Warum gerade das Kreuz?

Das Symbol der Christen und seine Geschichte

Kreuze stehen auf vielen Kirchtürmen, hängen an den meisten Gemeindewänden und etliche Menschen tragen ein kleines Kreuz als Schmuck um den Hals. Unzweifelhaft sind sie das Symbol der Christenheit schlechthin. Doch das war nicht immer so. Als zentrales Symbol entwickelte sich das Kreuz erst im Laufe von Jahrhunderten.
Die älteste Darstellung von Christus am Kreuz stammt aus dem Jahr 432. Es ist ein Holzrelief in der Kirche Santa Sabina in Rom.
Ein altrömisches Spottbild auf den christlichen Glauben an einen gekreuzigten Gott.

Die älteste Darstellung von Jesus am Kreuz stammt aus dem Jahr 432. Damals war es sogar verboten, ihn als Gekreuzigten darzustellen. So steht Jesus zusammen mit den beiden Verbrechern in Kreuzform da, hat allerdings Nägel in der Handfläche. Das Holzrelief mit dieser Darstellung befindet sich in der Kirche Santa Sabina in Rom. Warum dauerte es so lange, bis sich Kreuzdarstellungen etablierten? Und wie wurde das Kreuz überhaupt zum tragenden Symbol der Christenheit?

Das Kreuz als Inbegriff der Schande

Im Römischen Reich war das Kreuz als Hinrichtungsinstrument bekannt. Und die Römer setzten es gern und oft ein. Seine Grausamkeit und die damit verbundene Demütigung waren sprichwörtlich. Von Plautus, einem römischen Dichter, ist die Redewendung «Geh an ein böses Kreuz» überliefert. Das war wohl sprichwörtlich für «Geh zur Hölle». Auch Wandinschriften unterstreichen den Schimpfwortcharakter des Kreuzes. An der Wand eines Bades, das man in Pompeji ausgrub, steht als Graffito an einen Unbekannten gerichtet: «Du gehörst ans Kreuz genagelt!»

Ein römischer Bürger durfte nicht gekreuzigt werden. Für alle anderen Bevölkerungsgruppen – Sklaven, Ausländer, etc. – wurde die Kreuzigung verhältnismässig häufig und oft aus geringstem Anlass eingesetzt. Sie sollte bestrafen, in erster Linie aber abschrecken. Und das tat sie, wenn zum Beispiel ein Feldherr mit Gefangenen aus dem Ausland zurückkehrte und auf der Strasse nach Rom alle hundert Meter ein Kreuz errichten liess, an dem jeweils ein Kriegsgefangener angeschlagen wurde. Kein Wunder, dass das Kreuz ein Inbegriff der Schande war. Niemand wäre auf die Idee gekommen, diesen verfluchten Galgen quasi als Logo zu verwenden.

Das Kreuz in der frühen Christenheit

Als die Evangelisten ihre Berichte über das Leben und Sterben von Jesus verfassten, geschah das in genau diesem Umfeld. Niemand sprach gern vom Kreuz. Und doch nimmt das Sterben von Jesus am Kreuz in jedem einzelnen Evangelium einen relativ breiten Raum ein. Im christlichen Kontext beginnt bereits eine Umdeutung. Wenn Jesus bei Markus sagt: «Wer mein Jünger sein will, darf nicht mehr sich selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern muss sein Kreuz auf sich nehmen und mir nachfolgen» (Markus, Kapitel 8, Vers 34), dann bekommt es bereits eine neue Bedeutung. Hier schwingen mehr Hingabe und Freiwilligkeit mit als schändliche Hinrichtung.

Trotzdem wird das eigentliche Sterben von Jesus am Kreuz von allen, die es beschreiben, in keiner Weise symbolisiert oder geschönt. Zu nah ist jeder Leser und Hörer damals bei der eigentlichen Bedeutung dieser Hinrichtungsart. So erntet die Beschreibung von Jesus’ Tod auch keine Anerkennung, sondern eher Unverständnis. Paulus drückt dies im 1. Korintherbrief, Kapitel 1, Vers 23 so aus: «Wir aber verkünden den Menschen, dass Christus, der von Gott erwählte Retter, am Kreuz sterben musste. Für die Juden ist diese Botschaft eine Gotteslästerung und für die Griechen blanker Unsinn.»

Erste christliche Symbole

Obwohl also schon früh eine langsame Umdeutung des Kreuzes begann, schien es undenkbar, dass es ein tragendes Symbol für alle Christen werden sollte. Typische frühchristliche Symbole waren dagegen der Hirte (oft mit Schaf auf den Schultern), der Fisch (weil seine Anfangsbuchstaben im Griechischen sich als «Jesus Christus, Herr und Retter» lesen liessen) oder Buchstaben wie A und O (für Anfang und Ende). Auch die Inschrift über dem Kreuz war eine Weile populär: INRI steht dabei für «Jesus aus Nazareth, König der Juden».

Das Kreuz hingegen wurde höchstens von Nichtchristen verwendet, um Menschen zu verspotten, die an Jesus glaubten. Bekannt ist zum Beispiel die römische Strichzeichnung aus dem zweiten Jahrhundert, mit der ein Christ verspottet wird: «Alexamenos betet seinen Gott an». Und dieser Gott ist ein Mensch mit Eselskopf, der am Kreuz hängt.

«In diesem Zeichen sollst du siegen»

Die völlige Umdeutung des Kreuzes als Sieges- statt Verliererzeichens ist eng mit einem Namen verknüpft: Konstantin. Dieser war zunächst einer der Herrscher des Römischen Reichs – damals regierten vier Kaiser parallel in einer sogenannten Tetrarchie. Doch Konstantin liess sich zum alleinigen Kaiser krönen. Im Jahr 312 marschierte er mit seinen Truppen auf Rom zu und seinem letzten Konkurrenten entgegen, Maxentius. Dort stand er am 28. Oktober am Tiber, an der Milvinischen Brücke, mit einem besser ausgebildeten, aber kleineren Heer seinem Gegner gegenüber. Die später verbreitete Legende besagt, dass Konstantin in der Nacht vorher eine Vision hatte, in der Christus ihm ein Kreuzbild gezeigt und erklärt haben soll: «In diesem Zeichen wirst du siegen». Konstantin liess daraufhin angeblich Kreuze bzw. Christusmonogramme (die Buchstaben Chi und Rho/ XP) auf die Schilde seiner Soldaten malen – und gewann die Schlacht.

Der Rest ist Geschichte. Er wandte sich dem Christentum zu. Mit seinem Toleranzedikt erhob er den christlichen Glauben quasi zur Staatsreligion und nutzte die Christen damit machtpolitisch geschickt für seine politischen Ziele. Und ganz nebenbei wurde das ehemalige Zeichen der Schande zu einem Symbol des Sieges. Das Kreuz wurde zum zentralen christlichen Symbol.

Datum: 14.04.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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