Einsamkeit

Eine Gefängniszelle, die sich nur von innen öffnen lässt

Einsamkeit ist die Empfindung, von anderen Menschen getrennt und abgeschieden zu sein. Der Wunsch nach einer stabilen Zweierbeziehung, Familie oder Menschen, von denen man geliebt und geschätzt wird.
Einsamkeit ist eine Gefängniszelle
In den eigenen vier Wänden besteht kaum eine Möglichkeit andere Menschen kennenzulernen.

Eine Umfrage zeigte, dass jeder dritte Schweizer Angst vor Einsamkeit hat. Und auch eine Ehe oder Beziehung bietet keinen Schutz: 16 Prozent der Frauen und 9 Prozent der Männer fühlen sich trotz Partnerschaft einsam.

Viele Menschen können jedoch recht gut mit Einsamkeit umgehen. Viele Künstler glauben an die schöpferische Kraft, die nur aus der Einsamkeit entsteht. Früher war der Begriff Einsamkeit positiv besetzt. Das Wort "einsam" verbreitete sich im späten Mittelalter in Deutschland und bedeutete zunächst "mit sich selbst identisch sein", "bei sich sein". Heute gilt Einsamkeit als gesellschaftliches Problem.

Einsam trotz Kommunikationsmitteln

Wir geben jährlich viel Geld für Kommunikationsmittel aus. Haben sie mal Ihre Telefonrechnungen und Ihre Handygebühren zusammengezählt? Ihre Internetkosten, Ihre Portokosten und die Kosten für die weiten Fahrten zu irgendwelchen Treffen, die den Beziehungen zu Verwandten und Freunden dienen? Wir können in sekundenschnelle Kontakte zu Menschen rund um den Globus herstellen und fühlen uns trotzdem einsam.

Vor einiger Zeit setzte jemand diese Anzeige in die Zeitung: „Ich werde Ihnen ohne Kommentar 30 Minuten lang zuhören. Für 5 Dollar.“ Klingt nach Schwindel. Aber die Person meinte es ernst. Rief jemand an? Sicherlich: Es dauerte nicht lange, da bekam dieser Mensch zehn bis zwanzig Anrufe am Tag.

Nicht jeder der allein ist, fühlt sich einsam. Der Weltumsegler Uwe Röttgering war 26 Monate lang allein mit einem Segelboot unterwegs. Einsam soll er sich dabei kaum gefühlt haben. Heute arbeitet er in einer Immobilienfirma und fühlt dort die Einsamkeit. Seine Erklärung: Auf dem Boot war er in Bewegung, ständig gab es neue Dinge zu sehen, die ihn beschäftigten und inspirierten. Jetzt hasten auf der Strasse so viele Menschen an ihm vorbei, die er kaum kennt. Da fühle er sich oft einsam.

Wie kann ich gegen Einsamkeit vorgehen?

Sicher haben auch Sie schon einmal erlebt, dass Sie sich im Kreise vieler Menschen plötzlich ganz einsam gefühlt haben. Andererseits haben Sie sich sicher auch schon einmal danach gesehnt, allein mit sich zu sein und die Ruhe zu geniessen. Ob wir uns einsam fühlen oder nicht, hängt also auch von unserer inneren Einstellung ab. Alleinsein kann als Last oder wohltuend erlebt werden.

Fachleute bezeichnen Einsamkeit als ein Gefängnis, dessen Türe nur von innen geöffnet werden können. Das heisst, unter Einsamkeit leidende Menschen müssen selbst aktiv werden und nicht darauf warten, dass sie jemand von aussen von ihrer Einsamkeit befreit.

Einsamkeit ist kein Makel

Einsamkeit ist nichts, wofür Sie sich schämen müssen. Sehr viele Menschen fühlen sich einsam. Einsamkeit ist aber auch kein Schicksal, das Sie hinnehmen müssen. Einsamkeit können Sie aktiv angehen.

Kontakt aufnehmen

Erwarten Sie von sich dabei keine "hochgeistigen" Gespräche. Beginnen Sie, über Alltägliches zu reden. Interessieren Sie sich für den anderen und erzählen Sie auch etwas von sich.

Nichts erzwingen

Zunächst ist es wichtig, dass Sie nicht gleich jede neue Bekanntschaft mit einer zu grossen Erwartungshaltung überfordern. Eine Freundschaft kann sich nur aus sich heraus entwickeln und nicht erzwungen werden. Also geben Sie sich Zeit.

Alte Freundschaften aufleben lassen

Was ist aus Ihren alten Freundschaften und Bekanntschaften geworden? Gibt es vielleicht jemanden, mit dem es schön wäre, sich wieder einmal zu treffen? Nicht immer lassen sich alte Freundschaften wieder aufwärmen, aber es kann für beide Seiten ein schönes Erlebnis werden, sich einmal wiederzusehen. Verabreden Sie sich mit anderen Menschen. Gehen Sie ins Kino, an ein Konzert oder auf einen Spaziergang.

Raus aus der Wohnung

Gerade einsame Menschen sitzen oft allein zu Hause, womöglich noch in der stillen Hoffnung, jemand würde kommen, um sie aus ihrer Einsamkeit zu retten. Sie können sich natürlich auch dann einsam fühlen, wenn Sie unter Menschen sind. Aber wenn Sie nicht unter Menschen gehen, werden Sie in jedem Fall einsam bleiben. Wenn Sie unter Menschen gehen, bestehen immer wieder neue Möglichkeiten andere Menschen kennenzulernen. Also – raus aus Ihrer Wohnung.

Freundschaftsanzeigen

Sie können wie auch bei einer Partnersuche einfach eine Anzeige schalten, dass Sie jemanden suchen, mit dem Sie beispielsweise die Stadt, Kulturszene, Natur oder anderes entdecken möchten. Sie werden staunen, wie viele Menschen ebenfalls nach Gesellschaft suchen.

Gesprächsgruppe gründen

Das kann am Stammtisch sein, oder abwechslungsweise bei jemanden Zuhause. Warum suchen Sie sich nicht drei oder vier andere Menschen, die ebenfalls Gesellschaft suchen und gründen einen Gesprächskreis. Wenn Sie sich regelmässig treffen und über Themen diskutieren, lernen Sie sich schnell kennen. Hieraus können schöne Freundschaften entstehen.

Sinnvolle Aufgabe suchen

Suchen Sie sich einen Sinn für Ihr Leben, eine Aufgabe wie etwa eine ehrenamtliche Betätigung. Wenn Sie sich eine Aufgabe geben, werden Sie hierdurch Kontakt finden und sich auch angenommen fühlen. Ihr Leben wird neue Perspektiven haben.

Einsamkeit in der Bibel

Schon auf der ersten Seite der Bibel, 1. Mose, Kapitel 2, Vers 18 wird der Rat erteilt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.“ Der Mensch ist zur Gemeinschaft geschaffen. Christen sind in dieser Beziehung bevorzugt. Man kennt sich. Man redet nach dem Gottesdienst zusammen und lädt einander ein. Man trifft sich auch privat in Gesprächsgruppen und so weiter. Gott hat die Menschen zur Gemeinschaft hin geschaffen. Zur Gemeinschaft mit ihm und auch mit anderen Menschen.

Einer der immer zu spät kam

Einsamkeit ist nicht das Schicksal der Moderne. In der Bibel lesen wir auch von einsamen Menschen. Einer war chronisch krank, 38Jahre lang liegt er in den Hallen am Teich Bethesda. Von Zeit zu Zeit bewegt sich das Wasser, und wer dann zuerst hineinsteigt, wird von seinem Leiden befreit. Das ist die Hoffnung, die auch diesen Menschen an dem Wasser hält. Allerdings ist sie fast erloschen. Eigenartig. Neben ihm sind viele, die ein ähnliches Schicksal teilen. Gibt es keine Solidarität der Kranken? Er sagt zu Jesus: Immer wenn ich versuche in das bewegte Wasser zu steigen, geht ein anderer vor mir hinein. Niemand hilft ihm. Er bleibt zurück, er erlebt das immer wieder viele Jahre lang.

Wir müssen wollen

Die Einsamkeit ist eine Gefängniszelle, die sich nur von innen öffnen lässt. Der Schlüssel zur Veränderung liegt bei uns. So muss man auch die Frage, die Jesus an den Kranken stellte, verstehen: „Willst du gesund werden?“ Es ist diese Frage nach dem Wollen eines Menschen. Da bricht es aus dem Mann heraus: „Ich habe keinen Menschen.“ Das nennt die Bibel Seelsorge: Hast du keinen Menschen, dann hast du Gott, deinen Gott, dem du dein Leid klagen kannst, der dich versteht.

Wir würden aber Jesus unrecht tun, wenn wir behaupten würden, er hätte zu diesem verzweifelten einsamen Menschen gesagt: „Du brauchst auch keinen Menschen, du hast doch mich!“ Er holte ihn auch in die Gemeinschaft mit Menschen. Was dieser Mensch 38 Jahre nicht konnte: Er ging nach dieser Begegnung auf Andere zu und erzählte ihnen, was er erlebt hatte. Er öffnete sich für andere und liess andere an seinem Erlebnis teilhaben.

Man kann deshalb den Schluss ziehen: Du bist einsam, Jesus weiss das, er will dir helfen, dass du in die Gemeinschaft mit ihm und in die Gemeinschaft mit Menschen kommst.

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Datum: 20.04.2007
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet.ch

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