In den Golfstaaten

Das Christentum unter Gastarbeitern floriert

Menschen in Saudi-Arabien
Unter den Zuwanderern am Golf blüht das evangelikale Christentum still und heimlich auf, da Kirchen den Niedriglohnarbeitern helfen, welche schrecklichem Missbrauch ausgesetzt sind.

Insgesamt leben 30 Millionen Gastarbeiter in den Staaten des Golf-Kooperationsrates (GKR) – Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie sind der Muskel, durch den die vom Öl abhängigen Wirtschaftssysteme in funkelnde Metropolen des 21. Jahrhunderts verwandelt werden sollen. In einigen Golfstaaten machen die Zuwanderer den Grossteil der Bevölkerung aus, und etwa 80 Prozent von ihnen arbeiten im Bau, in der Gastronomie und in Arbeitsstellen im Haushalt.

«The Guardian» hat in allen sechs Golfstaaten Pastoren und Gemeindemitglieder interviewt und herausgefunden, dass viele Zuwanderer, auch jene aus hinduistischen und katholischen Gemeinschaften, zur Pfingstbewegung konvertieren. Sie ist die am schnellsten wachsende Gruppe innerhalb des Christentums. Um den materiellen und geistlichen Bedürfnissen zu begegnen, konzentrieren sich diese Gemeinden sowohl auf die Nöte der Menschen im Hier und Jetzt als auch auf das ewige Leben.

Gemeinden werden zu Lebensgemeinschaften

Pastor John, der gebeten hat, ein Pseudonym zu benutzen, weil die Regierungen der Golfstaaten misstrauisch gegenüber christlichen Bewegungen sind und Missionierung häufig illegal ist, sagte, dass seine Gemeinde Zuwanderern geholfen hat, die mit Ausbeutung, finanziellen Schwierigkeiten, Leibeigenschaft und sexuellem Missbrauch konfrontiert waren. «Vergewaltigung ist ein sehr häufiges Problem in der gesamten Haushaltshilfen-Branche», sagte der Pastor. «Und das betrifft nicht nur Frauen – Männer kommen ebenfalls zu uns, weil sie vergewaltigt wurden.»

Tendenziell ziehen die Pfingstgemeinden vor allem Menschen aus ethnischen und nationalen Gruppierungen an, deren Regierungen Fälle von Menschenrechtsverletzungen in den wohlhabenden Golfstaaten nur zögerlich behandeln, weil sie Angst haben, dass sie dadurch deren grosszügige Hilfs- und Handelspakete verlieren könnten. Dadurch wurden die Kirchen zu den eigentlichen Lebensgemeinschaften für die Zuwanderer, die oftmals als erster Anlaufpunkt bei einer Krise dienen. «Wenn man zur Botschaft geht, werden sie mit deinem Arbeitgeber sprechen und die örtliche Polizei einschalten», sagte der Pastor. «Das ist eine sehr einschüchternde Situation.» Deshalb kontaktieren die Menschen im Fall von Vergewaltigung zuerst die Gemeinde, die dann das Verfahren mit der Botschaft koordiniert, um einen Ausweg zu schaffen.

«Beträchtliche Anzahl von Konversionen»

Weil Konvertierungen im Golf in der Regel geheim gehalten werden, ist es nicht möglich, die genaue Anzahl der Christen in dieser Region zu ermitteln. Gemeindeleiter und Forscher sind jedoch einig darüber, dass es eine beträchtliche Anzahl von Gastarbeitern gibt, die in den Golfstaaten konvertierten. Auch wenn es ausdrücklich verboten ist, unter Muslimen zu missionieren, kann man davon ausgehen, dass einige islamische Arbeiter sich ebenfalls entschieden haben, «von Neuem geboren» zu werden. In Katar, der Heimat von 2,1 Millionen Gastarbeitern, die 75 Prozent der Bevölkerung ausmachen, listet Google Maps dutzende Pfingstgemeinden auf. In anderen Golfstaaten hingegen beschliessen viele Gemeinden, als «Hauskirche» im Untergrund zu bleiben, weil sie befürchten, dass sich die Bedingungen ändern könnten.

Jeden Monat mehrere Taufen

In einer dieser Hauskirchen, die nur vertrauenswürdigen Menschen ihren Standort über einen WhatsApp Pin mitteilt und die eine Haustüre einfach leicht angelehnt lassen, macht eine Schwesternschaft Überstunden. An einem heissen Freitagvormittag berichtet uns das apostolische Frauennetzwerk davon, wie sie versucht haben, sich um Vergewaltigungsopfer zu kümmern. «Wenn eine unverheiratete Frau schwanger in einem Krankenhaus auftaucht, werden sie nach ihrem Ehevertrag suchen. Wenn sie keinen aufweisen kann, wird sie bei der Polizei angezeigt und ins Gefängnis geworden – und sie nehmen ihr ihre Kinder weg», sagte eine der Gruppenleiterinnen, die Schwester Mary genannt werden möchte. «Nehmen wir einfach mal an, dass einige Gemeinden geholfen haben, die Kinder vor der Polizei zu verstecken. Die Frau des Pastors wird sich um sie kümmern, und die Schwangere wird versuchen, herauszukommen, solange ihr Bauch noch klein ist.»

Für manche bedeutet ihre Konvertierung zum Christentum der Beginn eines Lebens als Weltbürger, die dazu führt, dass sie ihrer Vergangenheit den Rücken kehren. Pastor Luke, der seit 1991 in einem der weniger strengen Golfstaaten arbeitet, konzentriert sich auf die Bekehrung von Menschen aus dem Hinduismus. «In unserer Kirche erleben wir jeden Monat, mehrere Taufen und es kommen definitiv mehr Menschen als jemals zuvor hierher», sagte er.

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Datum: 05.03.2023
Quelle: Joel-News

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