Oft frage ich mich: Wie könnten heute kritische Menschen von dem Erlöser überzeugt werden, zu dem ich mich als Christ bekenne? Ich glaube allerdings nicht, das ich erlöster aussehen oder schmissigere Lieder singen müsste, damit andere Menschen mir mein Christsein abnehmen. Man kann nach außen freundlich lächeln und den "Strahlemann" abgeben - und tief im Innern dennoch ein unglücklicher oder unzufriedener Mensch sein. Nein, ich möchte mir keine fromme Maske aufsetzen oder mich stets gut gelaunt präsentieren müssen, damit Menschen interessiert an meinem Glauben sind. Das entscheidende Erkennungszeichen der Christen ist die Liebe. Ihre Herzlichkeit und Freundlichkeit, mit der sie einander begegnen. Und das sensible Gespür für die Sorgen und Lasten, die andere in ihrer Mitte zu tragen haben. So hat es Jesus selbst seinen Jüngern eingeschärft. Im Johannesevangelium sagt er: Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger d.h. Anhänger seid, wenn ihr euch untereinander liebt (Johannes 13,35). Ich male mir aus, wie anders das Leben von Friedrich Nietzsche wohl verlaufen wäre, wenn er solchen Christen begegnet wäre, die selbst seine schärfsten Attacken gegen das Christentum noch mit geduldiger Liebe ausgehalten hätten. Vielleicht wäre dann aus dem scharfzüngigen Spötter ein menschenfreundlicher Bekenner des christlichen Glaubens geworden.
Datum: 20.02.2006
Autor: Klaus Jürgen Diehl