Gottes besondere Häuser

Aus Eis, Bambus und erreichbar über 131 senkrechte Leitersprossen

Im Buch «Gottes besondere Häuser» stellt Hans Möhler, Lektor im Luther-Verlag die aussergewöhnlichsten Kirchen vor. Etwa jene auf den Südlichen Shetlandinseln am Rande der Antarktis. Oder in Georgien die «Säule des Lebens», die über eine schwindelerregende, senkrechte Leiter mit 131 Sprossen zu erreichen ist. Im Interview mit Livenet gewährt Hans Möhler einen Einblick in einige ganz besondere Kirchen.Hans Möhler, w
Die Kirche auf den Orkneyinseln (Bild: zVg)
Hans Möhler
Gottes Besondere Häuser von Hans Möhler

as muss man über Ihr Buch «Gottes besondere Häuser» wissen?
Hans Möhler:
Wer den Bildband aufschlägt, findet eine kunterbunte Sammlung von 70 christlichen Kirchen aus aller Welt. Sie bestehen aus Eis oder Bambus, stehen auf Bergspitzen oder sind aus dem nackten Fels herausgehauen, mit Gras bewachsen oder aus Stahlbeton geformt, uralt oder hypermodern. Zu jedem Gotteshaus gibt es eine kurze besondere Geschichte, nicht zu viel Kunsthistorisches, mehr Erlebtes. Und eine Karte mit den Koordinaten.

Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Buch gekommen?
Da sind mehrere Erlebnisse zusammengekommen. Zunächst hat uns mein Vater schon als Kinder in manche berühmte oder auch wenig bekannte Kirche «geschleppt» – als ganz junger Mensch ist man ja nicht immer davon begeistert. Später, nach seiner Pensionierung, hat er begonnen, jeden Tag eine Stunde Papiermodelle bekannter Gotteshäuser zu basteln: Den Stephansdom in Wien, den Petersdom in Rom, die Leipziger Frauenkirche und viele mehr. Sie sind heute im koptischen Kloster in Brenkhausen hier in Nordrhein-Westfalen ausgestellt.

Zum anderen habe ich ein Jahr in Jerusalem studiert und in dieser faszinierenden Stadt die unterschiedlichsten Denominationen und ihre ebenso unterschiedlichen Kirchen kennengelernt. Das hat mich begeistert, diese manchmal auch schwierige Konzentration so vieler christlicher Richtungen auf kleinem Raum: verschiedene orthodoxe Kirchen, Kopten, Armenier, Evangelische und Katholische oder äthiopische Christen.

Auslöser der Idee war schliesslich – und jetzt wird's lustig –, dass ich ein ähnliches Buch über Klo-Häusschen der ganzen Welt geschenkt bekam. Und da dachte ich als Lektor im Luther-Verlag – immer auf der Suche nach neuen Ideen: Das kann man auch mit Kirchen machen.

Welche Kirchen haben Sie besonders beeindruckt, was die geografische Lage betrifft?
Da müssen wir gleich die weite Reise zu den Südlichen Shetlandinseln am Rande der Antarktis auf uns nehmen. Dort findet sich ein winziges Kirchlein mit rotem Wellblechdach, gerade mal 3,5 Meter lang und breit. Ringsherum Eis, Wasser und Felsen – sonst nichts. Die St. Ivan Rilski-Kapelle wurde mit einem Container per Schiff hierher gebracht – für die Forschungsstationen aus aller Welt. Oder Sie reisen nach Georgien, zur «Säule des Lebens», wie die Einheimischen den 40 Meter hohen Fels nennen. Zu Fuss geht’s durch den Wald, bis Sie zu einer schwindelerregenden senkrechten Leiter mit 131 Sprossen gelangen. Das Kazchi-Kloster liegt obenauf und besteht nur aus einer Kapelle, einem Weinkeller und dem Wohnraum des Einsiedler-Mönchs.

Welche Geschichten hinter den von Ihnen abgebildeten Kirchen haben Sie am stärksten beeindruckt?
«The Miracle of Camp 60» (dt.: Das Wunder vom Lager 60) – hinter diesem wunderlichen Namen verbirgt sich eine zu Herzen gehende Geschichte: Im 2. Weltkrieg inhaftierten die Briten italienische Kriegsgefangene hoch oben im Norden, auf den einsamen Orkneyinseln. Mit Erlaubnis des Lagerkommandanten bauten sie aus Restmaterialien ein kleines Gotteshaus. 1992, 50 Jahre nach Baubeginn, feierten ehemalige Gefangene hier nochmals eine gemeinsame Messe.

Auf Lanzarote steht in Mancha Blanca eine weiss-grau getünchte gedrungene Kirche. 1730 tat sich im Hinterland eine Erdspalte auf, sechs Jahre lang strömte Lava aus dem Boden und verwüstete grosse Teile der Insel. Nicht aber das kleine Dorf. Die Einwohner hatten die Statue der Schutzheiligen «Virgen de los Dolores» aus dem Nachbarort herangeschleppt und geschworen, im Falle der Verschonung ein Gotteshaus zu errichten. Tatsache ist: Der Lavastrom bog direkt vor dem Dorf zur Seite ab – die Kirche wurde gebaut.

Welche Kirchenfunde haben Sie am meisten überrascht?
Eigentlich sehr unterschiedliche. Zum Beispiel die architektonisch super modernen Grosskirchen in Brasilien. Dann die wie eine Höhle gestaltete Hochzeitskirche in Japan. Und die Strandkapelle in Beidaihe in China – wo es weit und breit gar keine Christen gibt. Und wer von Ihnen gern mal eine Kirche im eigenen Garten hätte: Sie können bei einer niederländisch-deutschen Firma einen bunten Sakralbau zum Aufblasen mieten.

Was können wir von diesen Kirchen – respektive den Erbauern – lernen?
Für mich zwei Dinge: Zum einen haben mich jene Menschen überzeugt, die beim Bau der Gotteshäuser immer die einheimischen Traditionen berücksichtigt haben – architektonisch und handwerklich. In Chile gibt es Holzkirchen, deren ungewöhnliche Deckengewölbe die Schiffsbauer vor Ort gezimmert haben: Man nehme die Konstruktion eines Schiffsrumpfes und drehe sie auf den Kopf; schon ist das Gewölbe fertig. Oder auch künstlerisch. Da stehen die Jünger dann eben unter Palmen oder Maria ist selbstverständlich dunkelhäutig. Beeindruckend finde ich die Intensität und Ausdauer, mit der Menschen ihren Glauben ausdrücken wollen – und dadurch entsteht eine Kirche, zum Teil unter schwierigsten Bedingungen. Eine festungsartige Kirche mit meterdicken Mauern und Wehrtürmen etwa auf den Philippinen wurde mehrfach von Piraten zerstört und beharrlich wieder aufgebaut.

Gibt es Rückmeldungen auf das Buch, die Sie besonders bewegt haben?
Leider erfährt man als Lektor selten etwas darüber, ob und wie ein Buch bei den interessierten Leserinnen und Lesern ankommt. Man kann es etwas an den Verkaufszahlen ablesen und die Tatsache, dass wir gerade die 4. Auflage seit Januar drucken, deutet an: Das scheint gut anzukommen. Aber bisher hat niemand gemailt und geschrieben: Mensch super, jetzt weiss ich, wohin ich in meinem nächsten Urlaub fahre.

Wird auf dieses Buch ein zweites folgen, mit weiteren überraschenden Kirchen?
Die Chancen stehen gut. Da ich schon Material für weitere 40 Kirchen habe, aber noch viel Zeit für die abendliche Recherche zu neuen Gotteshäusern benötige, wird ein Nachfolgeband wohl im Herbst 2021 erscheinen. Zum Beispiel mit einer winzigen Kapelle in einem Baum.

Hier können Sie «Gottes besondere Häuser» von Hans Möhler beim Luther-Verlag bestellen.

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Datum: 06.10.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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