Fünf verdrehte Sichtweisen auf den Heiligen Geist
Dies hier soll auf keinen Fall eine Generalabrechnung mit allen falschen oder nicht ganz richtigen Sichtweisen zum Heiligen Geist sein. Eher eine Anregung, die dritte Person der Dreieinigkeit nicht vorschnell in Schubladen zu stecken. Denn der Geist Gottes ist weder ausschliesslich das «grosse Mysterium», noch ist er ganz einfach «greifbar». Aber es lassen sich immer wieder neue Seiten an ihm entdecken. Vielleicht auch darüber, dass wir einzelne Erkenntnisse als Irrtümer oder Teilwahrheiten erkennen. Einige dieser Missverständnisse sind diese:
1. Der Geist wird ausgeschüttet
Dies ist der typische Fall einer Teilwahrheit. Natürlich wurde an Pfingsten der Heilige Geist ausgegossen. Das ist die menschliche Erfahrung dessen, was vor 2'000 Jahren in Jerusalem geschah. Und ähnliche Erfahrungen machen Menschen bis heute, die ein Leben mit Jesus Christus beginnen. Andererseits war der Geist schon immer da und ist allgegenwärtig. Jeder Atemzug, den wir nehmen, füllt uns mit seinem Geist. Hiob spricht folgendermassen über diesen Zusammenhang: «Solange ich lebe, solange noch der Atem Gottes in mir ist, sollen keine unrechten Worte über meine Lippen kommen und will ich nichts Unwahres sagen» (Hiob, Kapitel 27, Verse 3-4). Von der Schöpfung an, als Gott seinen Geist in Adam hineinatmete, ist Atmen nichts anderes als Luft, Leben, Geist aufnehmen. Eine einmalige Ausschüttung an Sauerstoff wäre nicht besonders hilfreich zum Überleben. Stattdessen können wir auch den Heiligen Geist als jemanden kennenlernen, den wir immer wieder aufnehmen, den wir permanent brauchen und der uns Atemzug für Atemzug Gottes Leben einhaucht.
2. Der Geist wirkt spektakulär
Feuerflammen, Wunder, Sprachenrede… Die Liste der spektakulären Begleiterscheinungen des Heiligen Geistes scheint lang zu sein. Doch sie scheint es nur. Viel länger ist die Liste der Normalität. Doch die wird seltener erwähnt, weil ihr eben das Spektakuläre fehlt. Wenn wir an ein Beispiel aus der Bibel denken, wo jemand in der Kraft des Geistes handelte, ist es vielleicht Daniel in der Löwengrube, der «durch den Glauben… Löwen das Maul verschloss» (Hebräerbrief, Kapitel 11, Vers 33). Doch was war die Grundlage dafür, dass die verschiedenen babylonischen Herrscher Daniel als geisterfüllt erlebten? Er ass einfach, wies Karrierechancen zurück und studierte viel – unter anderem in der Bibel. Ein Leben im Geist scheint eher eine langfristige statt eine spektakulär-einmalige Angelegenheit zu sein. Und der Geist scheint auch – oder gerade – in solchen Menschen zu wirken, die sich für Demut, Gemüse und einen frommen Lebensstil entscheiden.
3. Der Geist handelt spontan
Ja, «der Wind weht, wo er will» (Johannes, Kapitel 3, Vers 8), aber bedeutet das, dass er spontan und unvorbereitet reagiert? So, wie es ihm gerade einfällt, um es einmal zu vermenschlichen? Die Bibel zeigt eigentlich ein viel konsistenteres Handeln des Geistes, ein Handeln, das durchaus von Vorbereitung bestimmt ist. Nehmen wir zum Beispiel Antiochia. Von dieser nahöstlichen Stadt wurden vor 2'000 Jahren die ersten Missionare ausgesandt, weil der Heilige Geist geredet hatte (Apostelgeschichte, Kapitel 13, Vers 1). Doch spontan oder überraschend war es eigentlich nicht. Die Gemeinde hatte ein ganzes Jahr damit verbracht, mit Paulus und Barnabas zusammen die Bibel zu studieren. Sie engagierten sich bereits für Bedürftige und sie fasteten und beteten, um Gottes Geist in besonderer Weise reden zu hören. Es war also keine Rede davon zu warten, bis der Heilige Geist irgendwann einmal auf sie fallen und sie mit neuen Direktiven oder Vollmacht überschütten würde. Stattdessen waren sie bereits aktiv und entwickelten sich gemeinsam als Jünger weiter. Genauso können wir heute studieren, beten, fasten und geben und nebenbei ein Auge darauf haben, wann all diese Dinge zusammenlaufen in eine neue oder einfach folgerichtige Berufung.
4. Der Geist bestimmt, wo es langgeht
Weil der Heilige Geist oft als kraftvoll wahrgenommen wird, rechnen wir auch schnell mit seinem lauten Reden, mit deutlicher Direktive. Doch Jesaja beschreibt in seinem Buch einen geisterfüllten Knecht Gottes, der ganz anders handelt: «Er wird das geknickte Rohr nicht brechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen. Er wird das Recht wahrheitsgetreu ans Licht bringen» (Jesaja, Kapitel 42, Vers 3). Dieser Diener hat weder durch Lautstärke noch durch Aggressivität Erfolg. «Er ist mein Auserwählter und macht mir Freude. Ich habe ihm meinen Geist gegeben, damit er den Völkern das Recht bringt. Er wird weder schreien und lärmen noch seine Stimme auf der Strasse hören lassen» (Jesaja, Kapitel 42, Verse 1-2). Offensichtlich kann man also still, in aller Ruhe Gottes Botschaft weitergeben, ohne jedes Trara, bis Gottes Gerechtigkeit die Erde füllt. So tut es jedenfalls der Heilige Geist.
5. Der Geist ist mild und sanft
Scheinbar ist der Heilige Geist nicht derjenige, der sich lautstark in den Vordergrund stellt. Gleichzeitig ist er aber auch nicht die milde Soft-Ausgabe Gottes. Hier wirkt das friedlich-sanfte Bild der Taube verführerisch, in deren Gestalt der Geist bei der Taufe von Jesus erscheint. Doch was tut er direkt danach? «Gleich darauf drängte der Heilige Geist Jesus, in die Wüste zu gehen» (Markus, Kapitel 1, Vers 12). Dieses Treiben ist genauso sanft wie das Vertreiben von Dämonen durch Jesus, das Vertreiben der Lepra von Aussätzigen und das der Geldwechsler aus dem Tempel – hier wird jeweils dasselbe Wort verwendet. Bei aller Sanftheit ist der Heilige Geist also nicht derjenige, der uns verhätschelt. Wenn wir geistlich wachsen wollen, dann wird dies auch für uns Widerstände und Wüstenzeiten bedeuten, eher als ein friedliches Picknick am Ufer des Jordan.
Bewegt sich der Heilige Geist also spontan und unvorhersehbar? Das sieht für uns manchmal so aus. Aber der Heilige Geist lässt sich auch auf diese Beweglichkeit nicht festlegen. Und schon gar nicht auf ein spektakuläres oder kraftvolles und lautes Auftreten. Stattdessen ist er immer gegenwärtig und handelt – ob er damit Aufsehen erregt oder einfach nur still unterstützt, was wir sowieso seit Jahren und Jahrzehnten tun.
Apropos: Pfingsten ist doch eine gute Gelegenheit dafür, uns darüber Gedanken zu machen, was der Heilige Geist in der nächsten Zeit mit uns vorhaben könnte – und zwar, ohne ihn vorher in irgendwelche Schubladen der Erwartung zu stecken.
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Datum: 17.05.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet