Trotzdem wertvoll

«Resilienz ist eine Reise zu sich selbst»

Mit seinen Kunden macht er Überlebenstrainings in der Wildnis. Jetzt verrät der Coach und Autor Marcel Hager, was es braucht, um sich nach Niederlagen wieder aufzurappeln.
Marcel Hager (Bild: Stephan Lehmann-Maldonado)

Marcel Hager, welche Schlappe haben Sie zuletzt eingesteckt?
Von aussen sieht es so aus, als würde es in meinem Leben aufwärts gehen. Ich erlebe jedoch innere Krisen – immer wieder. Zum Beispiel plagten mich Existenzängste, als ich den Schritt in die Selbstständigkeit wagte.

Wie finden Sie aus Krisen heraus?
Die Ermutigung meiner Frau hilft mir. Und ich verbringe viele Stunden allein im Wald oder beim Joggen. Hier reflektiere ich Entscheidungen, tanke neue Energie und spreche mit Gott.

Der Titel eines Buchs, das Sie geschrieben haben, lautet: «Mann unrasiert – wild, echt und berufen». Sind Sie der Held, der sich durchkämpft, bis das Gute siegt?
Nein, ich bin nicht «tough» und abgebrüht. Der Buchtitel ist überspitzt formuliert. Er soll betonen, dass wir «ungeschminkt» sein sollen. Als Mann muss ich nicht stark sein, aber echt. Ich will ehrlich zu mir und meinem Umfeld sein.

Wie definieren Sie Erfolg?
Erfolg heisst, ein Ja zu meiner Persönlichkeit zu finden. Meine Stärken und Schwächen zu bejahen, entspannt. Leider definieren wir Erfolg meist über unsere Taten. Tritt jemand auf der Karriereleiter zurück, taxieren wir das als Misserfolg. Dahinter steckt die Lüge: Ich bin nur wertvoll, wenn ich erfolgreich bin. Doch mit steigendem Einfluss werden unsere Beziehungen nicht besser, sondern oberflächlicher. Sobald Verantwortungsträger ihre Rolle verlieren, brechen viele Beziehungen weg.

Einst entdeckte ein Forscher Penizillin, weil er aus Versehen seine Bakterienkultur verschimmeln liess. Können auch wir Pannen Gutes abgewinnen?
Ja, wenn wir bereit sind, genau hinzugucken und uns zu hinterfragen. Durch Niederlagen können wir wichtige Dinge lernen. In diesem Sinn steht in der Bibel: «Alle Dinge dienen denen zum Besten, die Gott lieben...».

Die Widerstandskraft, Resilienz genannt, ist in der Wirtschaftswelt ein Zauberwort. Kann man sie trainieren?
Dazu kursieren unzählige Ratschläge. Viele denken, man könne seine Resilienz durch ein Mentaltraining verbessern. Aber es ist ein Irrtum, zu glauben, dass die Widerstandsfähigkeit wächst, wenn man auf Druck mit Gegendruck reagiert. Denn steigt der Druck an, folgt irgendwann die Erschöpfung. Resilienz erfordert nicht mehr Kraft, sondern die Fähigkeit zur Reflexion. Letztlich hat sie wenig mit der Arbeit, aber viel mit Erwartungen und Beziehungen zu tun. Was erwarte ich von mir und was erwarten die anderen? Stress resultiert aus falschen Erwartungen, aus Beziehungskonflikten. Ich muss etwas erledigen, das nicht meinen Ressourcen entspricht. Habe ich den Mut, einem Chef gegenüber «nein» zu sagen? Dazu ist der Dialog mit mir selbst wichtig – und jener mit meinem Umfeld.

Und gelingt der Dialog nicht, droht das Burn-out?
Wenn ich mich abrackere, um immer allen subjektiv empfundenen Erwartungen gerecht zu werden, kann das zu Symptomen führen: Angstzustände, Schlaflosigkeit, Wut, Krankheit – bis hin zum Burn-out. Viele Menschen bekommen Bauchweh oder Migräne, wenn sie unter Druck geraten. Es ist dann einfacher, die Krankheit als Ausrede vorzuschieben, um kürzerzutreten, als das Problem bei der Wurzel zu packen. Letzteres würde bedeuten, sich von der Opferrolle zu befreien, seinen Ängsten auf die Spur zu kommen – und Konflikte zu klären. Resilienz ist eine Entdeckungsreise zu sich selbst.

Was sagen Sie einer Person, die aufgrund eines Schicksalsschlags am Boden ist?
Wenn ein Mensch an einem Tiefpunkt angelangt ist, braucht er es umso mehr, dass man ihn wertschätzt, ihm Respekt zollt und Liebe zuspricht.

«All you need is love»?
Ja. Wir Menschen sind für die Gemeinschaft geschaffen. Und so unterschiedliche Aufgaben wir erfüllen, wir sind genau gleich viel wert.

Als gläubiger Mensch haben Sie leicht reden!?
Auch wer nicht an Gott glaubt, kann ein Ja zu seiner Persönlichkeit entwickeln. Er muss nicht Höchstleistungen erbringen, um von aussen zu hören, wer er ist. Ein Misserfolg, bei dem ich bei mir bleibe, ist ein Erfolg.

Zur Person: Marcel Hager machte sich mit 30 Jahren als Coach selbstständig, gründete die Männerbewegung «4M Schweiz» und übernahm kürzlich Coachingplus GmbH. Die Firma bietet einen Studiengang für angewandtes Coaching an. Hager ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Pfingstausgabe von «viertelstunde für den glauben».

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Datum: 06.06.2021
Autor: Stephan Lehmann-Maldonado
Quelle: Viertelstunde für den Glauben

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