Gerechter unter den Völkern

Hermann Maas – ein Freund der Juden

Gerade sind der Holocaust und das Ende des Dritten Reichs besonders im Fokus. Da werden grosse Namen und grosse Ereignisse genannt. Das ist absolut legitim. Doch manche Menschen fallen dabei durchs Raster – wie Hermann Maas, der sich als Pfarrer während des Nationalsozialismus gegen den vorherrschenden Antisemitismus stellte und als erster Deutscher nach dem Krieg offiziell aus Israel eingeladen wurde.
Hermann Maas Haus (Bild: Wikipedia / Autor: 3268zauber)
Hermann Maas

Gengenbach in Baden ist mit seinen heute 11'000 Einwohnern kaum der Nabel der Welt. Doch die kleine Schwarzwaldgemeinde ist das Zuhause von Hermann Maas. Der evangelische Theologe wurde dort 1877 geboren. Lange war er Stadtpfarrer in Heidelberg. Tatsächlich wüsste man heute kaum noch etwas von ihm, wenn er sich nicht vehement für den Frieden zwischen Religionen und Völkern eingesetzt hätte – zu einer Zeit, wo das absolut nicht opportun war.

Ein Freund der Juden und Armen

Fast 30 Jahre lang war Hermann Maas (1877–1970) Pfarrer in Heidelberg. Dort ging er in die Geschichte ein als der Pfarrer, der Mauern einriss. Er arbeitete in der Heiliggeistkirche, der bedeutendsten Kirche der Stadt. Das Besondere an dieser Gemeinde war, dass das Kirchengebäude durch eine Mauer im Innern in zwei Teile geteilt war: Das Langhaus war katholisch, der Chor protestantisch. Maas konnte mit dieser scheinbaren Tradition, die seit 1706 (!) das Gemeindeleben beeinträchtigte, nicht leben. Er liess die Mauer abreissen. Das war wohl typisch für den sonst eher unauffälligen Mann. Für ihn gehörte es zeitlebens zum Christsein dazu, andere Religionen, andere Länder und Menschen unterschiedlichster Herkunft und Bildung als Bereicherung zu sehen. So war er 1914 war Mitbegründer des «Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen». Doch seine brückenbauende Tätigkeit ging über den eigenen Kirchhof hinaus.

Er engagierte sich für Arme in Heidelberg, stieg dafür sogar in die Stadtpolitik ein. Die Wohnverhältnisse vieler Menschen in der Heidelberger Altstadt waren damals untragbar. Maas sah das und gründete den kirchlichen Wohlfahrtsdienst, einen Vorläufer des Diakonischen Werks in Heidelberg.

Die Freundschaft zu jüdischen Mitbürgern zog sich durch sein ganzes Leben. Im Alter hielt er fest: «Schon meine Grossmutter hat mir als kleinem Bub gesagt, wenn ein jüdischer Mann ins Zimmer kam: 'Vor Juden musst du immer Ehrfurcht haben, die gehören zum Volke Gottes!' Und das habe ich durch mein Leben hindurch getragen.» Das betonte er auch, als es völlig unpopulär war. So besuchte er während der Reichspogromnacht alle ihm bekannten Juden, um sie zu ermutigen und zu schützen. Und auch danach half er ihnen und engagierte sich dafür, dass viele noch ausreisen konnten. Auf den Hirtenbrief eines Erzbischofs zur Judenfrage antwortete er: «Es genügt nicht, den Juden zu helfen, obwohl sie Juden sind, sondern man muss ihnen helfen, weil sie Juden sind.» Und das tat er. Demonstrativ besuchte er Synagogen, predigte gegen die Judenverfolgung und gründete das sogenannte «Büro Grüber», eine «kirchliche Anlaufstelle für Nichtarier». Damit ermöglichte er vielen Juden noch rechtzeitig die Ausreise.

Ein Zionist und Pazifist

Schon 1903 nahm Maas an einem Zionistenkongress in Basel teil, bei dem es natürlich um das Recht der Juden auf einen eigenen Staat ging. Seit dieser Zeit nannte er sich einen «christlichen Zionisten» und unterstützte das Anliegen ganz bewusst als Christ. Er empfand: «Die Kirche (…) muss wohl ein schützender Zaun sein um das ganze leibliche Israel.» Und das setzte er in seiner Arbeit um. Als immer mehr Kollegen sich bei den nationalsozialistisch geprägten Deutschen Christen engagierten, trat er dem Pfarrernotbund bei und aktivierte seine Beziehungen zur Bekennenden Kirche. Maas ist ein spannendes Beispiel für das heutige Motto: «think globally, act locally» (denke global, handle lokal). Er verlor die Nöte der Menschen um sich herum nie aus dem Blick und begegnete ihnen ganz praktisch. Gleichzeitig behielt er den (weltweiten) Überblick und unterstrich immer wieder: «Das Gewissen aber verlangt vom Christen die Völkergemeinschaft. (…) So sind wir mitverantwortlich für das, was in der Welt geschieht.» Gewalt für die Durchsetzung dieser Ziele lehnte er stets ab, erfuhr sie aber schliesslich selbst, als man ihn 1943 erst in den Ruhestand versetzte und dann zur Zwangsarbeit nach Frankreich deportierte. Obwohl er gesundheitlich stark angeschlagen war, überstand er diese Zeit. Und bereits 1945 nahm er seine Tätigkeit als Pfarrer wieder auf.  

Ein «Freund der Völker»

Hermann Maas ist sicher kein Vorzeige-Prominenter. Sein Gesicht ist – im Gegensatz zu dem von Bonhoeffer – fast niemandem bekannt. Doch gerade als einer der Stillen, die sich eher im Hintergrund engagierten, bleibt er im Gedächtnis. Denn so still war er nun doch nicht. Er bezog klar Stellung gegen einen von der Regierung her verordneten Antisemitismus. Er organisierte das, was ein Kollege aus dem kirchlichen Widerstand als «Untergrundbahn» bezeichnete: funktionierende Möglichkeiten, um Juden ausser Landes zu bringen.

So erhielt Maas 1950 als erster Deutscher nach dem Krieg eine offizielle Einladung nach Israel. 1953 wurde zu seinen Ehren der «Hermann-Maas-Hain» in den Gilboabergen gepflanzt. Er erhielt das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und wurde 1967 von Israel als «Gerechter unter den Völkern» geehrt. In der «Allee der Gerechten» in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem steht seit damals ein Johannisbrotbaum für ihn. Im Rückblick scheint es folgerichtig und erfolgreich, dass Maas sich so für die Juden eingesetzt hat, doch dieser Ausgang war ihm nicht klar, als er im Dritten Reich gegen Ungerechtigkeit aufstand. «Ich wollte auch in schweren Zeiten nur der Wahrheit dienen und nicht etwa schönen Möglichkeiten, mit denen man sich vor Verfolgung schützen konnte», sagte er 1967 in einem Interview.

Hermann Maas starb 1970. 50 Jahre nach seinem Tod ruft seine Heidelberger Gemeinde für 2020 das Hermann-Maas-Jahr aus. Doch zeitlos steht über seinem Leben der biblische Gedanke, der ihn antrieb: «Lernt Gutes tun, trachtet nach dem Recht, helft dem Bedrückten, schafft der Waise Recht, führt den Rechtsstreit für die Witwe!» (Jesaja, Kapitel 1, Vers 17).

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Datum: 17.02.2020
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Zitate aus der Festschrift «Wer war Hermann Maas?»

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