«Gnade ist etwas, das der Geber nicht geben müsste»
Livenet: Naemi Kowalewsky, nun liegt Ihr jüngstes Album «Alles
Gnade» vor. Was muss man über das neue Werk wissen?
Naemi Kowalewsky: Es ist mein zweites Lobpreisalbum,
aber mein erstes Studioalbum, welches ein spannendes Pilotprojekt zweier sehr
unterschiedlicher Produzenten ist. Ich habe die Platte mit einem nicht
gläubigen Produzenten aufgenommen, der vorher noch nie Lobpreismusik gehört
hatte. Es war eine herausfordernde, aber gute Zusammenarbeit. Das Album ist
doch sehr bunt geworden mit fast ausschliesslich eigenen englischen sowie
deutschen Liedern sowie leicht mitsingbaren und eher Vortragsliedern. Am Ende
erzählen alle Lieder aber von meiner Reise mit Gott und sollen ihn ehren.
Deswegen bezeichne ich es als Lobpreisalbum. Und bisher war erfreulicher Weise
für jeden was dabei, unabhängig vom Alter und Glaubenshintergrund.
Der Titel heisst «Alles Gnade», das Thema
ist oft besungen, warum ist Ihnen das Thema dennoch wichtig?
Ich bin gläubig aufgewachsen. Dennoch war der Gedanke, dass ich nichts
aus mir selbst heraus in diese Welt gebracht, mich nicht selbst erschaffen und
erlöst sowie meine Gaben und Herkunftsfamilie, Herkunftsland nicht selbst
gewählt habe, ziemlich neu für mich. Neu in dem Sinne, dass mir erst in den
vergangenen Jahren das Geschenk der Gnade wirklich tiefgreifend bewusst
geworden ist. Für mich bedeutet das, dass alles Gute und Schöne um mich herum,
das Leben selbst, Geschenk und Gnade von Gott ist. Auch wenn ich es nicht
verdient habe, schenkt Gott Gutes. Als wir noch Sünder waren, hat er sich aus
lauter Liebe für uns hingegeben. Gnade ist etwas, was der Geber nicht geben
müsste, was eigentlich sogar ungerecht ist, weil die Gerechtigkeit eine Strafe
erfordern würde.
Aber der Geber, Gott, überschüttet uns dennoch Tag für Tag mit Gutem, weil dies sein Wesen ist. Gesundheit, Erfolg, Gelingen sind am Ende nicht auf mein eigenes Wirken zurückzuführen, da selbst alle körperlichen und geistigen Fähigkeiten von Gott kommen. Wir haben absolut nichts in der Hand. Gott schenkt Gunst, lässt gewähren, erblühen, schützt vor Unfällen, erhält am Leben, legt wohlwollend seine Hand auf unsere Projekte, Gesundheit und Familien. Er ist der Ursprung von allem. Das ist mir in den vergangen fünf Jahren in einer solchen Tiefe bewusst geworden, dass es für mich der Kernpunkt von allem geworden ist. Weil es nicht um mich, sondern um den Geber alles Guten geht.
Können Sie ein, zwei weitere Songs des
neuen Albums vorstellen?
«Mein König» ist ein klassisches Lobpreislied, was gemeindetauglich ist
und Gott in den Mittelpunkt stellen soll. Gott wird darin mit vielen Attributen
beschrieben: Heilig, würdig, ewig, besonders, einzig. Das ist für mich der Kern
von Lobpreis, dass es um den Höchsten geht, wir weg von uns zu ihm blicken und
ihm sagen, wer und was er für uns ist.
Welche Feedbacks nach einem Auftritt
bewegen Sie?
Mich bewegt am allermeisten, wenn Leute mir nach einer Lobpreiszeit
erzählen, dass sie etwas ganz tief angerührt und im besten Falle mehr vom
Herzen Gottes gezeigt hat. Wenn Leute eine innerliche Begegnung mit Gott
hatten, Heilung erfahren, Weisheit von Gott oder ein Wort der Ermutigung oder
Wegweisung empfangen haben. Mich rührt es am meisten an, wenn das Feedback sich
auf eine Vertiefung der Beziehung von Menschen mit Gott und nichts Sichtbares
bezieht.
Was haben Menschen durch Ihre Musik erlebt?
Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal erlebe ich es, dass Menschen zu
Tränen gerührt sind von einigen Liedern und selbst nicht genau wissen, warum.
Manche erzählen wiederum, dass genau eine spezielle Liedzeile sie angesprochen
hat. Ein Feedback hat mich auch besonders berührt: Während dem Sterbeprozess
eines Familienangehörigen von einer Frau lief meine CD «Soaking». Die Frau
erzählte mir, dass der Sterbende nicht sehr gläubig war. Sie und ihre Familie
erlebten während dieser Zeit am Sterbebett eine ganz intensive Zeit, gefüllt
mit dem heiligen Geist, Gebet, Hoffnung, Liebe. Es soll laut ihrer Erzählung
eine starke, hoffnungsvolle Atmosphäre gewesen sein. Das rührte mich zu Tränen,
dass ich indirekt Teil von so etwas sein darf. Denn genau das ist meine Vision:
Eine Atmosphäre zu schaffen, in der eine Begegnung mit dem Herrn und somit
Erneuerung möglich werden kann.
Wird Apostelgeschichte heute mit Musik
geschrieben?
Musik ist ein sehr wichtiger Teil der Kirchen geworden und trägt durch
Musikvideos und die Medien insgesamt zur Verbreitung des Christentums bei. Aber
neben der Lobpreismusik gehört meiner Meinung nach zwingend die Verkündigung
des Wortes Gottes dazu in unseren Gottesdiensten. Musik allein genügt nicht.
Aber es ist schon so, dass viele Menschen sich durch Lobpreismusik bekehren.
Ich beobachte, dass Musik tatsächlich die Herzen auf andere Weise öffnen kann
als das «Wort». Jeder hört irgendwie Musik und hat seine
Lieblingsmusikrichtung. Es ist ein Element, das jeden betrifft und deswegen ist
Musik meiner Meinung nach ein nicht wegzudenkendes Element bei Gemeindegründung
und Mission.
Sie stammen aus Leipzig, wie verändert
sich das Christentum im Osten Deutschlands?
Ich beobachtete in Leipzig viele Gemeindegründungen in den vergangenen
Jahren. Es wächst viel, was super ist! Insgesamt entdecke ich in Gemeinden aber
auch eine immer stärkere Orientierung am amerikanischen Vorbild, wo mir oft die
Entdeckung und Auslebung der eigenen deutschen Identität und Kultur fehlt. Ich
bin für die Stärkung und Prägung einer eigenen deutschen Gemeinde-und
Lobpreiskultur und kein Freund von stupidem Kopieren mit der Erwartung
erfolgreich zu sein, sondern ich befürworte Individualität, Authentizität und
Vielseitigkeit. Das macht Kirche für mich am Ende auch ehrlich und nahbar.
Zur Webseite und zum Facebook-Auftritt von Naemi Kowalewsky
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Datum: 05.07.2019
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet