Kirchen nach Lockdown

EGW Hasle-Rüegsau: «Betreuung der Senioren war noch nie so liebevoll!»

Für einige Kirchen war der Lockdown lähmend, andere nahmen die Herausforderung als Chance für Neues. Livenet sprach mit mehreren Pastorinnen und Pastoren über Schönes und Schweres,
Andreas Blaser (Bild: zVg)
Solche Treffen gibt es im Kanton Bern ab sofort nicht mehr (Gottesdienst im EGW Hasle-Rüegsau).

über Lernfelder und mögliches Neuland nach Corona. Heute mit Andreas Blaser, Pfarrer EGW Hasle-Rüegsau (BE).Livenet: Wie haben Sie die Corona-Zeit als Pastor und Gemeinde erlebt?
Andreas Blaser:
Plötzlich war alles anders. Ungewohnte Distanz, weitgehend «verwaistes» Gemeindezentrum, wohltuende Ruhe. Allerdings mussten wir als Gemeindeleitung einiges organisieren und neu planen.

Dass in unserer Gemeindefamilie mehr als 150 Personen an kein Internet angeschlossen sind, hat sich in dieser Zeit als Herausforderung herausgestellt. Wöchentlich haben wir Info-Briefe per E-Mail und auf dem Postweg versandt. Der Briefpost haben wir jeweils die Predigt beigelegt.

Persönlich litt ich zu Beginn an den durcheinandergeratenen Wochenend-Strukturen. Predigtaufnahmen am Freitag, aber kein Sonntagsgottesdienst. Eine neue Erfahrung, die ich gerne hinter mir lasse. Und doch bin ich sehr dankbar, dass wir diese Möglichkeit der Videopredigt hatten.

Wo gab es Lichtblicke, Chancen, Weiterentwicklungen?
Dank unserer Jugendlichen, die versiert sind im Umgang mit Multimedia und Technik, konnten wir ohne Pause unsere Gottesdienste per Video in die Häuser übertragen. Zu erleben, wie plötzlich viel Kreativität und Ideenreichtum freigesetzt wurde und wie junge Menschen gefördert werden konnten, war ein Highlight in dieser Zeit.

Etwas anderes, das mich mit grosser Zufriedenheit erfüllt hat, waren die vielen Telefongespräche mit älteren Gemeindemitgliedern, die wir geführt haben. Waren die Telefonate zu Beginn noch recht kurz, so wurden sie mit zunehmender Dauer des Lockdowns länger und länger. Ich glaube, die Betreuung unserer Senioren war noch nie so intensiv und liebevoll wie in dieser Zeit. Entsprechend gross war denn auch die Dankbarkeit, die uns Mitarbeitern entgegengebracht wurde.

Ich bin stolz auf unsere Jugend. Vor Ostern haben sie den Senioren ein Blumengeschenk mit einem liebevollen Brief vorbeigebracht und vor Pfingsten in einer grossen Aktion Zeitschriften in unserem Dorf verteilt. Samen, die ausgestreut wurden. Wir beten für eine geistliche Ernte – auch gerade aus dieser Coronazeit heraus.

Wie erleben Sie jetzt die Kirchen-Lockup-Phase?
Nun befinden wir uns auf dem Weg zu einer neuen Normalität – mit dem Schutzkonzept als ständigem Begleiter.  Die Treffen als Kleingruppen, Jungschar, Teenies und Jugend empfinden wir als herausfordernde Gratwanderung zwischen einem starren Regelkatalog und zu viel Lockerung.

Mit grosser Freude und Erwartung haben wir dem 14. Juni entgegengefiebert, dem ersten Live-Gottesdiensten nach drei Monaten. Das Einhalten der BAG-Bestimmungen war mit etwas mehr Aufwand, guter Organisation und einer Portion gutem Willen problemlos umsetzbar. Die Stimmung war vorsichtig fröhlich. Alle Generationen fanden sich zu den beiden Gottesdiensten ein, um gemeinsam Gott zu ehren, auf sein Wort zu hören und vor allem, um die Glaubensgeschwister zu sehen und zu plaudern. Endlich Gemeinschaft! Vielleicht war niemand so glücklich wie ich, weil ich wieder live vor den Gottesdienstbesuchern predigen und sie «spüren» konnte!

Geht es nach Corona zurück zum Business as usual oder haben Sie neue Ideen und Konzepte für die Zeit danach?
Natürlich fragen wir uns als Gemeindeleitung, wie es nun weitergeht. Gibt es sinnvolle Änderungen, neue Konzepte, offene Türen, weites Land? Corona hat uns als Gemeindeleitung mitten in einem Prozess der Visions- und Werteentwicklung «erwischt». Nun können wir neue Erkenntnisse in die Vision und in deren Umsetzung einbauen. Die Krise hat uns zusätzliche Zeit und Erfahrungen in dieser Prozessentwicklung beschert.

Wir werden in Zukunft unsere Ziele der einzelnen Angebote klarer definieren, fokussierter arbeiten und mehr nach der Effizienz fragen.

Zur Webseite:
EGW Hasle-Rüegsau

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Datum: 30.06.2020
Autor: Meike Ditthardt
Quelle: Livenet

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