Real Talk und Deep Stuff
Florian, du bist nicht nur Studiengangsleiter und Professor an der CVJM-Hochschule für den Studiengang «Soziale Arbeit, Religions- und Gemeindepädagogik», sondern auch Prädikant in der EKKW. Worüber hast du als Letztes gepredigt?
Florian Karcher: Das war herausfordernd. Im Predigtplan stand einer der Bibeltexte: Lukas 15 – der verlorene Sohn. Ich habe versucht, Botschaften zu vermitteln, die nicht jede oder jeder schon 1'000-mal gehört hat – ich hoffe, es ist gelungen.
Real Talk – so lautet der Titel des Buchs, das du zusammen mit Katharina Haubold und Felix Eiffler geschrieben hast. Es geht ums Predigen – mit und für Jugendliche. Worüber sollten wir real und deep mit Jugendlichen sprechen?
Frag das die Jugendlichen, mit denen du unterwegs bist, für die du predigen willst – und nicht mich! Das Buch liefert keine Themenliste der Top 10 der wichtigsten Themen, aber es beleuchtet die Themen, die in der Jugendphase wichtig sind. Eine Predigt, die real und deep ist, dreht sich um das, was Jugendliche wirklich beschäftigt, und das kann man eben nicht pauschal sagen, sondern dazu muss man sich mit den Jugendlichen auseinandersetzen. Da beginnt bereits die Predigtvorbereitung!
Ist die Predigt an sich denn überhaupt noch das geeignete Mittel, um Jugendliche zu erreichen?
Erst mal kann man feststellen, dass in der Jugendarbeit immer noch gepredigt wird – auch in kleineren Formaten, wie Andachten. Aber die Digitalisierung wirkt sich auf die Predigt aus. Unser Predigtstil muss digitale Logiken berücksichtigen, damit es für Jugendliche spannend bleibt. Stell dir vor, deine Predigt ist ein Social-Media-Post: Dann würdest du darauf achten, dass es nicht nur Text gibt, sondern z. B. auch ästhetisch ansprechende Bilder oder Grafiken. Du würdest versuchen, die Aufmerksamkeit hochzuhalten und es gäbe einen Call to Action, eine echte Interaktion und eine direkte Reaktionsmöglichkeit. Leute könnten kommentieren. Und es wäre kurz und knapp – all das kannst du in der Predigt umsetzen. Aber vor allem gilt wie im Digitalen: Wenn es nicht relevant ist, swipt man weiter.
Worin siehst du die Chancen, wenn Jugendliche nicht nur bepredigt werden, sondern selbst angeleitet werden, zu predigen?
Jugendliche sind Expert:innen für die Themen, die relevant für sie sind. Sie sind Expert:innen für die Sprache, die anspricht. Und sie können andere Jugendliche besser erreichen. Aber: Sie müssen begleitet werden. In der Reflexion ihrer Glaubenserfahrungen, in der Auseinandersetzung mit der Bibel und auch darin, eine solche Situation zu meistern. Das ist eine riesige Chance für alle Beteiligten: Die Jugendlichen entwickeln ihren Glauben weiter und werden sprachfähig; die Predigt wird attraktiver für andere Jugendliche und Menschen, die das begleiten, lernen, was Jugendliche bewegt und wie sie ticken.
Für wen ist das Buch geeignet und wie hilft es, Jugendliche und Predigt zusammenzubringen?
Das Buch setzt an mehreren Stellen an: Es enthält z. B. eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Predigen; damit eignet es sich für alle, die selbst predigen wollen. Es enthält auch einen Workshop, mit dem man Jugendliche fürs Predigen coachen kann, daher ist es auch geeignet für Verantwortliche in der Jugendarbeit, die Jugendliche empowern wollen. Und es gibt viel Reflexion über Predigt und Jugend allgemein und somit Inspiration für alle, die sich grundsätzlich damit auseinandersetzen wollen.
Dr. Florian Karcher ist Professor für Religions- und Gemeindepädagogik an der CVJM-Hochschule und lehrt und forscht u.a. zur Jugendarbeit und zu neuen Formen von Kirche. Der 42-Jährige lebt bei Kassel und ist dort im Gründungsteam einer FreshX im ländlichen Raum.
Ähnliche Impulse gibt es in den Magazinen vom SCM Bundes-Verlag. Infos zu günstigen Jahresabogutscheinen der Magazine findest du hier.
Zum Buch:
«Real Talk. Mit Jugendlichen predigen» von Felix Eiffler, Katharina Haubold, Prof. Dr. Florian Karcher
Zum Thema:
Kirchen und die Jugend: 7 Wege, junge Menschen zu erreichen
Frömmer als ihre Grosseltern: Gen Z, die deutlich spirituellere Generation
Verlorene Generation? «Wir müssen die Generation Z gewinnen!»
Datum: 09.12.2024
Autor:
Hella Thorn
Quelle:
Magazin 3E 04/2024, SCM Bundes-Verlag