Glaubensverfolgung im 21. Jahrhundert

Pakistanischer Frau droht der Galgen

Die 38jährige Asiya Bibi wurde wegen angeblicher Beleidigung Mohammeds zum Tod verurteilt. Aber: «Wie kann eine Unschuldige zum Tod verurteilt werden, nach einer falschen Anklage und ohne dass ihre eigenen Worte geprüft wurden?» fragt sie nach der Urteilsverkündung.
Für die christliche Minderheit Pakistans ist die Freiheit erstart. Symbolisch: Kreisel in Lahore (Nordost-Pakistan).

Am 7. November 2010 wurde Asiya Bibi (38) zum Tode verurteilt. Sie habe angeblich den «Propheten Mohammed beleidigt». Sie soll in Pakistan als erster Mensch wegen dieser Anklage hingerichtet werden. Bisherige Tötungen mit diesem Hintergrund erfolgten nicht durch den Staat, sondern durch rasend gewordenes Gesindel und gezielte Überfälle.

Christen gehören mehrheitlich der niedrigsten sozialen Gruppe an, ähnlich den Hindu-Kasten. Ihnen ist verboten, aus den gleichen Brunnen oder Gefässen zu trinken wie Menschen, die in der sozialen Hierarchie höher stehen. Insbesondere auf dem Land ist diese Diskriminierung weit verbreitet. Soziale und religiöse Konflikte werden auf diese Weise miteinander vermengt.

Zu Streit aufgelegt

Die Tagelöhnerin lebte im staubigen Dorf Itanwali, etwa 75 Kilometer westlich der Millionenstadt Lahore im pakistanischen Bundesstaat Punjab. Die meisten Einwohner arbeiten auf der Farm des moslemischen Grossgrundbesitzers Mohammed Idrees. Lediglich drei Familien sind christlich, im Ort kennt sie jeder als «die Ungläubigen». Aber man kam soweit miteinander aus.

Immer wieder bedrängten sie ihre Kolleginnen, sie solle doch zum Islam übertreten. Im Juni 2009 schliesslich holte Bibi Wasser aus einem Brunnen. Es war «ein heisser Tag, die Arbeit auf dem Feld ist anstrengend, die Frauen sind zu Streit aufgelegt», schreibt «Spiegel Online».

Wieder verlangen ihren Kolleginnen, dass Bibi zum Islam wechselt; ansonsten könnten sie ihr Wasser nicht trinken. Eine Ungläubige habe es geholt, darum sei es «unrein». Eine hitzige Diskussion entbrannte, die irgendwann aber zuende ging.

Wasser «unrein»

Laut dem «Daily Telegraph» wollte aber ein wütender Mob Tage später wissen, dass sie gesagt habe: «Jesus Christus sei für die Sünden der Menschen am Kreuz gestorben. Was habe Mohammed für die Menschen getan? Jesus sei lebendig, Mohammed dagegen tot. Auch soll sie gesagt haben, dass Jesus Christus der wahre Prophet Gottes ist, „nicht euer Mohammed“.»

Diese Worte habe sie nie jedoch gesagt, bekräftigte Bibi. Im Gegenteil, sie selber sei wegen ihres Glaubens diskriminiert worden. Zudem hätten die Frauen begonnen, sie zu schlagen, bis sie schliesslich floh.

Geistliche hetzen

Wenige Tage später stand die Meute, zusammen mit islamischen Geistlichen, vor der Tür der Familie, zerrte Bibi mit und sperrte sie ein. Über den Lautsprecher der Dorfmoschee wurde die inzwischen ausgeheckte Strafe verkündet: Man soll ihr Gesicht schwarz anmalen und sie auf einem Esel durch das Dorf führen. «Zu ihrer eigenen Sicherheit» brachte sie die Polizei aber vorher ins Gefängnis.

Christliche Gruppen baten die Behörden nun, den Fall auf sich beruhen zu lassen. Die Polizei erklärte aber, dass sie keine Wahl habe und die Mullahs den Fall vor Gericht bringen wollten. Ein Ministeriumssprecher wird zitiert mit den Worten: «Die Polizei war durch den moslemischen Mob unter Druck. Sie forderten, Asiya zu töten, weil sie schlecht über den Propheten gesprochen hat.»

Berufung

Inzwischen sitzt Asiya Bibi anderthalb Jahre im Kerker. Laufend wurden Anhörungen und Entscheide verschoben. Am Montag, dem 8. November 2010, verkündete das Gericht in Sheikhupura das vernichtende Urteil: Wegen «Blasphemie» wird Asia Bibi zum Tod am Galgen verurteilt. Voher habe sie noch eine Geldstrafe in der Höhe von zweieinhalb Jahresgehältern zu bezahlen.

Bibi legte Berufung ein. Andere forderten den umgehenden Freispruch, so etwa Nazir S. Bhatti, Chef des Pakistanischen Christen-Kongresses (PCP). Bibi selbst war bei der Urteilsverkündung zusammengebrochen. Sie erklärt: «In dem ganzen Jahr, als ich eingesperrt war, konnte ich keine Aussage machen, weder zu den Anwälten noch vor Gericht.»

Kein Einzelfall

Zig weitere pakistanische Christen sitzen seit Jahren wegen angeblicher Blasphemie in Todeszellen pakistanischer Gefängnisse; darunter Kingri Masih und Anwar Kenneth seit 2002 und seit Mai 2006 der heute 40-jährige dreifache Familienvater Younis Masih, der sich über laute islamische Musik bei einem Nachbarn beschwert hatte.

Laut der christlichen Menschenrechtsorganisation «Nationale Kommission für Gerechtigkeit und Frieden» dienen achtzig Prozent der Blasphemie-Anklage dazu, persönliche Streitigkeiten auszutragen. Schon lange fordern Menschenrechtler eine Revision des Gesetzes. Die Regierung hat diese zwar längst versprochen, aber noch nicht gehandelt und wird das wohl auch nicht so schnell tun.

Frauen ohne Rechte

Frauen in Pakistan werden immer weniger verschont, berichtet die IGFM. Wegen ähnlicher Anschuldigungen droht die Todesstrafe den inhaftierten Christinnen Rubina Bibi und der sechsfachen Mutter Martha Bibi, die Schulden von einem Moslem einfordern wollte. Im März 2010 erhielt das christliche Ehepaar Ruqqiya Bibi und Munir Masih 25 Jahre Gefängnis wegen angeblicher «ritueller Verunreinigung des Koran».

Wegen vermeintlicher Koranverbrennung erhielt der 26jährige Imran Masih im Januar 2010 eine lebenslängliche Haftstrafe, und seit Anfang 2009 befindet sich Hector Aleem, Direktor einer pakistanischen Menschenrechtsorganisation, wegen angeblich verschickter blasphemischer SMS-Nachrichten in Haft.
 

Datum: 19.11.2010
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch, IGFM, Open Doors, Spiegel, Bild u.a.

Werbung
Livenet Service
Werbung