Wahrheit hat ein fröhliches Gesicht
Eine kleine Schar von Menschen versammelte sich am 7. März in der St. Galler Marktgasse. Sie waren gekommen, um den Worten von Martin Schmidt, Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen, zu lauschen – und der Enthüllung der «begehbaren Bibel» beizuwohnen. Diese wird während eineinhalb Jahren an vier zentralen Standorten in der Stadt St. Gallen aufgestellt. Schmidt zeigte sich begeistert über die schlichte Ästhetik der Skulptur.
War ihr erster Standort bei der Universität dem Thema «Bildung» und beim zweiten auf dem Klosterhof dem Titel «Beteiligung» gewidmet, ist jetzt das Thema «Befreiung» an der Reihe. Danach zieht die Skulptur weiter zum Bahnhofplatz, bevor sie an der Gutenberg-Strasse eine würdige Bleibe finden wird.
Inspiriert von Psalm 23
Der Künstler Josef Geier, der das Objekt gestaltete, nannte Psalm, Kapitel 23 als Inspirationsquelle für «Das Buch». Dieser Text verleihe ihm Mut und Kraft im Wechsel von Glauben und Zweifel. Die schwarze Innenfarbe symbolisiert das «finstere Tal»; die vierzehn Treppenstufen stehen für den Kreuzigungsweg Christi, die je sechs tragenden Säulen für die zwölf Apostel. Die runde Öffnung schliesslich reflektiert Hoffnung aufgrund von Tod und Auferstehung Jesu Christi. Das «begehbare Buch» lädt den Betrachter in kreativer Weise zum Verweilen, zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung über die Bedeutung der Bibel während der Reformation sowie deren Auswirkungen bis in unsere Zeit ein.
Reformationsbotschafterin Pfr. Catherine McMillan ging in ihrem Vortrag im altehrwürdigen Waaghaus auf die damalige Zeit ein. «Reformation bedeutet Erneuerung und zielt auf die stärkende Gemeinschaft», erklärte sie. Bibelworte des Apostels Paulus hätten Luther die Augen geöffnet, dass Gott im Wesentlichen gnädig sei. Überhaupt habe Wahrheit ein fröhliches und kein stures, grimmiges Angesicht, so McMillan. Das Lesen der Bibel habe zur Mündigkeit der Menschen geführt.
Mutige Frauen
In ihrem Referat erinnerte Catherine McMillan an Frauen in der Reformationszeit. Etwa an die bibelkundige Argula von Grumbach. «Mit ihren Schriften hat sie viele Menschen, gerade auch Frauen, ermutigt und inspiriert», so McMillan. Eine weitere Frau der Reformation war Katharina Zell, die mit Luther Briefkontakt pflegte und sich für Arme und Kranke einsetzte. Frauen wie Grumbach und Zell seien mit ihrem mutigen Auftreten dem damaligen Verständnis der Frauenrolle vorausgeeilt. Doch selbst Luther habe sich nur hinter verschlossener Tür mit ihnen getroffen.
Der Anlass schloss mit einer Podiumsdiskussion zur Reformation. Neben Martin Schmidt und Catherine McMillan nahm auch der Vertreter der für den Anlass mitverantwortlichen Evangelischen Allianz St. Gallens, Gust Ledergerber, teil.
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Datum: 16.03.2018
Autor: Rolf Frey
Quelle: idea Spektrum Schweiz