Christen in Nordkorea

«Nordkorea hat keinen Platz für Gott»

Missionar Kenneth Bae
Kenneth Bae hat sich ein schwieriges Ziel gesetzt: Er möchte Nordkorea missionieren. Dafür landete er bereits im Gefängnis. Mit PRO sprach er darüber, warum er trotzdem nicht aufgibt.

Herr Bae, wie ist es um die Christen in Nordkorea bestellt?
Kenneth Bae: Dazu kann ich keine belastbaren Aussagen treffen. Wir wissen von vielen Christen, die verhaftet worden sind. In den politischen Gefängnissen sollen etwa die Hälfte der Insassen Christen sein. Für sie ist es extrem gefährlich, ihren Glauben zu leben. Manche besuchen Kirchen im Untergrund. Aber das kann auch eine grosse Gefahr für ihre Familie und ihr Leben sein. Es ist also extrem schwer, als Christ in Nordkorea zu leben.

Wie können nordkoreanische Christen ihren Glauben leben?
Vieles muss im Geheimen passieren. Die genaue Zahl der Christen in Nordkorea kennen wir nicht. Sie können sich auch nicht wie die chinesischen Christen mit 15 bis 20 Leuten an einem Ort treffen. In Nordkorea sind das maximal drei Personen. Das macht es auch schwierig, sie zu unterstützen. Zudem gibt es keine Pastoren, die sie unterrichten, geschweige denn, dass sie Bibeln zur Verfügung haben. Vor Beginn der Pandemie wurden Bibeln ins Land gebracht, aber während der Pandemie waren die Grenzen dicht. Das hat die Unterstützung massiv erschwert. In Nordkorea kann auch keiner schnell ins Internet gehen, um dort in der Bibel zu lesen oder eine Andacht zu hören.

In dem Land gibt es ein «Gesetz gegen reaktionäres Gedankengut». Was verbirgt sich dahinter?
Nordkorea hat sein eigenes religiöses System. Darin ist nur Platz für den politischen Führer, der als Gott betrachtet wird. Wer in Nordkorea beginnt, eine andere Religion und andere Ideen zu haben, der wird als Bedrohung für das Land angesehen. Ziel ist es also, dafür zu sorgen, dass alle gehorchen, dem Führer folgen und ihn verehren.

Nordkorea wollte einmal das Christentum ausrotten. Wie weit ist der Weg dorthin noch?
Ich weiss es nicht genau. Sie haben Kirchen zerstört, Pastoren getötet und Christen ins Gefängnis geworfen. In Nordkorea gab es grosse Hungersnöte, die zu vielen Todesopfern geführt haben. Menschen haben probiert, das Land zu verlassen und dann Kontakt zu ihrer Familie gehalten. Viele von ihnen sind Christen geworden. Die genaue Zahl kennen wir nicht, aber es könnten auch deutlich mehr sein als wir vermuten. Das ist oft in Ländern der Fall, in denen Christen verfolgt werden.

Was gibt den Christen im Land die Kraft, sich diesem Martyrium auszusetzen?
Diese Stärke bekommen die Christen durch Gottes Gnade. Für mich war es im Gefängnis ganz wichtig, dass ich in Gottes Wort lesen durfte und mir darüber Gedanken machen konnte. Viel Kraft habe ich auch aus den Gebeten meiner Unterstützer bekommen. Gott hat mich so daran erinnert, dass ich nicht allein bin.

Wäre es besser, wenn alle Christen das Land verlassen?
In Freiheit und ohne Angst können sie ihren Glauben nur leben, wenn sie das Land verlassen. Es ist natürlich auch abhängig davon, was Gott von ihnen möchte. Manche haben das Land verlassen und für sich gemerkt, dass es richtig ist, wieder nach Nordkorea zu gehen, um den Menschen von Gott zu erzählen. Manche sind ins Gefängnis gekommen oder gestorben, weil sie von Gott erzählten. Andere sind geflohen, um die gute Botschaft an anderer Stelle zu verbreiten.

Sie sassen mehr als zwei Jahre in Haft. Warum und was haben Sie dort erlebt?
Ich wurde beschuldigt, dass ich mit Gebeten versuche, die Regierung in Nordkorea zu stürzen. Die Regierung hat mich zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Ich galt als Bedrohung. Wenn jemand als Missionar eine Nation mit dem christlichen Virus infiziert, fürchteten sie, dass sich die Menschen gegen die Regierung wenden. Sie sehen das Christentum als riesige Bedrohung.

Wie haben Sie es geschafft, die Reise zu überleben?
Wahrscheinlich nur durch Gottes Gnade. Ich war unterernährt und hatte fast 30 Kilogramm abgenommen. Ich durfte mich dann im Krankenhaus erholen, bevor ich wieder ins Arbeitslager musste. Das Hauptziel der Regierung war es nicht, mich zu töten oder mich leiden zu lassen, sondern, mich als politisches Druckmittel zu benutzen, um die amerikanische Regierung zu erpressen. Sie wollte mich wieder aufpäppeln, damit mir nichts zustösst.

Wie oft waren Sie verzagt?
Das kam immer wieder vor. Ich hatte Angst, meine Hoffnung zu verlieren. Aber ich habe auch übernatürliche Momente erlebt. Während meiner Haft musste ich den ganzen Tag in der Mitte des Raumes stillstehen. Ich begann zu zweifeln, dass Gott an meiner Seite ist. Und dann sprach er deutlich zu mir: ‚Kenneth, der Heilige Geist hält deine Hand. Fürchte dich nicht, ich bin bei dir.’ Das hat mir geholfen, diese Tortur durchzustehen. Meine Sorgen waren auf einmal deutlich kleiner. Ich musste nur weiter auf Gott vertrauen, auch wenn ich nicht wusste, wie lange die Ungewissheit dauert. Das Einzige, was mir helfen konnte, war weiterhin meine Hoffnung auf Gott zu setzen.

Was hat letzten Endes zu Ihrer Freilassung geführt?
Mehr als 177'000 Menschen haben eine Petition an Präsident Barack Obama unterzeichnet. Sie haben sich für meine Befreiung eingesetzt. Das Weisse Haus hat versucht, mich nach Hause zu holen, aber die ersten Bemühungen sind gescheitert. Der Präsident hat den Direktor des Nationalen Geheimdienstes geschickt, der sich mit 20 hochrangigen Beamten für meine Freilassung eingesetzt hat. Wenige Tage zuvor war ich genau zwei Jahre im Gefängnis. An diesem Morgen hat Gott durch die Bibel noch einmal ganz deutlich zu mir gesprochen. Ich habe die Bibelstelle gelesen: «Ich bringe dich nach Hause.» Sechs Tage später wurde diese Aussage Gewissheit. Es war Gottes Art, mir diese Zusage zu machen.

Welche Ziele haben Sie mit ihrer aktuellen NGO New Korea Foundation International?
Wir wollen Menschen mobilisieren und sie finanziell unterstützen, um sich mit anderen zu vernetzen. Wir möchte alle, die aus Nordkorea flüchten, ausbilden und darauf vorbereiten, um für kommende Generationen da zu sein, wenn in Nordkorea einmal die Mauer fällt. Dann möchten wir aufbauen, was verloren gegangen ist. Wir arbeiten mit denen zusammen, die aus dem Land geflohen sind und helfen ihnen, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, sie medizinisch zu unterstützen oder wenn sie sonst in Not sind.

Was sind die wichtigsten Eigenschaften, die es für Missionstätigkeiten in Asien braucht?
Es geht darum, das zu lehren, was in der Bibel steht. Jeder muss den Herrn lieben und seinen Nächsten. Der Nächste kann auch derjenige sein, der einen verfolgt. Deshalb ist es wichtig, auch über die Liebe des Feindes zu sprechen und sie praktisch umzusetzen. Die Liebe steht über aller Bosheit und deckt alle Schwächen zu. So können wir nicht nur in Situationen wie in Nordkorea unsere Feinde lieben. Wenn andere Menschen erkennen, dass das bei uns Christen so ist, kommen sie vielleicht ins Nachdenken.

Wie kann es gelingen, die Menschen in solch ausweglosen Situationen wie in Nordkorea zu ermutigen?
Viele Menschen sagen immer, dass es in Asien nicht leicht ist, die Menschen zu erreichen. Das hat aber auch damit zu tun, ob es ein muslimisches, buddhistisches oder um ein kommunistisches Land wie Nordkorea handelt. Die Menschen sind in einem Land aufgewachsen, in dem Gehirnwäsche an der Tagesordnung ist. Aber ich denke, die Wahrheit wird sie befreien. Wer an Jesus glaubt, ist aufgefordert, seine Liebe zu bekennen. Wer lebt wie er, strahlt auf sein Umfeld aus und sorgt dafür, dass andere Gott kennenlernen. Bei allen Missionstätigkeiten müssen wir die Menschlichkeit Christi und seine Liebe demonstrieren, um die Menschen zu erreichen.

Sie haben in einem Buch Ihren Leidensweg beschrieben. Was war die wichtigste Erkenntnis?
Ich habe gelernt, dass Leiden nicht länger ein Hindernis sein muss. Es kann auch eine Abkürzung sein, um in das Herz der Menschen zu gelangen. Oft möchte Gott, dass wir durch das Leiden persönlich wachsen, um hinterher das Ergebnis zu sehen. Mein Leiden war schmerzhaft. Aber ich habe gelernt, es mit Gott in Einklang zu bringen. Ich hätte im Gefängnis verrückt werden können, aber ich habe immer wieder von Gottes Gnade profitiert.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin

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Datum: 30.05.2023
Autor: Johannes Blöcher-Weil
Quelle: PRO Medienmagazin

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