Einfach da sein und Zeit haben
Das Begegnungsprojekt startete, als die Pfarrfamilie Wäfler nach Heiligenschwendi zog. Damals war klar: Wenn man jetzt nichts macht, dann geht es weiter zurück. Irgendwann gibt es dann wohl keine methodistische Kirche im Dorf oberhalb des Thunersees mehr. Mit dem Umzug von Johann Wäfler wurde die methodistische Gemeinde nicht mehr von Thun her betreut.
Sein Begegnungsprojekt tönt einfach: Der Pfarrer ist einfach da und hat Zeit. «Das ist das, was ziemlich entscheidend ist. Nicht die Aktivitäten, sondern einfach da sein und den Menschen begegnen. Wir sehen es als Auftrag unserer Kirche, dem Ort und den Menschen hier zu dienen», sagt Johann Wäfler im Interview auf der EMK-Homepage.
Menschen kommen auf die Kirche zu
Konkret heisst das zum Beispiel, den jährlichen Weihnachtsweg von Heiligenschwendi Tourismus zu unterstützen und einen Gottesdienst im Freien anzubieten. Die sechs liebevoll gestalteten Stationen und der Laternenweg wurden von Ende November bis zum Dreikönigstag im neuen Jahr schon 14 Mal angeboten. Ein anders Beispiel ist die «Eiertütschete» am Ostersamstag. Da geht es vor allem darum, Geld für den Skilift zu generieren. Die methodistische Gemeinde macht dort das Kinderprogramm. «Solche Anliegen erwachsen daraus, dass wir da sind und die Leute wissen, wer wir sind. Sie kennen uns und kommen auf uns zu. Es ist auch nicht so, dass nur ich das mache. Sondern wir sind ja ein Projektteam, das zugleich die Gemeindeleitung ist. Wir nehmen die ganze Gemeinde mit auf diesen Weg. Entscheidend ist, dass wir den Menschen begegnen und für sie da sind. Dass wir nicht einfach unser Kirchenprogramm machen, sondern im Ort den Leuten begegnen.»
Haltung verändert Kirchgemeinde
Die Begegnungshaltung am Ort hat das Denken der Gemeinde verändert. Die Kirche ist aktiv im Ort. Johann Wäfler dazu: «Das ist das Entscheidende, das sich in der ganzen Arbeit der Gemeinde auswirkt: Man besucht diese Gemeinde nicht nur, sondern ist beteiligt am Ganzen, am Projekt. Das ist nichts anderes als miteinander Kirche-Sein.» Rückblickend sagt Johann Wäfler nachdenklich: «Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich sehr aktiv war mit grossem Einsatz. Eigentlich jedoch hatte ich das Gefühl: All das, was ich mache und in dem ich aktiv bin, verändert gar nicht viel. Jetzt staune ich, wieviel sich einfach dadurch bewegt, dass ich da bin. Eigentlich ist gar nicht so sehr die Aktivität entscheidend, sondern mehr, wer wir sind. Dass wir da sind.»
Am deutlichsten sichtbar ist die Veränderung in der Kirche im Bereich der Kinder. Die Pfarrfamilie kam mit ihren Kindern nach Heiligenschwendi. Während des Gottesdienstes gab es noch kein Angebot für Kinderbetreuung. Inzwischen wuselt das wieder richtig. Es gibt sehr viele kleine Kinder, die am Sonntagmorgen da sind. Die Kirche braucht zwei Personen für die Betreuung.
Gemeinsame Kirche
Die Kirche Heiligenschwendi auf rund 1000 Metern über Meer wurde von der Reformierten Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) gemeinsam gebaut und am 1. November 1925 eingeweiht. Sie wird von beiden Kirchgemeinden gemeinsam genutzt und verwaltet. So steht sie für den Wunsch und Ausdruck, dass der christliche Glaube gemeinsam gelebt und geteilt werden möchte: ein Glaube, eine Kirche. Die Gottesdienste finden im Wechsel statt. Für den 1. und 3. Sonntag ist die EMK verantwortlich, für den 2. und 4. Sonntag die Landeskirche. Die wunderbare Aussicht und die offene Kirche laden auch unter der Woche zu einem Besuch und zum Verweilen ein. Man kann einen wunderbaren Ausblick auf die ganze Region Thun, den Thunersee und die Bergkulisse der Stockhornkette geniessen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Dienstagsmail.
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Datum: 28.03.2024
Autor:
Markus Baumgartner
Quelle:
Dienstagsmail