Mehr Gott in der Öffentlichkeit?

Wenn die Bibel in die Schule muss

An vielen Schulen der USA sollen die Bibel und die Zehn Gebote mehr Raum bekommen
An vielen Schulen in den USA müssen die Bibel und die Zehn Gebote bald wesentlich mehr Raum bekommen. Was steckt hinter diesen Beschlüssen? Wie sinnvoll sind sie? Ein Kommentar.

Gerade ging es durch die Nachrichten, dass im US-Bundesstaat Louisiana bald in jedem Klassenzimmer ein Poster oder ein Ausdruck der biblischen Zehn Gebote aufgehängt werden soll. Gouverneur Jeff Landry verabschiedete bereits das entsprechende Gesetz dazu (Livenet berichtete). Kurz darauf schloss sich der oberste Bildungsbeauftragte des Bundesstaats Oklahoma an. Laut ZEIT verkündete Ryan Walters: «Jeder Lehrer, jedes Klassenzimmer im Bundesstaat wird eine Bibel im Klassenzimmer haben und aus der Bibel unterrichten.» Er begründete dies folgendermassen: «Die Bibel ist ein notwendiges historisches Dokument, um unsere Kinder über die Geschichte dieses Landes zu unterrichten, um ein vollständiges Verständnis der westlichen Zivilisation zu haben, um die Grundlagen unseres Rechtssystems zu verstehen.»

Beide Beschlüsse werden seitdem kontrovers diskutiert und erregen auch in Westeuropa Aufmerksamkeit. Während sie für die einen die überfällige Rückkehr zu biblischen Werten markieren, sehen andere darin einen klaren Verfassungsbruch, eine Abkehr der Trennung von Kirche und Staat. Was ist von diesen Initiativen zu halten?

Ein legitimer Wunsch

Zunächst einmal steckt hinter den beiden Initiativen der verständliche Wunsch von Christen, dass ihr Glaube auch im Schulsystem eine Rolle spielen sollte: Dabei geht es um die bereits erwähnte historische Dimension, aber natürlich auch um christliche Werte. Im Rahmen der Religionsfreiheit wünschen sie sich eine Plattform für ihren Glauben. Sie sehen auch, dass andere Denk- und Glaubensvorstellungen durchaus einen Raum erhalten und wollen die christliche Position demgegenüber stärken.

Vergleichbare Ideen gab und gibt es auch in unseren Breiten. Da wird heftig diskutiert über Aussagen wie: «Der Islam gehört zu Deutschland!», die der dezidierte Christ und ehemalige Minister Wolfgang Schäuble prägte. Da gibt es auch in Bayern und darüber hinaus Auseinandersetzungen darüber, ob ein Kreuz in jedes Klassenzimmer bzw. jede bayrische Behörde gehört oder nicht. Und diese Diskussionen – ob in den USA oder Deutschland und der Schweiz – sind völlig legitime Auseinandersetzungen mit der Frage: Wie viel Gott gehört in die Öffentlichkeit? Der christliche Glaube muss nicht möglichst viele «Punkte» sammeln durch Symbole im öffentlichen Raum, die gar nicht für alle Menschen verständlich sind. Gleichzeitig muss er sich auch nicht überall zurückziehen und jeder Störungsempfindung nachgeben. Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, das nicht nur für andere Formen des Glaubens oder Unglaubens gilt, sondern auch fürs Christentum.

Ein schwieriger Weg

Problematisch wird es meist dann, wenn die Themen «Bibel» oder «Zehn Gebote» unterschwellig mehr beinhalten. Dann klingen Statements wie die oben zitierten eher wie Wahlkampf im «Bible Belt» (dt. biblischen Gürtel) der USA. So reagierten einige Organisationen kritisch auf die jüngsten Vorstösse. Laut PRO Medienmagazin meinte der Direktor des Rats für amerikanisch-islamische Beziehungen, Adam Soltani: «Wir erkennen die historische und religiöse Bedeutung der Bibel an. Es ist aber verfassungswidrig, Lehrer zu zwingen, nur die Bibel in ihrem Lehrplan zu verwenden.» Rachel Leiser, die sich für die Trennung von Kirche und Staat einsetzt, ergänzte: «Öffentliche Schulen sind keine Sonntagsschulen.» Tatsächlich ist in den USA das Bevorzugen einer Religion gegenüber anderen im öffentlichen Raum verfassungsmässig untersagt, genauso das Einführen einer Staatsreligion. In Zeiten, wo unsere Gesellschaften multioptional sind, wo fast alles verhandelbar scheint, wächst jedoch der Wunsch nach Klarheit. Aus christlicher Sicht scheint das die notwendige «biblische Perspektive».

Ein herausfordernder Gedanke

Es ist völlig legitim, dass der christliche Glaube Raum in der öffentlichen Wahrnehmung erhält. Wie übrigens andere Religionen auch. Auffällig ist, dass sich die Streitpunkte meist um Äusserlichkeiten drehen und viel mit Macht und Durchsetzung zu tun haben. Werden sich Schülerinnen und Schüler anders entwickeln, wenn ein Poster mit den Zehn Geboten im Klassenzimmer hängt? Am besten noch in der altsprachlichen Version: «Thou shalt not…» Macht das zwangsweise Auslegen und Verwenden einer Bibel im Unterricht einen Unterschied, wenn die Lehrkräfte, die sie einsetzen müssen, nicht an Gott glauben?

Wenn Christen tatsächlich in der Öffentlichkeit vorkommen wollen, gibt es so viele Möglichkeiten, bei denen es nie zum Streit kommen wird: Das beginnt bei gelebter Barmherzigkeit für Menschen am Rande der Gesellschaft und es hört bei sinnvollen christlichen Angeboten für Kinder, Jugendliche und andere Altersgruppen noch längst nicht auf. Ein neues Verknüpfen von christlichen Inhalten mit staatlicher Macht hat sich in zahlreichen katastrophalen Versuchen, so etwas wie einen christlichen Gottesstaat zu errichten, bereits als ungeeignet herausgestellt. «Mein Reich ist nicht von dieser Welt», hat Jesus bereits bezeugt. Doch das hat noch nie bedeutet, dass Gottes Gegenwart in unserer Gesellschaft nicht Gestalt gewinnen konnte.

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Datum: 10.07.2024
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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