Lebensberater Daniel Linder

«Gefühle sind Gradmesser»

Gefühle und unsere Reaktionen darauf haben einen doppelten «Nutzen», sagt der Berater Daniel Linder. Jeder Mensch er- und durchlebt die gleichen Gefühle unterschiedlich – und ist für die Konsequenzen selbst verantwortlich.
Daniel Linder
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Livenet: Daniel Linder, lassen sich unsere Gefühle kontrollieren?
Daniel Linder: Ja und Nein! Sie ergeben sich aus der Situation heraus. Ein Film ergreift uns, ein Krimi lässt uns nicht mehr los, ein Mensch fasziniert oder stösst uns ab. Aufgrund unseres freien Willens können wir jedoch Einfluss auf unsere Gefühle nehmen, ihnen Richtung geben. Wir haben eine Wahl, ob und wie wir auf äussere Reize reagieren. Sonst geschieht deren Verarbeitung unbewusst:Durch Träume – wenn die Seele Nachtschicht macht – oder psychosomatisch – wenn der Körper krank wird und die Seele ins Sichtbare übersetzt.

Sind unsere Gefühle in uns angelegt?
Gedanken und Gefühle sind zusammen mit dem freien Willen als Teil unserer Seele verortet. Sie sind Grundbausteine des Lebens. «Dank seiner Sensibilität baut sich ein Kind ein taktiles Lexikon auf, lange bevor es gehen oder sprechen kann. Es begreift, dass ein Stift spitz ist, verschiedene Farben haben kann und nicht gut schmeckt. Dass eine Erdbeere sich rau anfühlt, schön rot ist und richtig süss. Oder dass sein Kuscheltier weich ist, nach Heimat duftet und ganz ruhig macht. Sämtliche Sinne haben sich verknüpft und zu einer Emotion im Gehirn verbunden, die immer wieder abgerufen werden kann.» (Quelle NZZ a.S.)

Was ist ein guter Umgang mit unseren Gefühlen?
Jeder Mensch er- und durchlebt die gleichen Gefühle unterschiedlich. Daher gibt es keine allgemein gültige Antwort. Entscheidend bleibt, dass wir uns der Verantwortung für unsere Reaktionen bewusst sind. Wie reagieren wir auf das Gefühl der Überforderung und weshalb? Mit Aggression und Resignation oder Offenheit und Akzeptanz? Oder auf Fremdversagen? Mit Ärger, Blossstellung und Verachtung oder grossherzig und dem Gewähren einer zweiten Chance? Gefühle bzw. Gefühlsreaktionen haben also immer einen doppelten «Nutzen»: Sie sind Gradmesser, zeigen an, wo wir im Moment selber stehen und führen uns in die Eigenverantwortung.

Wie kann ich meine Gefühle einordnen?
Die wichtigste Bezugsperson, um Gefühle aufzunehmen und einzuordnen, sind wir selber! Denn so, wie wir mit uns umgehen, so werden wir das auch mit unseren Mitmenschen tun. Ohne wirkliche Selbstliebe, keine wahre Nächstenliebe! Wir dürfen ein Leben lang lernen, immer liebevoller mit uns selber umzugehen, unsere Gefühle als gegeben aufzunehmen und daraus Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen. Dafür können Gott und uns nahestehende Bezugspersonen gute Unterstützer sein, indem sie uns spiegeln, hinterfragen, ermahnen oder ermutigen. Sie sind aber niemals Ersatz für selbstverantwortliches Handeln.

Daniel Linder (53) ist Lebensberater und Resilienz-Coach bei der Stiftung Casa Immanuel. Er ist Autor des Buches «Nemo - voll versöhnt» (Verlag: vermonda.ch) Er lebt und arbeitet in Zumikon ZH.

Dieser Artikel stammt aus dem Jesus.ch-Print Nr. 43 zum Thema «Gefühle». Hier können Sie die neue Ausgabe bestellen oder herunterladen und verteilen.

Zum Thema:
Serie «Heiliger Geist»: Selbstbeherrschung – den Gefühlen widersprechen
In Stürmen positiv bleiben: Tipps für ein zufriedenes Leben
I got a feeling...: Den Gefühlen machtlos ausgeliefert?

Datum: 26.08.2017
Autor: Manuela Herzog
Quelle: jesus.ch-Print

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