Beraterin Susanna Aerne: «Mut hat auch mit Scheitern zu tun»
Die Einzel-, Paar- und Familienberaterin aus Reiden LU ist Bildungsleiterin beim Schweizerischen Weissen Kreuz und führt eine eigene Praxis in Zofingen AG. Sie ist regelmässiger Talkgast bei Livenet, wenn es um Fragen zu Beziehungen und Psychologie geht. Diesmal spürte Livenet-Redaktionsleiter Flo Wüthrich im Gespräch mit Susanna Aerne der Frage nach, was «mutig und frei sein» eigentlich bedeutet.
«Ich bin eine mutige Person»
Die konkrete Frage, ob sie selbst mutig sei, beantwortet Susanna Aerne ohne zu zögern mit «Ja, ich bin eine mutige Person» und beschreibt dann ihren Charakter anhand ein paar Punkten aus ihrer Biografie. Mit 18 von zu Hause ausgezogen, baute sie ein vollständig neues Beziehungsumfeld auf. Mit 23 heiratete sie und legte mit ihrem Mann kurz darauf ihre Arbeit nieder, um ein Theologiestudium zu absolvieren. Als Pionierfrau hat sie seither manches Neue aufgebaut. «Ja, ich würde sagen, ich bin mutig unterwegs.»
Was bedeutet eigentlich «Mut»?
«Mut ist eine Charaktereigenschaft und nicht einfach ein Gefühl», erklärt Susanna. Den Begriff «Mut» zu beschreiben, ist dann aber etwas vielschichtiger. Viele unterschiedliche Aspekte machen Mut aus. Beispielsweise gehört dazu, sich zu engagieren, zuweilen aber auch, sich zu verweigern. Verzicht braucht gleichermassen Mut, wie das Übernehmen von Verantwortung.Im Vorfeld des Livenet-Talks hatte Susanna eine ganze Eigenschaftsliste zum Thema Mut zusammengestellt, von welcher sie nun ein paar Punkte herausgreift. «Mut heisst, für die Gerechtigkeit einzustehen.» Und: «Mut bedeutet, von Menschen unabhängig sein zu können.» Mut umfasst tatsächlich viele Facetten. «Mut hat auch etwas mit Scheitern zu tun. Wenn ich nämlich nicht bereit bin, zu scheitern, dann werde ich gar nicht erst anfangen.»
Kann Mut erlernt werden?
Genau wie ein Charakter geformt werden kann, ist es auch möglich, dass Mut wächst. Für Susanna Aerne war es hilfreich, gute, inspirierende Vorbilder zu haben. «Mut braucht die Bereitschaft zum Wachsen. Und wenn ich nicht bereit bin, in grösseren Schuhen zu stehen, werde ich nicht wachsen.»
Die Prägung, gerade durch die Herkunftsfamilie, sei sehr entscheidend dafür, wie mutig jemand wird. «Doch auch als Erwachsene können wir uns neue Verhaltensweisen aneignen.» Hierzu gibt es heute ja professionelle Unterstützung.
Im Gespräch wird festgehalten, dass Angst ein mutiges Verhalten nicht unmöglich macht. Oft gehören Angst und Mut sogar zusammen. «Mut heisst nicht, angstfrei zu sein. Es geht um die Bereitschaft, entgegen aller Angst zu tun, was wir für richtig halten.» Angst soll nicht verleugnet werden, soll unser Handeln aber nicht bestimmen.
Was hat Mut mit Glauben zu tun?
«In meinem Leben ist der Glaube die Basis von Mut», sagt Susanna. «Denn ich weiss: Mit Gott ist alles möglich. Und deshalb träume ich unglaublich gerne – auch gross.» Zu wissen, dass Gott mit ihr ist, gibt ihr auch die Kraft, wenn sie mit einem Scheitern rechnen muss. Scheitern ist immer eine Option und dann heisst es, weiterzuziehen. Die Angst zu scheitern kann mutiges Vorangehen verhindern. Wenn wir aber wissen, wer wir in Gottes Augen sind, brauchen wir uns auch bei einem Scheitern nicht in Frage zu stellen.
Mut setzt Freiheit voraus
Susanna Aerne hält fest, dass es eine (innere) Freiheit braucht, um mutige Schritte zu tun. Von der Meinung anderer Menschen abhängig zu sein, hält immer zurück. Sie sagt aber auch, dass individuelle Freiheit nie auf Kosten von Mitmenschen gehen soll. «Diese Art von Egoismus, die heute verbreitet ist, ist nicht die Art Freiheit, die ich meine.» Susanna selbst sei zwar an Menschen gebunden, habe aber die Freiheit gehabt, sich für diese Bindungen zu entscheiden. Als Beispiel erwähnt sie ihre Ehe. Das sei keine Bindung, zu der sie nichts zu sagen hatte. Sie war frei, sich binden zu lassen.
Zwischenmenschliche Beziehungen sind wichtig und auch Susanna will sich verbindlich auf Menschen einlassen und sich auch mal «schleifen lassen». Gleichzeitig ist ihr wichtig, nicht von der Meinung anderer abhängig zu sein. Das schliesst aber nicht aus, zum Wohl anderer auch mal zurückzustehen. Im Gespräch betont Susanna mehrmals die Wichtigkeit, verzichten zu können. Verzicht bedingt innere Freiheit und zuweilen auch Mut.
Wünsche fürs Jahr 2021
Auf die Frage, welche Worte Susanna Aerne weitergeben möchte und was sie sich fürs neue Jahr wünscht, sagt sie: «Ich wünsche mir, dass wir unser Gegenüber wieder mehr im Blick haben, etwas weniger von Egoismus bestimmt sind und einander mehr frei setzen. Ich setze auch meinen Mann frei, dass er mutig und frei sein kann.» Denn grundsätzlich müssen wir einander freisetzen, um mutig zu sein.
Sehen Sie sich hier das Interview mit Susanna Aerne an:
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Datum: 05.01.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet