Ehepaar Bigger im Talk

«Wir sind ins andere Extrem gekommen»

Susanna und Leo Bigger
In den vergangenen Wochen hat eine Predigtserie von Leo Bigger manche Diskussionen ausgelöst. Im Talk sprechen seine Frau Susanna und er über Klarheit, radikale Nachfolge, Respekt vor anderen Meinungen und den Ehrenkodex des ICF.

Unter dem Titel «Jesus first» steht eine Konferenz des ICF an. Gemäss Leo Bigger soll damit ein Gegentrend zu gesellschaftlichen Trends gesetzt werden. «Wir wollen Jesus an die erste Stelle setzen und nicht meine Gefühle und was ich alles bin.»

Das Problem gesellschaftlicher Trends

«In vielen Themen sehe ich etwas Kostbares», bewertet Leo heutige Trendthemen. So führe beispielsweise die Klimadebatte dazu, die Schöpfung zu ehren. Weiter wird sich dafür eingesetzt, andersdenkende Menschen nicht auszugrenzen. «Das ist alles gut und recht. Es kippt aber immer in etwas Extremes und ich glaube, dass sich dessen viele Christen nicht bewusst sind.»

Leo beobachtet, wie gesellschaftliche Bewegungen den Menschen ins Zentrum stellen und davon ausgehen, dass wir die Welt retten können. «Wir definieren auch, wie Gott ist. Wir sagen: Gott kann nicht ein Gott sein, der plötzlich Menschen in die Hölle schickt.» Mit dieser Denkweise stellen wir uns über Gott. Hinter Klimadebatte oder Gendersprache sieht Leo die Idee, uns selbst über Gott zu erheben. «Wenn wir dies nicht sehen, werden wir plötzlich etwas Gutheissen, das wir eigentlich stoppen müssen – nicht in Bezug auf die Sache, sondern wegen der Art und Weise, wo es hinführt.»

Das Evangelium hat Kraft

«Wenn wir beim Kreuz und der Botschaft von Jesus etwas verändern, verliert es die Kraft, um Menschen zu verändern.» Leo spricht von der Kraft des Evangeliums, welche Blinde sehend, Lahme gehend und Aussätzige rein macht. So liest er es in der Bibel und deshalb sei er nicht bereit, an der Botschaft des Evangeliums irgendwelche Abstriche zu machen.

Neulich wurde Susanna die Wichtigkeit von Nachfolge neu bewusst. Es gehe darum, Jesus nachzufolgen, ohne sich von irgendwelchen Strömungen beeinflussen zu lassen. «Das finde ich extrem wichtig und herausfordernd.» Als Konsequenz verzichtet sie aufs Konsumieren über soziale Medien. «Das mache ich, weil ich einen klaren Geist haben will.»

Zurück zum heiligen Gott

Susanna bedauert, dass wir lange nur noch einen «ansehnlichen Jesus», der heilt und Hoffnung schenkt, gepredigt und den «unansehnlichen Jesus» draussen gelassen haben. Wir müssten aber Jesus nachfolgen, wie er wirklich ist. Leo berichtet, wie während seinem Teenageralter von einem heiligen, richtenden Gott gesprochen wurde, bis Gottes liebende Seite neu entdeckt wurde. «Das Pendel geht immer von einem Extrem ins andere. Heute wird das ‘Gericht’ oder die ‘Heiligkeit’ völlig ausgeblendet. Wir sind ins andere Extrem gekommen.»

Vor sechs oder sieben Jahren kündigte Leo eine Zeit an, wo wieder über das gepredigt werden müsse, was er als Teenager nicht mehr hören wollte. Diese Zeit sei jetzt gekommen. In einer Generation ohne Richtlinien und Moral sehnen sich viele wieder nach Klarheit. «Wir brauchen den Mut, Gottes Heiligkeit oder das Gericht zu predigen. Wenn ich die Bibel lese, sehe ich, dass diese Dinge nicht plötzlich verschwunden sind.»

Eine kontrovers diskutierte Predigtserie

Der Wellengang nach seinen jüngsten Predigten überraschte Leo nicht. Vor seiner Predigt über die LGBTQ-Bewegung sei ihm klar gewesen, dass man darüber nicht sprechen kann, ohne dass irgendwo eine Mine hochgeht (Livenet berichtete). Auch dem Thema Cancel Culture hat er sich gewidmet und bezeichnete die Situation, die eigene Meinung nicht mehr sagen zu dürfen, als dämonisch. «Unser Job ist nicht, uns irgendwo beliebt zu machen, sondern zu predigen, was wir schon immer geglaubt haben.» Er sagt, dass ihn eine negative Berichterstattung der Medien in früheren Jahren gestresst hätte. In den letzten Jahrzehnten sei er diesbezüglich aber trainiert worden und so könne er heute sagen: «Gottseidank schreibt man über uns!»

Auch Susanna äussert sich über die polarisierende Predigtserie. «Diese ganze Serie rüttelt wach und ich nehme daraus, dass es wichtig ist, die Bibel zu lesen.» Darin stehen unverrückbare Wahrheiten und sie glaubt, dass es immer wichtiger wird, sich radikal an ihnen zu orientieren. Leo stellt fest, dass Jugendliche heute mit der Botschaft eines heiligen Gottes erreicht werden. «Viele Kirchen haben Angst, durch eine radikale Betonung die Leute zu verlieren. Doch das Gegenteil ist der Fall.» Jedenfalls sei ihre Besucherzahl durch die provokante Serie in die Höhe gegangen. Menschen scheinen sich nach Klarheit zu sehnen.

Kein Kampf gegen Andersdenkende

«Es ist für mich kein Problem, wenn jemand Dinge anders sieht. Es gibt Leute, deren Lebensstil ich nicht gerade umarme und die doch meine Freunde sind.» In diesem Sinne will Leo auch mit denjenigen umgehen, die ihn aufgrund gewisser Inhalte der Predigtserie kritisieren. Im Umgang mit Menschen, die eine andere Meinung vertreten, gehe er oft nach dem Motto: «Wenn du es anders siehst, ist das kein Problem. Es gibt andere Kirchen, die es auch anders sehen.» Gemäss des Selbstverständnisses von ICF sind sie nicht die Hüter einer einzigen Meinung. Und sie wollen auch nicht Menschen an sich binden, die sich an ihren Überzeugungen stossen.

Ehrenkodex im ICF

«Seit 30 Jahren und mehr leben wir das», sagt Susanna zum Ehrenkodex des ICF. «Und wir wollten dies jetzt veröffentlichen.» Darin würden Überzeugungen im Umgang mit Finanzen, Sexualität oder Macht beschrieben. Es gehe auch um Glaubwürdigkeit, Rechenschaft und anderes. Im Talk wird ausführlicher darüber gesprochen, wie Kritik an Leitern in ihrer Kirche an eine Ombudsstelle gerichtet werden kann. «Ich musste da auch schon antraben», gibt Leo ehrlich zu und betont die Chance, dabei lernen und sich entwickeln zu können.

Sehen Sie sich den Livenet-Talk mit Leo und Susanna Bigger an:
 

Zur Webseite:
ICF Zürich

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Datum: 17.05.2023
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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