«Und Jesus warf keinen Stein …»
Michael
Merkt, Sie organisieren ein Tagesseminar zum Thema Scheidung. Was hat Sie dazu
bewogen, dieses Seminar anzubieten?
Michael Merkt: In meiner pastoralen Tätigkeit habe ich schon oft erlebt und
beobachtet, dass betroffene Christen nicht nur den Druck der eigenen
Scheidungssituation aushalten müssen, sondern von Glaubensgeschwistern oft noch
belastet und mit gut gemeinten Ratschlägen verletzt werden.
Wie erleben Sie den
Umgang mit Scheidungen in den Gemeinden? Und wie handhaben Sie es als Pastor
des Gospel Center Brugg?
Unsere erste Priorität ist die Pflege der bestehenden Ehen, selbst wenn
dies für Betroffene heisst, dass sie durch eine schwierige Zeit gehen müssen.
In den Fällen, wo es dennoch zu einer Scheidung kommt, stehen wir unterstützend
und begleitend zur Seite. Die Fronten sind in solchen Fällen oft so verhärtet,
dass alles Reden nichts mehr bringt. Jede Scheidungssituation ist anders. Es
gibt Personen, die von heute auf morgen verlassen wurden und gar keine Chance
mehr zur Beziehungsarbeit bekommen haben. Wir konzentrieren uns nicht auf die
Schuldfrage, sondern auf die Verarbeitung der aktuellen Situation. Ich denke,
dass viele Gemeinden das ähnlich handhaben. Anders sieht es bei der Frage der
Wiederheirat aus. Hier gibt es innerhalb der Kirche bekanntlich zwei Lager,
auch in meinem Kollegenkreis. Ich befürworte die Wiederheirat von geschiedenen
Christen unter Auflage einer entsprechend sorgfältigen Aufarbeitung und
Ehevorbereitung.
Richtet sich das
Seminar nur an Geschiedene oder auch an Menschen, die massive Eheprobleme
haben, aber noch nicht geschieden sind?
Das Seminar richtet sich an Personen, die eine Scheidung oder eine
andere Art des Scheiterns erlebt haben. Ehepaare, die über Scheidung
nachdenken, sind nicht unser Zielpublikum. Ich würde nie jemandem zu einer
Scheidung raten, sondern ihnen Unterstützung zur Wiederherstellung und Heilung
der Beziehung zusagen.
Was sagt die Bibel Ihrer
Meinung nach zur Frage der Wiederheirat?
Ich bin überzeugt,
dass Wiederheirat aus biblischer Sicht möglich ist. Zum einen sehe ich, dass
die Aussagen Jesu und Paulus im Zusammenhang mit der damaligen Scheidungspraxis
gesehen werden müssen und zum anderen spricht das, was Jesus am Kreuz für uns
getan hat, eine eigene Sprache: Er nahm all unser Versagen und unsere Schuld
auf sich, und wir haben seine Gerechtigkeit geschenkt bekommen. Er ist ein Gott
der Neuanfänge. Bin ich jemand, der eine billige Gnade propagiert? Nein,
überhaupt nicht. Aber wozu bräuchte der Mensch Gnade und Barmherzigkeit, wenn
nicht dort, wo er versagt hat oder Opfer einer fremden Sünde geworden ist? Als die Pharisäer die Ehebrecherin zu Jesus
brachten, sagte er: «Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten
Stein.» Jesus war dort der einzige ohne Sünde. Und er warf keinen Stein.
Was ist Ihr Wunsch
für die Tagung?
Im Neuen Testament heisst es, dass das Gesetz durch Moses gegeben
wurde, die Gnade aber und die Wahrheit sind durch Jesus Christus geworden. Mein persönlicher Wunsch ist es, dass neben
den praktischen Impulsen des Anlasses jeder Teilnehmer mit dieser Gnade und
Wahrheit eine ganz persönliche Begegnung haben wird.
Zur Tagung
Die Tagung vom 18. Mai 2019 im Gospel Center Brugg wird von Gospel
Center Brugg, lieben-scheitern-leben, Step by Step und Vineyard Bern durchgeführt.
Referenten sind Daniel Hubacher,
IT-Fachmann, Mentor, Kursleiter und Michael
Merkt, Pastor Gospel Center Brugg und Lehrer an der berufsbegleitenden
Bibelschule Gospel Training Center. Infos & Anmeldung hier.
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Datum: 02.05.2019
Autor: Meike Ditthardt
Quelle: Livenet