Modell des Bundesrates benachteiligt Einverdienerfamilien
Das geltende Steuerrecht diskriminiert in vielen Fällen die Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren und ist deshalb seit längerem ein Ärgernis. Die politischen Lösungsvorschläge, um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, widersprechen sich aber seit Jahrzehnten.
Die einen fordern ein Splittingmodell, damit gut verdienende Ehepaare nicht unter der Steuerprogression leiden, weil ihre Einkommen zusammengezählt werden. Die anderen wollen es mit einer Individualbesteuerung lösen, obwohl diese einen höheren Aufwand sowohl für die Steuerzahlenden wie für die Steuerämter bedeutet.
Individualbesteuerung gegen Splittingmodell
Nun folgt der Bundesrat mit seinem Vorschlag einem Beschluss des Parlaments, das im Herbst 2020 die Einführung der Individualbesteuerung forderte. Gleichzeitig machen zwei Volksinitiativen Druck auf die Regierung. Die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» entspricht den Forderungen aus freisinnigen Kreisen. Die Volksinitiative der Mitte Partei «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare...» fordert ein Splittingmodell, bei dem die Einkommen der Partner zusammengezählt und dann für die Bemessung des Steuersatzes wieder halbiert werden.
Nun hat der Bundesrat die Eckwerte für die Steuerreform festgelegt. Sie will für Ehepaare und Konkubinatspaare die gleiche Besteuerung festlegen. Sie sieht bei der direkten Bundessteuer auch einen höheren Kinderabzug vor, der aber im neuen Modell die Familien nicht zusätzlich entlasten würde.
Die Verlierer des Modells
Die Steuerreform soll grundsätzlich alle Steuerzahlenden entlasten und dann auch von den Kantonen übernommen werden. Die Crux dabei: Die Verlierer des neuen Modells würden Einverdienerfamiien sein. Weil sich das Einkommen auf eine Person konzentriert, fallen sie in eine hohe Progressionsstufe und zahlen so mehr Steuern, als wenn beide Partner zusammen das gleiche Einkommen verdienen. Das von der Mitte-Partei favorisierte Splitting-Modell würde dagegen diesen Nachteil beseitigen, ist aber im Parlament unterlegen.
Die Interessengemeinschaft IG 3plus hat daher das vom Bundesrat vorgeschlagene Modell in einer Pressemitteilung scharf kritisiert, weil es insbesondere Grossfamilien diskriminieren würde. Diese leben zum grossen Teil das traditionelle Familienmodell, in welchem der Vater für das Einkommen sorgt und die Mutter die Familienarbeit und die Erziehung der Kinder übernimmt.
Schon heute kümmert sich die Familienpolitik wenig um kinderreiche Familien. Nun soll die Steuerreform ausgerechnet diese diskriminieren. Nicht nur wegen der Steuerprogression, sondern auch weil die Kinderabzüge unter beide Partner aufgeteilt werden. Somit könnten Einverdienerfamilien nur die Hälfte der Kinderabzüge
geltend machen, wenn zum Beispiel die Mutter kein Einkommen erzielt und somit auch den Kinderabzug nicht machen kann.
Kurzsichtige Steuer- und Familienpolitik
Die Steuerreform will offensichtlich auch die Interessen der Wirtschaft befriedigen, welche den vermehrten Einsatz der Mütter in der Arbeitswelt fordert. Sie folgt damit kurzfristigen Interessen, statt langfristig zu denken und Familien zu unterstützen, welche mit mehreren Kindern auch die Arbeitskräfte und AHV-Zahler der Zukunft bereitstellen.
Dieses Versäumnis, das von besonnenen Familienpolitikerinnen schon lange angemahnt wird, ist mitverantwortlich für den aktuellen Fachkräftemangel. Die Forderung, Frauen aus der Familienarbeit an die Werkbank zu drängen, wird das Problem nur noch verschärfen und heranwachsenden Menschen ein Defizit an elterlicher Betreuung bescheren.
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