geholfen hatte, den eigenen Auftrag zu finden.

Eine weitere biblische Schlüsselstelle für sein Leben ist Jesaja Kapitel 6, Vers 8, wo Gott jemanden suchte, der sein Botschafter im Volk Israel sein sollte. Jesaja antwortete: «Hier bin ich. Sende mich!» Heinz Strupler bezeichnet Jesaja deshalb als einen «Volunteer im Reich Gottes». So sah der Schweizer sich auch selber: «Für mich war die Arbeit im Reich Gottes nie ein Zwang, ich hatte mich freiwillig gemeldet.» Aber nicht alles fiel ihm leicht. Wie ein Blitz traf ihn eine Aussage Gottes, die er in Jeremia Kapitel 1, Vers 10 las. Da sagt Gott zu Jeremia, er werde ausreissen und neu anpflanzen. Für den noch jungen Christen hiess dies: «Du wirst kontrovers sein.» Dies würde auch heissen: «Du wirst deshalb auch Hiebe einstecken müssen.» Das traf ihn dermassen, dass er diesen Vers für Jahrzehnte praktisch nicht mehr las. «Es schockierte mich zutiefst, ich wollte dies ja gar nicht.» Im Nachhinein müsse er aber sagen, dass es ihm doch ein bisschen so ergangen sei. Aber er erlebte nicht nur Gegnerschaft: «Ich habe die Gegenwart Gottes und seinen Trost auch in unglaublicher Weise gespürt.» Und heute weiss er, dass früher angespannte oder zerbrochene Beziehungen mit einzelnen Leitern wieder geheilt wurden.

«Die Bibel ist umsetzbar»

Heinz Strupler, der in der Schweizer Freikirchenlandschaft als Pionier mit immer wieder neuen Ideen bekannt wurde, sieht rückblickend bei seinem Vater und seinen Geschwistern einen pionierhaften Charakter. Die landeskirchlich verwurzelte Familie aus Weinfelden TG konnte jedoch lange Zeit nicht einordnen, was für eine Wende Heinz in den Jugendjahren in der Westschweiz vollzogen hatte. Als der gelernte Gärtner und Florist sich dann gar für eine theologische Ausbildung an der Bibelschule ­Brake in Deutschland entschied, kam es für längere Zeit zu einem Bruch. Und doch verfolgte Heinz den Weg, den er als Gottes Auftrag betrachtete. Zum persönlichen Glauben an Jesus Christus fand er in Vevey durch einen Mitbewohner in einem Wohnheim.

Ein halbes Jahr später nahm er an einer OM-Konferenz in Holland mit 1'000 Teilnehmern und an einem Einsatz teil. Bei der Konferenz erlebte er eine Gebetsnacht, bei der es laut zu und her ging. «Die Prediger brachten zum Ausdruck, dass die biblischen Texte der Realität entsprechen. Gebetet wurde mit der Überzeugung, dass Gebete erhört werden», schildert Heinz Strupler diese Momente auch jetzt noch mit Begeisterung. «Auch ich kam zur Überzeugung, dass meine Gebete erhört werden.» So brannte er darauf, ins Einsatzgebiet zu gehen. «Vorher betrachtete ich die biblischen Aussagen als wahr, jetzt betrachtete ich sie als umsetzbar», bringt er es auf den Punkt. Von da an ging es ihm darum, die Not zu sehen und dann zu handeln. «In den meisten Fällen gelang es, in einigen Fällen nicht.»

Das New-Life-Hoch

Seine Arbeit mit OM beschränkte sich nicht auf den einen Einsatz. Heinz Strupler übernahm das Mandat, in der Schweiz junge Menschen für Missionseinsätze zu rekrutieren. Er sah auch die Not in Zürich und rekrutierte für Strasseneinsätze in der grössten Schweizer Stadt. Bistros wurden in Zürich und anderen Städten eröffnet, man sprach von «Teestuben». Randständige kamen zum Glauben. Weil zu etablierten Gemeinden grosse kulturelle Barrieren bestanden, entstanden schliesslich New-Life-­Gemeinden. Diese mussten eigenständig werden, weil OM damals grundsätzlich keine Gemeinden in einem Land gründete, wo man Mitarbeiter für die Mission rekrutierte.

Die neu zum christlichen Glauben Gestossenen und andere sollten nun gefördert und für missionarische Dienste im In- und Ausland geschult werden. Struplers gründeten und leiteten die Bibelschule Walzenhausen, hoch über dem Bodensee im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Die New-Life-Initiativen multiplizierten sich durch die Absolventen innert kurzer Zeit und zählten bis zu 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Den Leitern der einzelnen Initiativen gab Strupler viel Freiheit. Das ermöglichte es, an immer neuen Projekten beteiligt zu sein. Zum Beispiel wurden die ersten Möglichkeiten für private Radiosendungen gepackt, Surprise-Reisen entstand aus Missionseinsätzen.

