Promi-Christinnen brachten Hugo Stamm in Erklärungsnotstand
Das war ein Novum: Angehörige einer evangelikal-charismatischen Freikirche stehen in Überzahl 3:2 ihren Kritikern in einer Fernsehsendung gegenüber. Die beiden schönen Frauen: Stéphanie Berger, ex-Miss Schweiz, und die Fernsehmoderatorin Jeannette Macchi-Meier, beide mit einer eindrücklichen Geschichte, wie sie zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind. Dazwischen Leo Bigger, der Gründer der jungen Freikirche ICF, die mit modernen Musik- und Predigt-Gottesdiensten 2000 Leute anzieht. Auf der Gegenseite Tages-Anzeiger-Redaktor und Sektenkritiker Hugo Stamm sowie die katholische Theologin Monika Schmid, die auch schon einen ICF-Gottesdienst besucht hat und nebst Vorbehalten dem ICF auch Positives zugesteht.
Glaube verändert Leben
Die zwei prominenten Frauen nahmen die Gelegenheit wahr zu betonen, dass der Glaube ein Leben verändert und umgestaltet. Jeannette Macchi besucht das ICF - nicht nur wegen dem modernen Ambiente, sondern weil sie hier auch Kontakte mit Gleichgesinnten findet, insbesondere in den Gruppen, die nach dem "G12-Konzept" arbeiten. Vorbild dieses Gruppenkonzept, in denen man sich regelmässig austauscht, ist Jesus, der 12 Jünger berief. Auch Stéphanie Berger hat schon ICF-Gottesdienste besucht, genoss den modernen Stil, vermisste aber eine geiwsse Tiefe.
Für Hugo Stamm ist das ICF keine Sekte, aber eine Freikirche mit sektiererischen Tendenzen. Sie enge die Leute mit den sehr klaren Regeln und ihrem fundamentalistischen Bibelverständnis zu sehr ein. Auch das G12-Konzept findet er heikel. Leo Bigger wirft er auch vor, zu wenig Verantwortung für seine Gemeindeglieder wahrzunehmen und gefährliche Praktiken wie Geisteraustreibungen zu praktizieren. Auch lehne das ICF die Homosexualität ab und grenze damit Leute aus.
Niemand unter Druck gesetzt
Zur Kritik am G12-Konzept kontern die ICF-Leute, zwar habe das G12-Konzept eine Pyramidenstruktur. In der Praxis gehe es nicht um Kontrolle, sondern um freundschaftliche Beziehungen und gegenseitige Ermutigung. Damit der Einzelne in der Masse der vielen Gottesdienstbesucher nicht untergehe, sei diese familiäre Struktur nötig.
Leo Bigger appelliert an die gegenseitige Toleranz. Das ICF stelle seinen Anhängern frei, die vermittelte Theologie und seine Regeln zu akzeptieren und setze niemanden unter Druck. Jeder könne das ICF durch die breite Eingangstüre auch wieder verlassen. Eine Gesellschaft, die Toleranz fordere, solle sie auch einer Gemeinschaft wie dem ICF gewähren.
Der Glaube des Hugo Stamm
Gegen Schluss des Gesprächs fordert Jeannette Macchi-Meier Hugo Stamm heraus, selbst mal zu erklären, woran er denn glaube. Er müsse deutlich machen, aus welcher Position heraus er denn immer wieder die christlichen Gemeinschaften kritisiere. Stamm will zuerst ausweichen, doch Macchi hakt nach. Etwas umständlich erkärt Stamm dann, er glaube wohl an eine höhere Macht, doch sei diese zu komplex, um sie verstandesmässig zu erfassen. Wenn er diesen Gott verstünde, wäre er ja am Ende seiner persönlichen Entwicklung, und das wolle er nicht.
Kommentar
Von Fritz Imhof
Hugo Stamm argumentierte auch diesmal aus der Optik des Alt 68-ers heraus, der immer wieder die Autonomie des Individuums betont, die nicht durch Autoritäten irgendwelcher Art und Herkunft eingeengt werden darf. Religion und religiöse Autoritäten sind aus dieser Sicht grundsätzlich zu hinterfragen. Wo Einschränkung persönlicher Freiheit und die Bindung an Dogmen geschieht, wird es sektiererisch.
Stamm hat seine weltanschauliche Position und setzt sich mit den verkündigten Inhalten nur insofern auseinander, als sie die persönliche Freiheit beschränken. Dass Stamm mit seinem Ansatz sogar in der Landeskirche sektiererische Tendenzen aufdecken müsste, ist ihm wohl weniger bewust.
Stamm ist entgegen zu halten: Christlicher Glaube ist wohl ein Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch, setzt aber auch ein persönliches Ja zur Einhaltung von Grenzen - die Bibel spricht von Geboten - voraus, die unsere postmoderne Gesellschaft nicht ohne weiteres anerkennt. Das persönliche und freiwillige Ja zu solchen Grenzen gehört zur Identitätsbildung des glaubenden Menschen und zur Persönlichkeitsbildung des Christen - die Bibel spricht von "Heiligung". Für den postmodernen Menschen ist das schwer nachvollziehbar, für den 68er sogar verdächtig.
Den Vertreterinnen und Vertretern der ICF gehört Anerkennung, dass sie auf eine erfrischende und unkomplizierte Art Glauben thematisieren und zum öffentlichen Thema machen. Zu wünschen ist, dass sie an ihrer Argumentation weiter arbeiten und sich überlegen, wie sie auch spezifische christliche Inhalte, zum Beispiel biblische Aussagen zur (Homo)Sexualität, zeitgemäss erklären könnten. Es müsste ihnen noch besser gelingen zu zeigen, dass Glaube nicht nur eine ganz individuelle Sache ist, sondern auch eine soziale, und dass sie ganz konkret das Leben in Beruf, Schule und Gesellschaft prägen will.
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Die Sendung wird wiederholt auf SF2am Samstag, 28. Februar, 16.05 Uhr,
Artikel zum Thema
Stéphanie Berger:
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Sektendebatte: Nachgefragt bei Hugo Stamm:
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Buchbesprechung: Tod im Tempel - Krimi und Religion:
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Sonntagszeitung: „Jugendliche wenden sich den Freikirchen zu“
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http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/12760/]
Webseite: www.icf.ch
Datum: 27.02.2004
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch