Pfarrerin verteidigt Freikirchen gegen Sektenvorwurf
An ihrem erst zweiten Auftritt als Sprecherin zum Wort zum Sonntag nahm die in Schottland geborene und heute in Dübendorf wirkende Pfarrerin Catherine McMillan (55) den kürzlichen Sektenvorwurf des Blicks auf und widersprach ihm vehement. Sie verwies dabei auch auf die leidvolle Verfolgungsgeschichte von anders denkenden christlichen Gemeinschaften und Gruppen bereits zur Reformationszeit.
Kinder der Reformation
Mit dem Reformationsjubiläum werde das Aufkommen des kritischen Denkens und der Mut zum Widersprechen gefeiert, so McMillan. Die Menschen seien damals aufgefordert worden, selbst die Bibel zu lesen. Es sei daher für sie befremdlich, wenn eine «grosse Schweizer Tageszeitung» bibellesende Gruppen und evangelische Minderheitskirchen in die Sektenecke stelle. Auch sie seien Kinder der Reformation.
Zur Zeit Zwinglis, vor 500 Jahren, hätten Menschen in Hauskreisen die Bibel gelesen und seien zur Ansicht gekommen, dass nur noch Menschen getauft werden sollten, die zum Glauben gekommen waren. Damals hätten die Politiker eine Gefahr gewittert und die Anführer der Täufer in der Limmat ertränken lassen. 300 Jahre lang seien die Täufer dann verfolgt worden. «Wenn wir 500 Jahre Reformation feiern, lernen wir hoffentlich aus unseren Fehlern», so McMillan dazu.
Bibelleser nicht mit Sekten gleichsetzen
In einem freien Land habe die Diffamierung Andersdenkender keinen Platz, so die Pfarrerin. Zwar seien Sekten, die Druck auf Menschen ausüben und behaupten, dass man nur in ihren Reihen gerettet werden könne, zu kritisieren. «Aber das Lesen der Bibel in kleinen Gruppen ist kein Sektenkennzeichen!» Gerade Diktatoren hätten immer Angst vor bibellesenden Menschen gehabt, zum Beispiel in Rumänien und der DDR vor der Wende. Das habe auch seinen Grund, denn die Bibel mache deutlich, dass alle Menschen vor Gott gleich sind. Sie mache «Mut, befreit und zeigt, dass man etwas Wert ist.» Und das sei für die Diktatoren Sprengstoff: «Es sollte aber für eine freie demokratische Gesellschaft, die auf das Heranwachsen von selbstbewussten, kritisch denkenden und toleranten Menschen Wert legt, gerade recht sein.»
Wichtiges Signal an Freikirchen
Die auch am Bildschirm äusserst sympathisch wirkende vierfache Mutter und Grossmutter, dürfte sich damit gerade in landeskirchlichen Kreisen, die da und dort auch heute noch argwöhnisch auf Freikirchen herabblicken, in die Nesseln setzen. Sie setzt aber ein äusserst wertvolles Signal in die Richtung freikirchlicher Gemeinden und Gruppen, für welche die Reformation nebst den grossen Verdiensten wie der Freisetzung der Bibel für jeden Menschen und den Kampf für Glaubensfreiheit auch ihre Schattenseiten hat. Und sie ermutigt Freikirchler dazu, in der Reformation auch die eigenen Wurzeln zu entdecken.
McMillan schreibt denn auch zum Ziel ihrer Mitwirkung am Wort zum Sonntag: «Ich möchte christliche Werte neu erklären und sie mit den Geschichten, die das Leben schreibt, verbinden. In einer Zeit, die von Umwälzungen und Unsicherheiten geprägt ist, möchte ich zu einem Klima der Hoffnung und des gegenseitigen Verstehens beitragen.»
Zur Person:
Catherine McMillan wurde 1961 in Schottland geboren und wuchs in den USA auf. Sie studierte in Montpellier, Strassburg, Heidelberg, Tübingen und Richmond Theologie. Nach zehn Jahren als Pfarrerin im Bezirk Konstanz in Deutschland zog sie 2003 in die Schweiz und übernahm eine Landpfarrstelle in Brunnadern SG. Nun ist sie Pfarrerin der reformierten Kirchgemeinde Dübendorf ZH und Reformationsbotschafterin der Zürcher Landeskirche.
Zur Webseite:
Das Wort zum Sonntag
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Datum: 07.11.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet