Geben und (sich) schenken
Der christliche Psychologe Werner May (Würzburg) vermittelt diese Sicht in seinem kleinen Buch «Verliebte Liebe. Sieben Fäden für ein Liebesnetz, das hält». Das Buch ist kein typischer Ratgeber. Es vermittelt grundlegende Einsichten und enthält auch Gedichte, die das Thema auf eigene Weise ansprechen. In einer vierteiligen Serie stellt Jesus.ch die Inhalte des Buches vor.
Ohne Zeit keine Liebe
Entscheidend für jede Beziehung ist, gemeinsam Zeit zu verbringen. «Ohne gemeinsame Zeit geht nichts, auch die Liebe nicht», unterstreicht Werner May. «Wenn wir nicht aufpassen, läuft die Liebe aus, weil sie keinen Nachschub bekommt…»
Es sei eine verbreitete «Krankheit», so May, keine Zeit zu haben. Doch eine Beziehung lebe davon, gemeinsam Zeit zu verbringen. «Es bleibt nichts anderes übrig, ich muss Zeit für meine Liebe einplanen, von alleine wird sie sich nicht ergeben, wenn ich mitten im Leben stehe.»
Wichtig seien deshalb feste gemeinsame Zeiten. «Es sollen feste Zeiten für die Liebe, für das Zusammensein entstehen, Rituale, Gewohnheiten, zusätzlich zum immer wieder mal extra Eingeplanten: Zeiten fürs gemeinsame Pläne schmieden, fürs Küssen, fürs Beten, fürs Träumen, fürs Trösten.»
Selbst den ersten Schritt gehen
Werner May fordert dazu heraus, in der Beziehung selbst immer den ersten Schritt zu gehen und nicht auf den anderen zu warten. Darin liege eine «atemberaubende Radikalität».
Der Psychologe fragt eindringlich: «Könnten wir das zu einem Ziel machen? Ich will immer den ersten Schritt gehen! Immer den ersten Schritt gehen zur Versöhnung: nachzufragen, wie etwas gemeint sein könnte, Fehler zuzugeben, in meinen Ansprüchen dem anderen einen Schritt entgegenzukommen, einen Konflikt anzusprechen, ehrlich zu sein,… – Ich strecke zuerst die Hand aus. – Ich lasse meine Brücke zuerst hinunter. – Ich sage zuerst, was ich verkehrt gemacht habe. – Ich packe zuerst zu.»
Erster Schritt besiegt Trotz und Stolz
Auch wenn jemand den ersten Schritt mache, bedeute das nicht, dass der Partner oder die Partnerin den Schritt selbst nicht zu gehen brauche. «Im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass dieser überhaupt erfolgt. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass Konflikte nicht entstehen oder eskalieren. Also nicht warten, dass doch der andere zuerst zugeben soll, dass ich im Recht bin, kein Schmollen mehr, kein Beziehungspoker. Trotz ade. Wenn du den ersten Schritt gehst, dann gibst du nicht nach, sondern besiegst deinen Stolz.»
Für den anderen ein Geschenk sein
Schliesslich zeigt May, dass die Bereitschaft, sich zu schenken, das Wesen einer Liebesbeziehung ausmacht. «Wie die Liebe Gottes uns geschenkt wird, dürfen wir ein Geschenk für den anderen sein. Ein Liebesversprechen bedeutet genau dies: Ich will für dich ein Geschenk sein, ohne dass du etwas dafür tun musst. (Sonst wäre es kein Geschenk mehr!)» May erinnert an ein Wort von Jesus: «Jesus offenbart uns das schenkende Wesen Gottes: '…denn euer Vater weiss, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.'» (Die Bibel, Matthäus-Evangelium, Kapitel 6, Vers 8)
«Ich bin, was ich schenke»
Das Sich-Schenken und Geben dürfe aber nicht dazu führen, dass aufgerechnet werde. «Um es deutlich zu sagen, das heisst, ich gebe mich 100-prozentig. Ich vertraue, dass der andere das auch tun will. Aber gerechnet wird nicht.»
Natürlich gelinge es nicht immer, sich zu verschenken, so May. Selbstgemachter Druck helfe nicht weiter, sondern die Bereitschaft, das zu üben und darin zu wachsen. Die Bereitschaft, sich zu verschenken, führe zum Leben. «Können wir das glauben? – Ich bin nicht, was ich habe, was ich bekomme, sondern was ich schenke? Schenken ist etwas Lebensnotwendiges und Lebensspendendes, etwas, was den Menschen zum Menschen macht.»
Zu Teil 1 der Miniserie «Worauf es in einer Beziehung ankommt»:
Verliebte Liebe: Wie ich den anderen sehe
Zum Thema:
Den Glauben kennenlernen
Livenet-Talk mit Ehepaar Bareth: Lebenslange Liebe – wie ist das möglich?
Eine einfache Formel: Liebe statt Gebote
Datum: 05.09.2021
Autor: Norbert Abt
Quelle: Jesus.ch