«kunst kreuzt weg» - Der andere Kreuzweg
«Leiden und Sterben, Macht und Ohnmacht, Trauer und Wut betreffen uns alle. Die «offene kirche bern» hat es 15 Kunstschaffenden ermöglicht, mitten im öffentlichen Raum zeitgenössische Interpretationen dieser zutiefst menschlichen Erfahrungen zu gestalten. Der interreligiöse Verein hat zum Ziel, durch Kunst und Kultur Menschen Orte der Begegnung zu ermöglichen. Projektleiterin Isabelle Schreier lädt ein, die Stationen anlässlich einer Führung kennenzulernen. «Der Austausch hilft, aufkommende Emotionen zu bearbeiten, und den Begleitpersonen der 'offenen kirche' können allenfalls Fragen gestellt werden.»
Musik bildet eine Brücke
Für die Schweizerin Laura Schuler spielt dabei Musik eine wichtige Rolle. Für sie stellt sie eine Verbindung zur spirituellen Welt her und so auch zu der Welt, wo die Menschen hingehen, wenn sie sterben. «Meine Botschaft ist: Hört Musik! Musik ist eine Brücke zu Emotionen und zum Unterbewusstsein.» Musik helfe ihr, das Ego hinter sich zu lassen und sich immer mehr mit dem zu verbinden, was ist. «Aus diesem Grund arbeite ich auch sehr gerne mit Improvisation», erklärt die Musikerin. Sie teilt eine davon mit den Besuchenden des Kunst-kreuzt-Weges, die sie ihrer kürzlich verstorbenen Grossmutter widmet.
Zum zweiten Mal fallen
Porträts von Berner Asylsuchenden säumen den Weg durch den Florapark. Sie weisen auf Hoffnung und Enttäuschung hin. Ergänzt werden sie durch Gedichte von Rahel Bucher, die aus Textzitaten von Asylsuchenden entstanden sind. Sie kommen von anderswo – Syrien, Pakistan, Tibet, Nigeria. Viele von ihnen sind schon seit Monaten oder Jahren hier. Einige leben in unterirdischen Unterkünften, andere in Wohnungen. Sie warten, essen, schlafen, hoffen, machen sich unsichtbar. Der Fotograf Martin Bichsel schenkt ihnen seit 2012 kurze Momente der Aufmerksamkeit, indem er ihre Lebenssituation im Bild festhält und sichtbar macht.
Vermächtnis
Araxi Karnusian ist Urheberin der Station «Der Mutter begegnen». Zwei abgenutzte Stühle stehen sich gegenüber, laden ein, Platz zu nehmen. Als sich die Komponistin und Musiktherapeutin hinsetzte, erinnerte sie sich an ihre verstorbene Mutter: «Ich sehe mich in dir, ich sehe dich in mir – wir schweigen.»
Das kunstvoll geschmiedete Tor zwischen Bundeshaus und kleiner Schanze ist für einmal von einem filigranen Tuch eingehüllt. Die kirgisische Künstlerin Sonata Raiymkulova reflektiert damit die Tatsache, dass jeder Mensch im Lauf des Lebens auch Lasten übernimmt. «Oft müssen wir Verantwortung tragen für etwas, das frühere Generationen getan haben – das ist nicht immer fair», findet sie.
«Nackt»
Afiwa Kuzeawu aus Togo hat mit Textil-Resten gearbeitet, die sie schon seit Jahren aufbewahrt. Ihr Werk (auf dem Titelbild zu sehen) sei auf der Suche nach Authentizitiät entstanden. «Es sind Stoffe, die ich auf den Märkten Lomés ausgesucht habe. Sie sind sehr persönlich.» Jetzt hängen sorgfältig geschnittene Streifen davon vor einem neutralen Hintergrund. Die Künstlerin wünscht sich, dass Menschen sich nicht verstecken müssen, sich nicht nackt vorkommen in der Beurteilung anderer. «Jesus wurde von vielen Menschen nicht erkannt, deshalb musste er leiden. Doch er möchte, dass wir authentisch leben und uns zeigen können», erklärt sie. «Er hat die Verbindung zum Vater wiederhergestellt.» Durch die Vergebung der Schuld könnten Menschen zurück zur Quelle gelangen, zu Gott. Dies sei für sie essentiell. Das Arbeiten für die Ausstellung habe sie an ihre Kindheit erinnert, an ihre Herkunft.
«Weinst du?»
Nach der Eröffnung am Aschermittwoch, 14. Februar sind mehrere Kunstwerke zerstört, beschädigt oder gestohlen worden. Dazu gehört der textil gestaltete Dialog über Gründe, zu weinen. Online sind die Bilder dazu ersichtlich. «Offensichtlich provoziert zeitgenössische Kunst im öffentlichen Raum über die Massen, vor allem wenn es um existentielle Themen geht, wie bei unserem Kreuzweg», hält Projektleiter Andreas Nufer fest.
«auferstehen»
Sultan Abaev ist erst vor kurzem aus Tschetschenien geflüchtet. Der Maler liess die meisten seiner Bilder dort zurück. Nun sucht er ein neues Atelier, um seinem Werk Gehör zu verschaffen. «Auferstehen» widerspiegelt eine sehr persönliche Erfahrung. Zu finden ist das Bild dazu in der Heiliggeistkirche, gleich am Anfang oder am Ende des Rundgangs. Die Installationen übertragen noch bis zum 31. März die Stationen der Passion Jesu ins Heute. Herausfordernd, abstrahiert, zum Nachdenken einladend.
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