Die Angst deutscher Behörden vor dem Gebet
Das Vorhaben, das zurzeit vom Bundesrat behandelt wird, sieht die Einführung solcher Zensurzonen vor – mit Bussgeldern von bis zu 5'000 Euro bei Verhalten, das «verwirrend» oder «verstörend» wirken könnte.
Keine zahlenmässigen Angaben
Offenbar ist es unklar, wie gross das Problem solcher «Störer» ist. Sind Plakate, Worte, stille Mahnwachen oder Hilfsangebote «verwirrend oder verstörend»? Und: Sind Belästigungen, gar Hass und Hetze, wie die Bundesfamilienministerin unlängst behauptete, vor Abtreibungseinrichtungen tatsächlich ein akutes, landesweites Problem? Auf Anfrage gab die Bundesregierung kürzlich zu: «Konkrete zahlenmäßige Erkenntnisse … liegen der Bundesregierung nicht vor.»
Auch Gebet verboten?
Unklar ist, ob auch das friedliche Gebet verboten werden soll. In Deutschland treffen sich traditionell in der Fastenzeit mancherorts Abtreibungskritiker zum stillen Gebet vor entsprechenden Einrichtungen und Kliniken. In Grossbritannien haben Zensurzonen in den letzten Monaten an verschiedenen Orten dazu geführt, dass still betende Menschen von der Polizei angehalten und gefragt wurden, ob sie für «ungeborene Kinder» beten würden. Damit würden, so ADF, stilles Gebet und entsprechende Gedanken kriminalisiert. Wiederholt kam es allerdings auch vor, dass Strafandrohungen nicht ausgeführt wurden und die Behörden sich entschuldigten – was zeigt, auf welch heiklem Glatteis sich solche Verbotszonen bewegen.
In Deutschland hat das Bundesverwaltungsgericht (Leipzig) am 20. Juni 2023 grundsätzlich bestätigt, dass friedliche Gebetsversammlungen in der Nähe von Abtreibungsorganisationen nicht pauschal verboten werden dürfen.
«Pro familia» lobbyiert
«Die Abtreibungsorganisation pro familia lobbyiert schon lange für Zensurzonen», hält die Menschenrechtsorganisation ADF International in einer Erklärung fest. «Die Organisation ist für ihre guten Kontakte in die Politik bekannt, führt zugleich an mehreren Standorten in Deutschland auch selbst Abtreibungen durch und macht damit Profit.» Damit verstosse die Abtreibungsorganisation gegen geltendes Recht, nach dem Beratung und Durchführung von Abtreibungen zu trennen sei, so ADF-Rechtsexperte und Anwalt Dr. Felix Böllmann.
Nicht Pro-Choice, sondern No-Choice
Für Böllmann ist klar: «Belästigung von Menschen in schwierigen Situationen ist selbstverständlich falsch und auch nach geltender Rechtslage verboten. Aber Zensurzonen einzuführen ist nicht pro-choice, das ist no-choice und hat in einer freiheitlichen Gesellschaft nichts verloren.» Pauschale Bannmeilen verstössen gegen die Versammlungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit und seien darum grundgesetzwidrig. Böllmann weiter: «Friedliche Gebetsversammlungen sollten vom Staat geschützt, nicht bekämpft werden. Die Bundesregierung will etwas verbieten, weiss aber nicht was und warum. Das ist gesetzgeberischer Blindflug! Dadurch entsteht ausschließlich Verwirrung, und zwar bei rechtstreuen Bürgern, die sich für eine gute Sache engagieren ebenso, wie bei Polizeibeamten und Ordnungsamtsmitarbeitern, die die vagen Verbotstatbestände dann vor Ort umsetzen müssten.»
Der vom Kabinett am 24. Januar 2024 beschlossene Regierungsentwurf wurde am 9. Februar an den Bundesrat weitergeleitet, der bereits Änderungen einbringen kann. Darauf folgt das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag, das mit der Abstimmung über das Gesetz endet.
Zum Thema:
Initiative abgelehnt: Abtreibung: Keine Frage der Gesundheit
ADF International: «Zensurzonen mit Grundgesetz unvereinbar»
«Zensorische Pufferzonen»: Grossbritannien: Wenn stilles Beten eine Straftat ist
Datum: 28.02.2024
Autor:
Reinhold Scharnowski
Quelle:
Livenet / CBN / ADF International