Im Blues zeigt sich die ganze Gefühlspalette
«Sport und Musik faszinierten mich gleichermassen», blickt Richard Koechli zurück. Als Jugendlicher betrieb er Leichtathletik. «Das war eine sehr gute Lebensschule», sagt er. «Im Langstreckenlauf lernst du, Leiden und Schmerzen auszuhalten, vor allem im Wettkampf gehst du bis an oder gar über deine Grenzen hinaus.»
Damals reichte es Koechli nicht ganz, um den Sport zum Beruf zu machen. Deshalb setzte er fortan auf seine zweite Leidenschaft, die Musik. Schon mit acht Jahren hatte er Gitarrenunterricht genommen. Seinen Lebensunterhalt verdiente Koechli zunächst als kaufmännischer Angestellter und übte nebenbei Gitarre wie ein Besessener. Seine Wohnung in Luzern wurde zum vielbesuchten Treffpunkt für Musikschaffende. Er holte sich Tipps im Musikgeschäft Soundhouse und nahm Theorieunterricht im Regenbogenhaus, wo damals die Jazzschule zuhause war. «Ich habe dort sehr viel gelernt, doch mit der Zeit wurde es mir zu kompliziert», gesteht der Musiker. «Ich bin eher Autodidakt, wollte Blues, Folk und Rock spielen.»
Vorbilder
Sportliches Vorbild war für Richard Koechli sein Vater, die Mutter hat ihm ihre Musikalität vererbt – und als Elsässerin auch Französisch als zweite Muttersprache. Daher fiel es Richard Koechli später nicht schwer, seinen Zweitwohnsitz nach Frankreich zu verlegen, als er Evelyne kennenlernte. Seit dreissig Jahren ist er mit der Sportlehrerin zusammen, die ihn auch als Managerin unterstützt. Koechlis Auftritte finden mehrheitlich in der Schweiz statt, wo er in Egolzwil lebt.
Anfänglich, in den 1980er-Jahren, hatte er vor allem im Studio getüftelt und zeitweise psychedelische Musik zwischen Folkrock und Blues komponiert. 1990 wagte er den Schritt, seinen Brotjob aufzugeben und ganz auf die Musik zu setzen. Ab dann nahm Koechli jede Gelegenheit wahr, um auf der Bühne zu spielen. «Ich hatte grosses Lampenfieber – aber da muss man durch, wenn man Profi werden will», verrät der Musiker.
Sinnsuche
«Ich bin katholisch erzogen worden, aber nicht besonders streng», antwortet Koechli auf den Glauben angesprochen. Rückwirkend hätte er sich sogar mehr religiöse Inputs gewünscht. Als Teenager war er froh, dem Zeitgeist folgen zu können. Auf der Suche nach seinem Glück befasste er sich auch mit Esoterik, wurde allerdings nicht warm damit. «Die Vorstellung, mich durch okkulte Praktiken quasi selbst steuern zu können, machte mir Angst», gesteht er. «Ich spürte zwar, dass solche feinstofflichen, geistigen Techniken funktionieren, aber ich ahnte, dass ich dadurch meine Demut verlieren würde, mein Menschsein, und dass ich mich so von Gott entfernte.» Richard Koechli nahm wahr, dass er dem ewigen Kampf «Gut gegen Böse» ausgeliefert war. Jahrelang quälte ihn ein Traum: «Ich begegnete einer sehr finsteren Macht, die ich auch körperlich spürte.» Erst 2012 sollte dieser Traum aus seinem Leben verschwinden – nach Erlebnissen der anderen Art.
Erfolg
Die ersten zehn Jahre gab Richard Koechli privat und an zwei Musikschulen Gitarrenunterricht. Dann konzentrierte er sich auf Konzerte und die Produktion von Musikalben, Filmmusik und anderem. 2013 gewann der talentierte Musiker den Swiss Blues Award und nahm im Folgejahr den Schweizer Filmpreis entgegen für die Filmmusik zu «Der Goalie bin ig» – eine Co-Produktion mit Peter von Siebenthal. An der Preisverleihung schwang Koechli keine grosse Rede ... nein, er sang seine Laudatio! Für die Zuhörer ein gelungener Gag, für ihn eine wunderbare Möglichkeit, nicht ins Stottern zu geraten. Diese Sprachbehinderung hat ihn zeitlebens begleitet, einzig beim Singen ist er frei davon. «Als Jugendlicher war es demütigend ... und zugleich ein Hinweis, auch meine verletzliche Seite zu zeigen», bekennt der Musiker. Er bekräftigt: «Ohne das Stottern hätte ich wohl nicht zur Musik und zum Singen gefunden.»
