Gebets-Schemel oder Tanzschuhe?
Kirchenaustritte vor allem von Jungen
60'000 Personen sind aus den Landeskirchen ausgetreten, wovon die meisten zwischen 24 und 35 Jahre alt sind. Nun will die Kirche dem Volk nicht nur «aufs Maul schauen», wie Luther das sagte, sondern die Jugendlichen begreifen und entdecken, wie und wo man sie abholen könnte.
So wurde etwa ein gigantischer Rave (Technoparty) am katholischen Weltjugendtag in Lissabon gefeiert. Ein Priester war am Plattenteller und begeisterte rund 1,5 Millionen Menschen.
Zurück in heimischen Gefilden, besucht der Reporter Angebote und tauscht danach mit Verantwortlichen aus. Als Erstes sind wir in der Wasserkirche Zürich.
Techno-Musik holt ab
Während der Streetparade wurde letztes Jahr der 2. Raver-Gottesdienst in der pittoresken Wasserkirche gefeiert. Pfarrer Christoph Sigrist sagt: «Es ist tatsächlich etwas Besonderes passiert, an Zusammenfliessen von verschiedenen Milieus, und das ist sehr selten; ausser an Hochzeiten, Konfirmation oder Beerdigungen.» Negatives sei aus freikirchlichen Kreisen gekommen und beträfe das Thema Werte. Ein Besucher meinte hingegen: «Man sollte weiter so etwas organisieren, gerade für junge Leute!»
Der Reporter, der sich selber als nichtgläubig bezeichnet und schon an einen Kirchenaustritt dachte, ist positiv überrascht. Er besucht eine volle, sehr durchmischte Kirche. «Auch der Pfarrer war anders, er machte Selfies mit den Besuchenden und tanzte. Schon speziell – aber auch erfrischend.»
Doch der Zweifel wird nicht nur von ihm geäussert, ob dies reicht und Menschen in die Kirche bringt.
Weshalb besucht nur jede(r) 10. die Kirche?
Eine Insta-Umfrage zeigt hier, jeder zehnte Befragte geht manchmal in die Kirche, die anderen gar nicht. Aus unterschiedlichen Gründen:
- Der Gottesdienst holt mich nicht ab
- Zu langweilig
- Zu wenig modern oder attraktiv
- Die Kirche hat nichts mit dem Glauben zu tun
- Kirchensteuern
Ein Ort, wo man sich daheim fühlt
Dem Zuschauer bietet sich im «Adoray» der Katholiken ein besinnlicheres Bild, der Event ist in einem Gewölberaum im Untergeschoss.
Verschiedene Stimmen werden eingefangen: «Kirche sollte ein Ort sein, wo man sich daheim fühlt», «Ich will zusammen mit Gleichaltrigen den Glauben teilen», mit einer 60 Jahre älteren Person fühle er sich weniger daheim.
Viel Gesang, zu viel Gesang habe es, findet der Journalist. Es sei die herkömmliche Kirche, wie man sie kenne. Im Gespräch sagt ihm eine Involvierte: «Ich glaube, Christsein leben kann man nicht alleine» und trifft auf die Spannung vom postmodernen Individualismus und dem Bedürfnis nach Gemeinschaft. Dann bringt der Journalist das aktuelle heisse Eisen schlechthin, ob ein Transmensch beispielsweise einen Impuls halten, predigen könnte. Worauf sie die differenzierte Antwort gibt: «Es kommt darauf an, was er sagt.»
Hip-Hop-Gottesdienst im Zentrum
Mit «Church For The Unchurched» will das Team mit der Kirche dort sein, wo die Menschen sind – nicht, wo ein Gebäude steht, also hier im Hiphop Center Bern. Weshalb sind die Jungen nicht mehr in den Kirchen? Die Jungen würden dort etwas wie ein Verhaltensmuster sehen, dem sie entsprechen müssten und die Mitarbeiterin ergänzt: «Aber die kommende Generation will kreativ sein, sich ausleben und anziehen, wie sie will – hat aber Angst, dies in der Kirche nicht zu dürfen.»
Das Teammitglied hofft, dass ganz viel passiere; in den nächsten zehn Jahren würden zwischen 60 und 80 Prozent der Pfarrpersonen pensioniert, und da werde ein Wandel passieren.
Kommentar:
Dem Reporter kann man nur bedingt zustimmen, dass die Angebote nur Besucher ansprächen, die schon was mit Kirche und Glaube am Hut hätten – denn, es besuchen durchaus einige kirchenferne Leute die andersartigen Gottesdienste. Die Kernfrage wird bleiben, wie ein Musik-Event mit Spirituellem gefüllt werden kann. Denn Unterhaltung gibt es bereits viel. Das Geistliche, der Glaube und Gott sind die Spezialität der Kirchen.
Zur Doku:
«Rave in der Kirche – So will die Landeskirche junge Gläubige zurückholen»
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Datum: 24.07.2024
Autor:
Roland Streit
Quelle:
Livenet