Oster-Zeitung für 14 Regionen

«Wir können im Leben nicht alles im Griff haben!»

Als Rettungssanitäter ist Peter Lempen (55) mit belastenden Situationen vertraut. Der Berner Oberländer staunt, wie Menschen Extremsituationen meistern können. Gleichzeitig ist er sich stets der Abhängigkeit von Gott bewusst.
Peter Lempen (Bild: zVg)
Peter Lempen
Regionalausgaben der Jesus.ch-Print Nr. 56 zu Ostern

Seit 1986 arbeitet Peter Lempen aus St. Stephan in der Helikopterbranche – zu Beginn als Flughelfer und Helikoptermechaniker, heute als Basenmechaniker und Rettungssanitäter bei der Rega. Auf seinen Einsätzen trifft er herausfordernde Situationen an. Oft wird er gefragt, wie er die schlimmen Erlebnisse verarbeiten könne. «Von Natur aus kann ich gut mit belastenden Situationen umgehen. Das ist ein Geschenk, das Gott in mich hineingelegt hat.» Trotzdem kam auch er schon an seine Grenzen und durchlebte Belastungen, in denen sich sein Glaube bewähren musste.

«Ich rannte um mein Leben»

Anfang der 1990er-Jahre, bei einem früheren Arbeitgeber, sah sich Peter als Helfer am Boden einmal grosser Lebensgefahr ausgesetzt. Mit einem Helikopter sollte Holz transportiert werden. Peter befestigte die Baumstämme zum Rausfliegen. Beim Emporheben aus dem Wald touchierte ein Ast die mechanische Sicherung der Holzerklinke, wodurch die Baumstämme gelöst wurden. «Plötzlich sah ich, wie die Stämme herunterfielen und rannte um mein Leben den Berg hinab.» Hinter ihm krachte das Holz zu Boden und der Lärm verriet, dass ihm die schweren Baumstämme nachrollten. «Ich rannte und rannte, bis es hinter mir still wurde.»

Jahre später, während einer Ausbildung über Stress, staunte Peter Lempen erneut, wie der Mensch geschaffen wurde, um mit derartigen Situationen umzugehen. «Etwas anderes als Flucht ist in solchen Momenten kein Thema mehr. Mein Hirn blendete, abgesehen von der Gefahrenquelle, jegliche Geräusche aus – selbst das unaufhörliche Rufen des Piloten nahm ich nicht wahr.» Das sei ein typisches Merkmal in grossen Stresssituationen: Die menschlichen Sinne konzentrieren sich allein auf die Gefahr und alle Kräfte bündeln sich, um dieser zu entkommen.

Nicht alle können gleich gut mit Stress umgehen

Nach seiner Berufslehre zum Automechaniker, der Rekrutenschule und einer kurzen Zeit im Lawinendienst, fand Peter eine Anstellung als Flughelfer bei einer Helikopterfirma. In dieser Funktion nahm er bereits als 21-Jähriger bei Rettungseinsätzen für die Rega teil. 1991 absolvierte er die Ausbildung zum Helikoptermechaniker und hängte einige Jahre später den Rettungssanitäter an. «So wuchs ich in meine Aufgabe hinein. Menschen, die eine verantwortungsvolle Arbeit übernehmen und merken, dass sie der Belastung nicht gewachsen sind, sollten das ernstnehmen.»

Peter Lempen selbst kennt Stresssituationen gut: «Der Stresspegel steigt, wenn bei Unfällen Kinder involviert sind.» Der Familienvater erinnert sich an den Tag, als ein Kind von einer erwachsenen Person mutwillig verletzt wurde. Die Situation war derart eskaliert, dass neben Polizei und Ambulanz auch der Rettungshelikopter angefordert werden musste. Peter und seine Rega-Crew waren froh, an diesem Tag keinen weiteren Einsatz mehr fliegen zu müssen.

Verschiedene Arten von Stress

Nicht nur als Rettungssanitäter, bereits als Helikoptermechaniker war Peter oft Druck ausgesetzt. «Verantwortlich zu sein, dass der Helikopter technisch in einwandfreiem Zustand ist, das konnte in einzelnen Situationen Stress hervorrufen. Besonders zermürbend und kräftezehrend kann es sein, wenn sich eine Stress-Situation über längere Zeit hinwegzieht. «Beim Holzfliegen erlebte ich vor etlichen Jahren einen tödlichen Unfall. Ich war als Helikoptermechaniker für die Wartung des Materials verantwortlich.»

Über längere Zeit quälte ihn der Gedanke, am tragischen Tod vielleicht mitverantwortlich zu sein. «An der Beerdigung den Angehörigen bekennen zu müssen, nicht zu wissen, ob ich die Schuld am Unfall trug, war schrecklich. Das ist Stress pur. Nachts schreckte ich auf und glaubte, meine blutverschmierten Hände zu sehen und manchmal kam ich mir vor wie ein Mörder.» Erst als nach einem Jahr die Untersuchung des Unfalls abgeschlossen war und Peters Unschuld feststand, liess die Belastung nach. «In dieser Zeit durfte ich neu erfahren, wie wertvoll ein Freund an der Seite ist, mit dem ich über alles sprechen konnte. Er half mir in 'dunklen Stunden', den Glauben an Gott zu bewahren.»

Nicht alles im Griff

Die technische Verantwortung für einen Rettungshelikopter mitzutragen oder an der Unfallstelle alles Menschenmögliche zu tun, um das Leben eines Menschen zu retten – das gehört zum täglichen Leben von Peter. «So sehr wir uns bemühen, wir kommen immer wieder in Situationen, die wir nicht im Griff haben – und vielleicht auch nicht im Griff haben können.» Solche Momente kennt Peter Lempe zur Genüge: «Es hilft sehr, die Lasten bei Gott abzugeben. Das schenkt die nötige Ruhe und Entspannung, die wir zum Leben brauchen. Auch wenn wir Menschen vieles nicht unter Kontrolle haben, Gott entgleitet nichts. Deshalb lohnt es sich, immer in gutem Kontakt mit diesem Gott zu stehen!»

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Datum: 11.03.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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