Jesus Christus
Auch als Autor hat Richard Erfolg, produzierte im Laufe der Jahre mehrere Lehrmittel, das erste, «Slide Guitar Styles», 1997. Ende 2021 erschien sein Buch «Holy Blues» inklusive Musikalbum. «Es ist vielleicht mein wichtigstes Werk», erklärt Koechli. «Ich beschreibe darin den immensen Einfluss des christlichen Glaubens auf die jahrhundertealte Geschichte unserer westlichen Musik.» Diese musikhistorischen Zusammenhänge würden oft vergessen oder ignoriert. «Ohne Jesus Christus gäbe es diesen musikalischen Reichtum von Blues, Jazz, Soul, Folk, Rock, Pop und sogar HipHop heute nicht. Das Feuer dieser Musikstile wurde nachweislich vom christlichen Glauben geprägt», weiss Koechli. Seine CD zum Buch schaffte es auf Platz 9 in den Schweizer Charts.
Absturz
So erfolgreich Richard Koechli als Musiker, Lehrer und Autor auch war und ist, lange Zeit fühlte er sich vom eigenen Erfolg unter Druck gesetzt. Seltsame Schmerzen am ganzen Körper, Panikattacken und Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken quälten ihn immer mehr. «Es war die totale Verzweiflung! Ich hatte mir zu viel aufgeladen, nur noch meinen Erfolg im Blick und Gott aus den Augen verloren», gesteht der feinfühlige Musiker. Ein Absturz war vorprogrammiert. «Ich musste erkennen, dass ich ohne Gottes Gnade und Kraft hilflos bin.» Richard Koechli probierte alles Mögliche aus, um Erleichterung zu finden und nahm auch professionelle Hilfe in Anspruch. Evelyne und weitere Menschen begleiteten ihn in dieser schweren Zeit liebevoll.
Zuspruch
2012 folgte die Wende. «Am Tiefpunkt meines Lebens vernahm ich in meinem Inneren die Stimme von Jesus Christus», erzählt Richard Koechli. «Er sagte: 'All diese Pillen und Wundermittel helfen dir nicht, alles was du brauchst, bin ich – folge mir nach, und alles wird gut.'» Nach weiteren Schlüsselerlebnissen blieb Koechli eines Tages beim Zappen zufällig in einem katholischen TV-Gottesdienst hängen. Minuten später verliess ihn die tonnenschwere Wolke der Depression für eine Weile. Erstaunt fragte er sich: «Was geht hier vor? Kann es sein, dass Gottes Sohn in wenigen Sekunden schafft, was alle anderen nicht hinkriegen?» Er erkannte, dass sich der Weg zur Heilung für ihn auftat. Heute sagt er: «Ich bin überzeugt, dass Jesus Christus mir in jenem Jahr das Leben rettete und nun schrittweise einen neuen Menschen aus mir formt.»
Neuanfang
Seither lebt Richard Koechli bewusst mit Jesus und fühlt sich wie neu geboren. «Da ist eine Richtung, eine Fülle, ein endlich ausgefüllter Platz in der Seele, der vorher leer war. Das Leben ist dadurch nicht zum Kinderspiel geworden, keineswegs! Doch mich erfüllt ein unumstössliches Grundvertrauen.» Koechli sieht Vergebung und Gnade als «grosses Geschenk Gottes, das dem Leben Sinn gibt». Es versteht dies als eine Art Vorahnung auf «die grosse Begegnung zwischen Gott und allen Menschen, die einst stattfinden wird». Zuvor wolle er aber noch vielen Menschen davon erzählen und sie mit seiner Musik erfreuen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Hope Luzern.
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