Evangelikale in Venezuela fordern Transparenz und Klarheit
Nicolas Maduro wollte sich zum dritten Mal als Präsident «wählen» lassen, nachdem er seit 15 Jahren das heruntergewirtschaftete Land mit eiserner Faust regiert. Aber die Opposition, zum ersten Mal vereint hinter dem Kandidaten Edmundo Gonzalez, hat die Wahlen offensichtlich mit rund 70 Prozent der Stimmen gewonnen und wurde von den USA und einem halben Dutzend lateinamerikanischer Länder als Wahlsieger anerkannt. Die linientreue Wahlbehörde, die den Präsidenten Nicolás Maduro offiziell zum Wahlsieger erklärt hat, konnte bisher nicht die aufgeschlüsselten Resultate der einzelnen Stimmbezirke veröffentlichen. Darum erkennt die Europäische Union das offizielle Ergebnis nicht an. Zahlreiche Staaten in der Region haben zumindest deutliche Zweifel am offiziellen Wahlergebnis angemeldet.
Überall im Land flammten Proteste auf, Tausende von Menschen, bis hin zu Minderjährigen, sind bisher verhaftet und verschleppt und Dutzende getötet worden. «Jetzt, nach diesem deutlichen Wahlsieg, den wir Venezolaner am 28. Juli erreicht haben, besteht die Antwort des Regimes aus Ermordung, Festnahmen und Verfolgung», erklärte die populäre Leiterin der Opposition, Marina Corina Machado. «Das ist eine grössere Repressionswelle, als wir sie in anderen Protestjahren erlebt haben.»
Evangelikale umgarnt, aber…
Maduro hat sich in den letzten Jahren mehrfach als Hüter des «wahren christlichen Glaubens» gebärdet und Evangelikale, die immerhin knapp 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, mit Geschenken umworben. So erhielt jeder Pastor vor einigen Jahren 10 Dollar als Geschenk – viel Geld bei einem Tageslohn von durchschnittlich 3 Dollar – und Bauten von neuen Kirchen wurden mitfinanziert. Evangelikale erhielten Radiolizenzen, und gelegentlich legten Pastoren Maduro die Hände auf und beteten für ihn. Die Pastoren, die Maduro unterstützen, sind in der «Christlichen evangelikalen Bewegung von Venezuela» (MOCEV) zusammengefasst, die 2017 gegründet wurde; sie feiern z.B. den offiziellen «Tag der evangelischen christlichen Pastoren», den die Regierung 2019 eingeführt hat.
Der Name könnte darauf hindeuten, dass die Gruppe alle venezolanischen Evangelikalen vertritt. Dies ist jedoch nicht der Fall, sagen Pastoren im Land, da sich weite Teile der Evangelikalen in Venezuela von der Regierung von Nicolás Maduro distanzieren oder eindeutig gegen sie sind. Christliche Leiter, die sich gegen das Regime ausgesprochen haben, wurden bestraft, wie z.B. José Albeiro Vivas, Organisator des Marsches für Jesus 2019.
Evangelische Allianz: kein Geld vom Staat
Zu denjenigen, die 2023 nicht an der Veranstaltung mit Präsident Maduro teilnahmen, gehörten die Mitglieder des Evangelischen Rates von Venezuela (CEV), einer Mitgliedsorganisation der Weltweiten Evangelischen Allianz.
Um Verwirrung zu vermeiden, gaben sie eine Erklärung ab, um klarzustellen, dass «der CEV keine Anträge auf von staatlichen Stellen verwaltete Mittel zur Deckung von Ausgaben für den Bau von Kirchen, die Organisation religiöser Veranstaltungen oder die Anschaffung von Kirchenbedarf gestellt hat und dies auch in Zukunft nicht tun wird, da dies in der Verantwortung der Kirchenmitglieder und ihrer Spender liegt, und wir gehen davon aus, dass dies auch für jede andere religiöse Einrichtung gelten sollte». Weiter heisst es in der Erklärung: «Wir sind dagegen, dass gottesdienstliche Aktivitäten in den Dienst der Sichtbarkeit von Amtsträgern oder Vertretern des öffentlichen Lebens gestellt werden, insbesondere im Vorfeld von Wahlen…»
Ruf zu Transparenz und Ruhe
Dieses klare Bekenntnis zu politischer Neutralität und christlicher Unabhängigkeit hat der CEV auch nach der Wahl vom 28. Juli abgegeben. «Wir bringen unsere Verpflichtung zum Ausdruck, für das venezolanische Volk zu beten und es in seinem Streben nach Frieden und Wohlergehen zu begleiten; in diesem Sinne begrüssen wir den bürgerlichen und demokratischen Geist, der in der historischen Volksbeteiligung am vergangenen Sonntag, dem 28. Juli dieses Jahres, sichtbar wurde», heisst es in einer Erklärung vom 30. Juli 2024.
«Wir wenden uns an die Behörden mit der Bitte, die Wahlprotokolle in einem transparenten Prozess gemäss dem venezolanischen Recht zu veröffentlichen; das Land verlangt dies. Wir sind der festen Überzeugung, dass Transparenz von grundlegender Bedeutung ist, um inmitten eines jeden demokratischen Prozesses Vertrauen zu schaffen und den Frieden in unserem Land zu erhalten.» Und schliesslich: «In diesen entscheidenden Momenten rufen wir zu Ruhe und Vernunft auf. Wir ermutigen alle, für Venezuela zu beten, denn wir glauben, dass Gebet und Hoffnung uns auf diesem Weg leiten.»
Zum Thema:
Religions-Barometer: Venezuela «evangelischer» als Brasilien
Hoffnung in harten Zeiten: 30'000 Bibeln in Venezuela verteilt
In ganz Venezuela: 5 Millionen Menschen bei Jesus-Märschen