Johannes Hartl im Talk

Gibt es überhaupt noch Hoffnung für die Zukunft?

«Eden Culture» ist mehr als ein Buch – es ist eine Lebenshaltung. Über diesen Sinn für Schönheit und positive Veränderungen sprach Reinhold Scharnowski mit Johannes Hartl.
Johannes Hartl (Bild: johanneshartl.org)


Dr. Johannes Hartl passt nicht so recht in die gängigen Schubladen, doch der Philosoph, Theologe, Speaker und Gründer des Augsburger Gebetshauses sieht sich selbst am liebsten einfach als Mensch mit einem Herz für Schönheit. Sein aktuelles Buch «Eden Culture» betrachtet er dabei als eine «Ökologie des Herzens für ein neues Morgen».

Braucht es noch eine Utopie?

Unmittelbarer Anlass des Buches war die Konferenz «SCHÖN». Beim Vorbereiten setzte sich Hartl mit den «Fridays for Future»-Protesten auseinander und den völlig berechtigten Sorgen um unsere Zukunft. Aber er stellte sich dabei die Frage: «Warum denken wir Ökologie immer so, dass der Mensch der Störfall ist?» Es ärgerte Hartl, dass der Mensch in den meisten Überlegungen zum Thema auf seine körperliche Anwesenheit reduziert wurde. Deshalb erweiterte er das Anliegen der Zukunftsfragen: «Was glauben wir eigentlich auf der Herzensebene, um menschlich und als Mensch leben zu können?»

Sein Buch ist dabei nicht auf ein christliches Lesepublikum reduziert. Es eignet sich für alle, die sich Zukunftsfragen stellen und nicht mit den gängigen Dystopien zufriedengeben wollen. Denn scheinbar wissen wir alle, wie die Zukunft sein wird: negativ. Menschenfreundliche Zukunftsbilder gibt es nur wenige. «Eden Culture» soll ein ehrlicher, aber eben auch positiver Beitrag für alle sein, die sich fragen, wie es mit uns weitergehen kann – unabhängig vom jeweiligen Glauben.

Eden oder Gottes Reich?

Das Buch besteht aus drei grossen Abschnitten, die sich mit den Themen Gemeinschaft, Sinn und Schönheit beschäftigen. Natürlich liesse sich das um andere Felder erweitern, doch sie bilden gut ab, was die Philosophie als das Wahre, Schöne, Gute bezeichnet und die Positive Psychologie als das, was Menschen (und unsere Gesellschaft) brauchen.

Bewusst hat sich Hartl dabei dagegen entschieden, vom Reich Gottes zu sprechen, das für ihn in seiner biblischen Dimension immer wieder in Bildern wie von einem Festmahl oder einer Stadt dargestellt wird. «Dieses heile Menschsein geht nicht ohne Gott, aber das Buch läuft nicht auf einen missionarischen Appell hinaus.» Er wollte seine Utopie so formulieren, dass sie für Christen genauso räsoniert wie für Menschen, die nichts mit dem Glauben zu tun haben.

Die Suche nach Verbundenheit und Sinn

Ein Mensch kann tiefe Beziehungen zu anderen aufbauen, wenn er gesunden Selbstkontakt hat. Ist er allein, quasi ein kosmisches Waisenkind, oder ist da noch etwas/jemand, ein «grosses Du»? Spannend ist, dass der Mensch sich erst im Zusammenhang mit anderen, im Du, selbst finden kann. Das ist kein Gottesbeweis, aber Gott in seinem dreifaltigen Wesen zeigt diese Verbundenheit an sich selbst. Als seine Abbilder können wir so etwas wie Liebe nicht allein leben, sondern nur in Beziehung zu anderen.

«Gelingt es einem Menschen, Sinn zu finden, dann wird sein Leben gelingen.» Diese Sinnfrage ist ein weiterer wichtiger Aspekt für Hartl, denn «Sinn ist wichtiger als Glück». Das wird deutlich, wenn Menschen sich an einzelnen Punkten gegen die eigene Befriedigung oder das persönliche Glück entscheiden, weil sie etwas tun wollen oder müssen, das ihrem Leben einen übergeordneten Sinn verleiht – so wie der Priester, der im Dritten Reich für seine Überzeugungen ins KZ ging, obwohl er es sich hätte ersparen können. In diesem Zusammenhang wirft Hartl auch einen kritischen Blick auf den Transhumanismus als das permanente Erweitern der menschlichen Grenzen – so hilfreich es sei, zum Beispiel Medikamente gegen Krankheiten zu finden, so schwierig sei es, dass der Mensch dabei immer wieder auf seine Funktionen reduziert wird und das verliert, was ihn als Menschen ausmacht, das Unverfügbare oder Heilige.

Hartl sieht dabei durchaus, dass dieser Reduktionismus für viele Entwicklungen eine Erfolgsgeschichte war, allerdings stösst er immer wieder an seine Grenzen. Deutlich wird dies zum Beispiel beim Umgang mit der Coronapandemie: Eine rein virologische Betrachtungsweise, die ökonomische und psychosoziale Bereiche ausblendet, wird der komplexen Situation nicht gerecht. Als Grenzbereiche dazu sieht er den Dreiklang aus Leiden, Schuld und Tod. An diesen Krisen können Lebenskonstrukte zerbrechen – jeder eigene Fortschritt findet mit dem Tod sein Ende –, wenn wir einer oberflächlichen Sinnkonstruktion folgen. Wenn wir bereit sind, durch diese Krisen in die Wahrheit hineinzufinden, führen sie uns in eine tiefere Verantwortung.

Die Frage der Schönheit

In christlichen Büchern wird sie nur selten behandelt – sie scheint ein Rand- oder Luxusthema zu sein. Das liegt laut Hartl auch daran, dass sie über lange Zeiten ideologisch missbraucht wurde und moderne Kunst jetzt gegen eine kitschige, althergebrachte oder verzweckte Kunst protestiert. Allerdings sind moderne Kunstformen oft in dieser Rebellion hängengeblieben, ohne wieder schöne Inhalte für sich zu definieren. Dazu kommt, dass die Industrialisierung mit ihrem Nützlichkeitsdenken und Verkaufbarkeitsaspekten eher für eine inhaltliche Verflachung steht als für Originalität – das ist die Schattenseite des verbreiteten «form follows function».

Hartl wehrt sich gegen eine zu starke Subjektivierung des Schönen. Schönheit entsteht eben nicht nur im Auge des Betrachters, sondern es gibt durchaus einen Sinn dafür, der sogar kulturüberschreitende Ähnlichkeiten aufweist – die Neuroästhetik liefert hierzu interessante Forschungsergebnisse. Die grösste Herausforderung sieht er darin, dass wir «als Christen vorne dabei sein sollten, wenn es um Schönheit geht».

Gibt es Hoffnung für eine positive Entwicklung der Menschheit?

Im Gegensatz zu manchen Gläubigen oder auch nicht Gläubigen unterstreicht Hartl deutlich, dass er Hoffnung für die Zukunft hat. Er führt aus:

Erstens seien wir ethisch verpflichtet, das zu denken, denn wir sind so angelegt, dass wir uns eine Zukunft vorstellen und darauf hinleben und -arbeiten können. So tragen wir auch selbst Verantwortung dafür, sie umzusetzen.

Zweitens hätten wir Menschen in den letzten Jahrtausenden sehr viele grosse Probleme produktiv gelöst. «Ich sehe die Entwicklung der Menschheit vorrangig als positiv und kann den Pessimismus nicht mehr hören, der vielerorts zelebriert wird.» Tatsächlich haben sich viele Dinge signifikant verbessert: Armut, Lebenserwartung, Heilbarkeit von Krankheiten. Und wir haben die Kapazität, Entwicklungen, die gerade ins Negative laufen, ins Positive zu drehen.

Drittens: «Ich glaube, dass Menschen sich ändern können, weil ich das selbst ständig erlebe.» Das geschehe nicht unbedingt radikal, aber in vielen kleinen Schritten.

Viertens sei es für gläubige Menschen klar, dass neben Liebe und Glaube auch Hoffnung eine der grossen bleibenden theologischen Tugenden ist. Dazu passe kein Untergangsgerede.

Hartl zeigt, dass viele der Negativtrends, die er im Buch beschreibt, weiterlaufen werden, «aber ich träume von positiven Gegenbewegungen innerhalb dieser Entwicklungen» – es wird hell und dunkel bleiben, Babel und Eden werden beide wachsen. Christen sollten dabei Menschen sein, die für positive Wendungen stehen, die die Welt gestalten und nicht nur zusehen. «Ob das dann eine einzelne Familie, eine Stadt oder eine ganze Gesellschaft betrifft, ist eher sekundär. So wächst eine Kultur des Herzens, nach der wir uns alle sehnen.»

Hier können Sie den kompletten Talk mit Johannes Hartl ansehen:

Zum Buch:
Eden Culture

Zum Thema:
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Glaubwürdig.ch: Macht der christliche Glaube Sinn?

Datum: 13.08.2022
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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