In einer WG mit Jesus und Luther
«Hi, ich bin Jesus. Ich wohn' jetzt hier.» Mit diesen Worten klingelt eines Tages Gottes Sohn höchst selbst am Pastorat von Jonas. Im Schlepptau hat Jesus den bekanntesten aller Reformatoren: Martin Luther. Gemeinsam wollen die beiden Rückkehrer aus dem Himmel mit Jonas und dessen Freundin eine WG bilden. Mit dieser unerwarteten Konstellation beginnt das Buch «Jesus, die Milch ist alle» von Pastor Jonas Goebel.
Was wie der Anfang eines sehr schlechten Drehbuchs klingt, entwickelt sich von der ersten Seite an zu einer extrem unterhaltsamen und lehrreichen Geschichte. Da ist Luther, der zurück auf die Erde gekommen ist, weil es einer «vernünftigen» und zeitgemässen Bibelübersetzung bedürfe. Eine gewaltige Mitschuld an seiner Rückkehr schiebt er der Kirche zu. Er kritisiert die aktuellen Bibelübersetzungen, die seiner 500 Jahre alten Übersetzung maximal nahekommen wollen, anstatt eine moderne Sprache zu finden. Generell bemängelt Luther, dass die Kirche ihn missverstanden habe. Anstatt seinen Prinzipien zu folgen, halte die Kirche an dem fest, was er gemacht hat. Und Luther legt sich erneut mit dem Papst an. Diesmal jedoch per Mail und mit einem anderen Ausgang.
Ein neues Evangelium
Jesus hat im Gegensatz zu Luther einen direkten Auftrag Gottes: Er soll ein neues Evangelium schreiben – mit einer Schwierigkeit. Weder im Evangelium, noch in seinem Wirken auf Erden dürfen Wunder vorkommen. Für Jesus selbst ist das kein Problem, dafür aber umso mehr für seine neuen WG-Bewohner. Die sehnen sich nach einem göttlichen Wunder – ob im Haushalt oder auf der Flucht vor einer Elchkuh im Schwedenurlaub.
Schwierigkeiten hat Jesus vielmehr mit dem Schreiben. Diesmal ist er ja schliesslich selbst der Autor. Die Themen für das neue Evangelium entdeckt Jesus im Alltag des 21. Jahrhunderts: Mindestlohn, Rassismus, digitale Kirche und Klimawandel. Letzterem liege ein Mangel an Nächstenliebe zu Grunde, erklärt Jesus – eine Schlussfolgerung, die Luther übrigens nicht teilt. Er fordert mehr Nähe zum biblischen Text. Als Jesus darauf nicht eingeht, verfasst Luther, wie sollte es anders sein «42 Thesen wider den Klimawandel».
Ganz Mensch und ganz Gott
Nicht nur diese gesellschaftlichen Themen, sondern Jesus selbst sorgt dafür, dass er im Buch nicht wie ein abgedrehter Freak auftritt, der mit einer Zeitmaschine ins 21. Jahrhundert gereist ist. Dem Autor gelingt es, Jesus ganz als Mensch und ganz als Gott darzustellen. Gottes Sohn kann, sehr zum Leidwesen der anderen Protagonisten, Gedanken lesen und kennt die Antworten auf alle Fragen – auch wenn er diese nicht immer verrät. Aber Jesus ist eben auch ganz Mensch. Obwohl er von mancher technischen Neuerung überfordert ist, weiss er, was die Menschen im 21. Jahrhundert beschäftigt oder herausfordert. Schliesslich ist er ja selbst Betroffener. Er hat keine Lust auf Abwasch, wünscht sich mehr Follower auf Instagram und weint bei einer Doku über das Leid der Flüchtlinge. Jesus ist Gott und hat vielleicht gerade deswegen ganz viel Menschliches an sich.
Und Jesus kommt mit jedem Schlag Mensch zurecht – sogar mit Luther. Auch wenn dieser schneller Bibelzitate inklusive der dazugehörigen Stellen ausagen kann. Jesus ist der Held in der Seniorenrunde, kommt auch mit betrunkenen Jugendlichen und Punks zu recht. Jesus versteht jeden in jeder Situation – weil er nicht weltfremd ist.
So sehr «Jesus, die Milch ist alle» eine Utopie aufzeigt – das Buch trifft auch einen wahren Kern. Jesus ist in der Realität nicht mehr auf Erden und doch nah. Jesus ist ewig und weiss doch, was aktuell ist. Goebel zeigt in seinem Buch auf, dass das Evangelium zu jedem Thema etwas zu sagen hat. Sei es über Gottvertrauen oder zum Klimawandel. Im Buch werden viele theologische Fragen gestellt – und manche überraschende Antworten gegeben.
Jonas Goebel ist Pastor der Auferstehungskirchengemeinde Hamburg-Lohbrügge. Er hat schon mehrfach mit aussergewöhnlichen Ideen für Aufsehen gesorgt. Bereits zweimal hat er auf der Plattform ebay ein Predigtthema für mehrere Hundert Euro versteigert.
Zum Buch:
«Jesus, die Milch ist alle»
Zum Originalartikel auf PRO.
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Datum: 21.02.2021
Autor: Martin Schlorke
Quelle: PRO Medienmagazin