8 Jahre bürokratische Belästigung

Italien: Wann ist eine Kirche eine Kirche?

Ein Sonntags-Gottesdienst in der evangelischen Kirche Breccia di Roma
Der oberste italienische Gerichtshof hat entschieden, dass der Ort, an dem sich eine evangelischen Kirche in einem ehemaligen Geschäftshaus trifft, nicht als «Gottesdienstort» anerkannt wird. Das hat massive Konsequenzen für die Gemeinde.

Die Geschichte geht bis 2016 zurück: Die evangelische Gemeinde «Breccia di Roma» mit ihrem Pastor Leonardo De Chirico wollte ein altes Ladenlokal in der Altstadt von Rom kaufen und es als Versammlungsort für die Kirche umbauen.

Zunächst wurde Leonardo von einem Bankangestellten darauf hingewiesen, dass er die Unterschrift des örtlichen Bischofs (in diesem Fall des Bischofs von Rom!) benötige, um einen Kredit für den Kauf des Gebäudes zu erhalten – das in einem Land, in dem es angeblich keine offizielle Staatsreligion gibt. Glücklicherweise konnte die Gemeinde, nachdem sie eine bankenunabhängige Finanzierung gefunden hatte, das Gebäude kaufen und in einen Gottesdienstort umwandeln.

Zonenplan und Steuern

Die nächste Hürde war die nötige Umzonung für die neue Nutzung. Dafür musste die Kirche 6'000 Euro zahlen, um die nötige Steuerbefreiung zu erhalten. Das alles war Routine – bis die Steuerbehörde beschloss, den Gottesdienstraum zu besuchen. Daraufhin erhielt Pastor Leonardo Bericht von der Steuerbehörde, sie würde das Gebäude nicht als Gottesdienstort anerkennen. Das Argument: Der Gemeinde «Breccia di Roma» fehlten die «wesentlichen Merkmale religiöser Gebäude», also Ikonen, Kerzen, Altären, Statuen, usw. Daraufhin erklärte Leonardo: «Der protestantische Gottesdienst verwendet keine Bilder, Statuen oder den Altar. Und da wir eine protestantische Kirche sind, gehört es zu unseren Überzeugungen, dass wir keine Gotteshäuser brauchen oder wollen, die durch das Vorhandensein von Altären, Bildern und so weiter gekennzeichnet sind.»

Komplizierter Prozess vor Gericht

Die Gemeinde musste sich einen teuren Anwalt nehmen, der in erster Instanz vor Gericht gewann. Sechs Monate später erklärte die Steuerbehörde, dass sie in die zweite Instanz vor das Regionalgericht gehe. Zur Stützung ihrer Argumentation legte sie Fotos von grossen Kirchen und historischen kirchlichen Gebäuden vor. Der Anwalt der Breccia di Roma brachte daraufhin mehr als 20 Bilder von religiösen Orten in Rom, die ihrem Gebäude ähnlich sahen, darunter verschiedene muslimische Gebetsräume, jüdische Synagogen und kleine römisch-katholische Kirchen, die alle die Genehmigung hatten, als Gotteshäuser in Rom zu dienen.

Sein Argument: «Was die muslimischen, jüdischen und katholischen Gotteshäuser betrifft, so sind nicht alle monumental, beeindruckend, historisch oder gross, und viele von ihnen sehen aus wie unsere eigenen Gotteshäuser und sind als religiöse Gebäude ausgewiesen. Und doch sind sie steuerbefreit.» Zum zweiten Mal stellte sich das Gericht auf die Seite der Kirche. Es wies die Steuerbehörde mit demselben Argument wie zuvor zurück. Leonardo fasst die Antwort des Gerichts zusammen: «Erstens bedeutet die Tatsache, dass sie die Struktur der Immobilie nicht verändert haben, nicht, dass sie nicht für religiöse Zwecke genutzt werden kann. Zweitens ist bekannt, dass protestantische Gotteshäuser durch Einfachheit, Multifunktionalität und das Fehlen von Bildern usw. gekennzeichnet sind.»

Unerwarteter Rückschlag

Nach zwei positiven Urteilen dachte die Gemeinde, dass sie nun Ruhe habe. Aber die Steuerbehörde ging vor den Kassationsgerichtshof, das höchste Gericht im Lande, das ihm entgegen der bisherigen Urteile Recht gab, die auf der verfassungsmässig garantierten Religionsfreiheit aufgebaut hatten. Die Pastoren Leonardo De Chirico und Clay Kannard halten dazu fest: «Offensichtlich folgt der Oberste Gerichtshof immer noch dem Denkmuster, dass Gotteshäuser `objektive Merkmale` aufweisen müssen, und denkt dabei vielleicht an römisch-katholische Kirchen mit Altären, Statuen, Kapellen usw. Es liegt auf der Hand, dass es sich hierbei um ein äusserst ungerechtes und diskriminierendes Urteil handelt, ideologisch und vorurteilsbehaftet. Was die italienische Justiz betrifft, so ist dies leider das endgültige Urteil. Nun müssen wir fünf bis sechs Jahre lang (ab dem Jahr, in dem unser Fall zum ersten Mal verhandelt wurde) Gerichtskosten und Nachzahlungen von Grundsteuern zahlen. Darüber hinaus müssen wir jedes Jahr 6000 Euro Steuern für unsere Immobilie zahlen, als ob es sich um ein Geschäftsgebäude handeln würde, obwohl wir eine religiöse Vereinigung sind, die keine Gewinne erzielen darf, was uns auch von allen 'geschäftsbezogenen' Steuerabzügen ausschliesst.»

Er teilt drei Gebetsanliegen: Zum einen sei es eindeutig ein geistlicher Kampf – überall eine Begleiterscheinung, wo das Evangelium Fortschritte macht. Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet das Urteil zweitens, dass die Gemeinde 50'000 Euro aufzubringen habe, um die Rückstände zu begleichen. Drittens prüft die Gemeinde eine Berufung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg und/oder `strukturelle Veränderungen` am Gebäude, um dann den Antrag auf Anerkennung als Kultstätte erneut einzureichen.

Update: Die Gemeinde hat beschlossen, Klage am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Diskriminierung einzureichen. 

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Datum: 21.06.2024
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus

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