Gotteshaus oder Freizeitcenter?

Canterbury: Streit um «Silent Disco» in der Kathedrale

Die Canterbury Cathedral im Süden Englands ist eine der wichtigsten Kirchen in England.
Über 2'000 Menschen haben eine Petition gegen «Silent Discos» in Canterbury und anderen britischen Kathedralen unterzeichnet. Sollen die ehrwürdigen Gotteshäuser mit Popmusik und Alkohol neu belebt werden?

Die Kathedrale von Canterbury, gegründet 597 von Augustin, gilt als das wichtigste Gotteshaus der weltweiten anglikanischen Kirche und ist Sitz ihres Erzbischofs. Sie war am 8. Februar Austragungsort einer «Silent Disco», an der über 3'000 junge Menschen mit Kopfhörern unter buntem Licht zu Musik der 90er Jahre tanzten – von Britney Spears und den Spice Girls bis zu (immerhin) All Saints. In einer Petition wenden sich nun Tausende gegen die «Entheiligung» der britischen Gotteshäuser. «Canterbury war nur der Anfang. Immer mehr bedeutende englische Kathedralen werden zu Nachtclubs», heisst es im Eingangstext. Die Kritiker hielten eine Mahnwache ausserhalb der Kathedrale und forderten das Aus der Party.

Gehört das in eine Kathedrale?

Der Dekan von Canterbury hat die «Stille Disco» in der Kathedrale gegen Kritik verteidigt. Es handle sich nicht um einen «Rave im Kirchenschiff», sondern werde der Geschichte der historischen Stätte gerecht, wird Dekan David Monteith im Tagesanzeiger zitiert: Kathedralen seien schon immer Teil des «Gemeinschaftslebens» gewesen. «In der Kathedrale von Canterbury finden zahlreiche Veranstaltungen statt, die nicht direkt mit Religion zusammenhängen, darunter klassische Konzerte, Lichtershows, Kurse für `Floragami`-Blumensträusse oder Lego-Workshops.» so der Tagi. 

Nach Ansicht der Petitionäre gehören «Stille Discos» nun definitiv in Clubs und nicht in die wichtigste christliche Kirche in England. Initiator Cajetan Skowronski ist überzeugt, dass die Aktion junge Menschen nicht näher zu Christus bringe. «Vielmehr werde die Botschaft vermittelt, dass Christus und seine Kirche unwichtig seien und Unterhaltung mehr Aufmerksamkeit verdiene als Gott», so der Tagesanzeiger.

«Wir, die Unterzeichnenden, sind gegen jede Entweihung unserer historischen heiligen Stätten und insbesondere gegen ihre Nutzung als Nachtklubs. Liebe anglikanische Dekane, bitte stoppt die Diskotheken und macht die Kathedralen wieder zu Häusern des Gebets», heisst es weiter im Text der Petition.

Trotz der Proteste wollen weitere Kathedralen in der kommenden Zeit «Silent Discos» in ihren Gebäuden veranstalten, darunter Hereford, Leeds, St Albans, Coventry, Sheffield und Manchester. In der Kathedrale von Manchester ist für den 29. Februar auch eine Punk-Rock-Club-Nacht geplant.

«Abendmahls-Parodie»

Die Umnutzung der Gotteshäuser stösst vielen Christen – aber nicht nur ihnen – sauer auf. «Christian Concern» twitterte: «Wenn es das Ziel der Kathedrale von Canterbury ist, junge und echte Gläubige anzuziehen, dann ist eine Silent Disco definitiv nicht der richtige Weg.» Der Priester und Blogger Steve Kneale stellte in Frage, ob es sinnvoll sei, dass Kirchen ihre Gebäude mit Menschen füllen, die nichts mit dem Evangelium am Hut haben. «Ich sehe keinen Grund zu glauben, dass wir irgendetwas von evangelistischem Wert erreicht haben, wenn wir solche Sachen machen», sagte er. «Sie einfach 'reinzuholen' ist nicht dasselbe, wie etwas für das Evangelium zu tun. Sie einfach 'reinzuholen' führt niemanden näher zu Christus. An und für sich bringt es überhaupt nichts, sie 'reinzuholen'», schrieb er in seinem Blog.

Der Pfarrer und Kommentator Daniel French geht einen Schritt weiter: «Wenn eine Silent Disco in der Geburtsstätte des englischen Christentums Abscheu hervorruft, was bei einer Theateraufführung oder einem Konzert nicht der Fall ist, dann liegt das daran, dass es sich nicht nur um eine weltliche Nutzung eines heiligen Raums handelt, sondern um eine parodistische Nutzung: eine Karikatur der Heiligen Kommunion.»

Kommentator Adrian Hilton fasst zusammen: «Der Dekan der Kathedrale von Canterbury betrachten diese 'Silent Disco' als eine Aktivität, 'die dem Haus Gottes angemessen ist'. Ich habe ein weites Verständnis von Mission, aber ich denke, dass sie in Richtung Profanität tendiert und unvereinbar mit der Heiligkeit des Grabes von Thomas Becket ist.» Die Kathedrale von Canterbury ist letzte Ruhestätte des Lordkanzlers und Erzbischofs, Märtyrers und späteren Heiligen Thomas Becket, der am 29. Dezember 1170 dort von Rittern des Königs Heinrichs II. ermordet wurde. Sein Grab ist eins der bedeutendsten Wallfahrtsorte Grossbritanniens.

Kritik von Generation Z

Eine interessante Diskussion entspann sich zwischen Generationen und in den sozialen Medien. Der Bischof von Worcester unterstützte die Disco mit dem Aufruf «Lasst uns die Kathedralen mit Musik füllen». In den sozialen Medien wurde daraufhin ein Bericht des katholischen Journalisten Edward Pentin fast 2'000-mal geliked, und die meisten Kommentare, vorwiegend von jungen Menschen, sprachen sich entschieden gegen die Nutzung einer Kathedrale als Nachtclub aus. An der Mahnwache vor der Canterbury-Kathedrale in strömendem Regen beteiligten sich auch junge Atheisten.

Journalist Esmé Partridge kommentierte in «Unherd» unter dem Titel «Generation Z will keine Disco-Kathedralen»: «Die Rebellion der Boomer gegen das Christentum und die Versuche, die Kirche zu modernisieren, sind selbst überholt... Junge Menschen haben genug vom Profanen; jetzt suchen immer mehr das Heilige.»

Catherine Warr, eine junge Historikerin, antwortete auf X auf die Bemerkung von Bischof Inge, dass er «Raves» unterstütze: «Du sprichst nicht für meine Generation von Christen, und nach meiner eigenen Erfahrung gehören die Christen der Generation Z im Vergleich zu den Millennials zu den traditionellsten und konservativsten; deine Herrschaft ist vorbei, Alter. Die Menschen sehnen sich nach echtem Glauben, Bedeutung und Tradition in einer bedeutungslosen Welt.» Kommentator Peter Harris erklärt, die nach 1997 Geborenen hätten kein Bedürfnis mehr, gegen die Religion ihrer Väter zu protestieren und suchten wieder das Echte. Er fasst zusammen: «Während die Generation X in einer Kathedrale zu Eminem herumtanzt, sucht und ehrt die Generation Z das Heilige.»

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Datum: 23.02.2024
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Today / Tagesanzeiger / change.org

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