Ansteckendes Geben

Mr. Zehnprozent lädt zum Spenden ein

Die «Zehn-Prozent-Aktion» unterstützt weltweit Projekte
Seit 56 Jahren spenden anonyme Unternehmer für Hilfsprojekte, wenn sie genug Menschen finden, die wie sie zehn Prozent ihres Einkommens geben. Die geniale Idee hat einen biblischen Hintergrund und ist nach wie vor erfolgreich.

Die Not in der Welt ist gewaltig. Und sie beginnt direkt vor der eigenen Haustür. Das ist für viele Menschen ein Anlass, nicht nur selbst aktiv zu werden, sondern auch etwas zu geben. Doch der Blick ins eigene Portmonee kann schon sehr ernüchtern: Was soll ich mit meinen paar Franken oder Euro denn verändern? Die Antwort darauf ist kurz und sehr gegensätzlich: nichts – und alles.

Kein Vermögen der Welt reicht, um die vorherrschenden Nöte abzustellen oder all die sinnvollen Spendenprojekte voranzubringen, die es gibt. Aber alle, die etwas von dem geben, was sie haben, helfen Einzelnen und verändern deren Leben. Oft ist dazu nur etwas Motivation nötig. Zum Beispiel jemand, der vorangeht.

Ein Kaufmann, der gibt

Vor 56 Jahren, im Herbst 1968, beschloss ein Kaufmann aus der Gegend von Wiesbaden, eine Spendeninitiative zu starten. Er fühlte sich von Gott gesegnet und wollte etwas zurückgeben – allerdings nicht allein. So stellte er zehn Prozent seines zu versteuernden Jahreseinkommens für kirchliche Hilfsprojekte in Brasilien, Ägypten und Indien zur Verfügung. Das waren immerhin 10'000 DM. Seine Bedingung war, 20 Gleichgesinnte zu finden, die ebenfalls ihren «Zehnten» geben würden, egal, wie gross dieser ausfallen würde. Er wollte selbst geben, und er wollte andere dazu motivieren, es ihm gleichzutun.

Dies war der Beginn der «Zehn-Prozent-Aktion», die seitdem ununterbrochen in der evangelischen Kirche im Dekanat Wiesbaden läuft. Jedes Jahr von April bis in den folgenden März werden Unterstützerinnen und Unterstützer gesucht, die sich hier engagieren. Der Initiator bleibt dabei anonym, denn «Die Aktion soll im Mittelpunkt stehen, nicht ich», wie er einmal der Presse erklärte. Die Anonymität von «Mr. Zehnprozent» trägt dabei genauso zum Erfolg bei wie die ständig steigende Zahl der Spenderinnen und Spender. Was mit zehn Personen begann, motiviert heute über 400 Menschen zum Geben.

Motivierendes Spenden

Inzwischen ist bereits der dritte «Mr. Zehnprozent» im Einsatz, nachdem der erste Anfang der 1980er-Jahre nach Kanada auswanderte und sein Nachfolger vor wenigen Jahren verstarb. Bis auf seine Frau und die direkt Verantwortlichen im Dekanat weiss niemand, wer er ist. Pfarrerin Bea Stöhr, die das Projekt leitet, verrät nur: «Das sind keine Profifussballer oder anderweitig prominente Menschen, sondern Leute wie du und ich. Auf der Strasse würde man sie nicht erkennen.» Den Namen des aktuellen Mr. Zehnprozent kennt sie allerdings selbst nicht, damit sie sich nicht aus Versehen verplappert.

«Teilen macht Freu(n)de» ist auch sein Motto. Das klingt unzeitgemäss, wenn überall von leeren Kassen die Rede ist, doch wirklich trendy war Spenden noch nie. So erklärte der anonyme Geber im Wiesbadener Kurier: «Wenn die zehn Prozent meines Bruttoeinkommens, das ich spende, 40'000 Euro ausmachen, kann man sich ausrechnen, dass noch genug übrig bleibt.» Ähnliches gilt auch für andere Einkommen; so spenden nicht nur Grossverdiener, sondern auch kleine Angestellte, Rentnerinnen und Schüler, die nur ein Taschengeld bekommen. Einzige Bedingung: Sie geben zehn Prozent ihres Einkommens. Im Laufe der Jahre kamen bei dieser motivierenden Aktion gut über zehn Millionen Euro zusammen, mit denen rund 300 Projekte in 74 Ländern finanziert werden konnten. Eine starke Motivation für die Gebenden und eine echte Hilfe für die Empfangenden.

Die biblische Botschaft dahinter

Anlass für die Idee des unbekannten Kaufmanns war die Aufforderung des Propheten Maleachi an das spendenmüde Volk Israel: «Bringt den Zehnten ganz in das Vorratshaus, damit Speise in meinem Haus sei, und prüft mich doch dadurch, spricht der Herr der Heerscharen, ob ich euch nicht die Fenster des Himmels öffnen und euch Segen in überreicher Fülle herabschütten werde!» Der erste Mr. Zehnprozent wurde zusätzlich von der Einstellung herausgefordert: «Wenn du aber Almosen gibst, so soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut, damit dein Almosen im Verborgenen ist.» Jesus gibt dies in der Bergpredigt als Grundeinstellung zum Geben an. Spannend ist der Einfall, dennoch andere zum Geben zu motivieren. Denn trotz aller persönlichen Grenzen oder Einschränkungen erfahren Gebende immer wieder Gottes Segen, wenn sie freiwillig und gern spenden. «Jeder, wie er es sich im Herzen vornimmt; nicht widerwillig oder gezwungen, denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb!», unterstreicht der Apostel Paulus im 2. Korintherbrief.

Die Zehn-Prozent-Aktion ist nur eine von vielen Möglichkeiten, kreativ zu spenden. Aber sie unterstreicht eindrücklich, dass Geben weder unzeitgemäss noch langweilig sein muss. Bis heute verändert es die Welt – und die Gebenden gleich mit.

Zum Thema:
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Datum: 04.12.2024
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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