Die Energie, die Bibelschule und die weiteren Gründungen zu begleiten und evangelistische Einsätze durchzuführen, schöpfte Heinz aus seinen persönlichen Zeiten mit Gott. «Ich arbeitete meine Bibel in der Stillen Zeit durch. Während Jahrzehnten stand ich um halb sechs auf und machte bis um sieben Uhr Stille Zeit und betete. Und oft am Abend nochmals einen Block.» Und er betet immer noch, «dass wir in der Schweiz nochmals einen Durchbruch erleben, wie wir es Anfang der 1970er-Jahre erlebt haben».

«Was wird mit 40 kommen?»

Noch ein zweites Gebetsanliegen trägt der 75-Jährige im Herzen: dass der Missionsauftrag in nächster Zeit abgeschlossen wird. Der Wunsch nach dem baldigen Abschluss dieses Auftrags war schon in seinen ersten Glaubensjahren eine wichtige Triebkraft. Bibelverse wie Matthäus Kapitel 24, Vers 14 prägten ihn, sein Team wie auch viele andere Missionspioniere in den letzten Jahrhunderten: «Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.»

Verbunden mit diesem Antrieb, kam eines Tages bei Heinz Strupler der Gedanke, es werde irgendetwas Besonderes geschehen, wenn er 40 Jahre alt würde: «Entweder sterbe ich oder Christus kommt wieder.» Das setzte bei ihm eine grosse Energie frei. Doch er merkte, dass es weitergehen würde und dass er sich weiterbilden sollte. «Ich hatte trotz des erfolgreichen Dienstes viele Fragen.»

Weil er neben der Bibelschule Walzenhausen auch den New-Life-Gemeindeverband leitete, der sich auf mehrere Länder ausgedehnt hatte, hörte er immer wieder, dass die theologischen Ausbildungen praktischer werden müssten. «In Referaten hörte ich, wie zum Beispiel mit Apostelgeschichte Kapitel 19 begründet wurde, dass theologische Ausbildung und Gemeinde zusammenrücken müssten. Ich sah diese Spannung», erinnert er sich. «Damals verbrachten Theologiestudenten oder Bibelschüler in der Regel mehrere Jahre abgeschieden in einer Institution, meist auf einem Berg weit weg von ihrer Gemeinde.» Gleichzeitig litt Heinz darunter, zu sehen, wie Kirchen in ihrem Stil 50 Jahre hinter der Zeit herhinkten.

Das duale Bildungssystem als Erleuchtung

Um diesen Themen nachzugehen, gab Heinz Strupler 1986 die Leitung der Bibelschule Walzenhausen und der New-Life-Bewegung ab. Er zog mit seiner Familie für eine Zeit der Weiterbildung nach Amerika. «Wie kann theologische Ausbildung parallel mit gleichwertiger Umsetzung in der Gemeinde verbunden werden?», um Antwort auf diese Frage rang er. «Innovative Kirchen und theologische Ausbildung sind zwingend miteinander zu verknüpfen», ist er noch heute überzeugt. Er fand die Antworten, fast wie eine Erleuchtung: Das bewährte duale Bildungssystem der Schweiz könnte auch in der theologischen Ausbildung der Schlüssel sein. Heinz Strupler sah in diesem Modell Parallelen zur Praxis von Paulus, wie sie in Apostelgeschichte Kapitel 19 beschrieben ist. Paulus erlebte ausserordentliche Auswirkungen in Mission und Gemeindebau.

Zurück in der Schweiz, lancierte Heinz Strupler ICF-Gottesdienste und als Ausbildungsstätten zuerst IGW sowie später ISTL. «Die Nachhaltigkeit liegt darin, dass wir Mitarbeiter mit eigenem Vorbild vorangehen und so Wissen in den richtigen Kontext stellen», erklärt er sein Anliegen, das er durch seine Mitarbeit im ISTL immer noch praktisch verfolgt. «Darum gehören nebst solidem theologischem Studium auch evangelistische Einsätze dazu.»

«Das Feuer wird neu auflodern»

Auf die heute oft benutzten Schlagworte «Gesellschaftsrelevanz» und «Transformation der Gesellschaft» angesprochen, gibt er einer Rückzugstheologie eine energische Absage. «Wir müssen alles daran setzen, Pastoren auszubilden, die Feuer in ihren Knochen haben, die für die Gesellschaft relevante Gemeinden leiten. Lasst uns aufhören, Hüter eines erloschenen Feuers zu sein. Wenn wir uns für das entscheiden können, wird das Feuer neu auflodern, Menschen werden verändert und viele der Probleme in unserer Gesellschaft werden gelöst.»

Hat der Pionier Heinz Strupler doch noch ein Projekt, das er verfolgt? «Finish well!», antwortet er ohne zu zögern. Er sieht seinen Auftrag als erfüllt an und freut sich, wie seine Anliegen zum Beispiel in der zeitgenössischen Gemeindekultur von ICF über seine Erwartungen hinaus umgesetzt werden und Früchte tragen. Gelegentlich coacht er auch andere Gemeindegründungsteams. Man merkt ihm an, sein Statement «Mission accomplished!» lässt immer noch eine Türe offen für Neues. 

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Datum: 27.04.2020
Autor: David Gysel
Quelle: idea Schweiz

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