Wegen hohem Suchtpotenzial

Fortnite-Entwickler angeklagt

Wegen des Suchtpotenzials von «Fortnite» müssen sich die Produzenten dieses Videospiels in Kanada vor Gericht verantworten. idea sprach mit einem Medienpädagogen über dieses Gewaltspiel mit weltweit 250 Millionen registrierten Spielern.
Kinder kommen vom Spiel Fortnite kaum mehr weg.
Nathanael Trüb

Der kanadische Rechtsanwalt Jean-Philippe Caron verglich das Suchtpotenzial des Videospiels Fortnite mit demjenigen von Kokain. Sein Anwaltsbüro gab am 3. Oktober 2019 bekannt, es habe im Namen der Eltern zweier süchtiger Minderjähriger Klage gegen die Produzenten eingereicht. Caron erklärte in einem Interview auf 985fm.ca: «Man hat entdeckt, dass das Spiel mit einem Team von Psychologen entwickelt wurde, mit Testpersonen, damit es die Anwender so süchtig wie möglich macht.»

Milliarden-Umsätze auch mit der ­Gratisversion

Bei Fortnite «Rette die Welt», der (noch) kostenpflichtigen Version des Spiels, kämpft man zusammen mit anderen ­Video-Spielern gegen Monster. Diese werden vom Computer gesteuert und tauchen auf, nachdem bei einem Sturm 98 Prozent der Weltbevölkerung verschwunden sind. In der kostenlosen «Battle Royal»-Version kämpft jeder Spieler gegen die Figur (Avatar) des anderen, menschlichen Mitspielers. Wer als letzter die Schiessereien überlebt, ist der Sieger.

Laut play3.de zählt Fortnite weltweit 250 Millionen registrierte Spieler. Mit dem Verkauf immer neuer virtueller Kostüme für die Avatare in der Gratisversion machen die Fortnite-Produzenten Milliardenumsätze. Die neue Fortnite-Version soll den Verkauf wieder ankurbeln. Wer keine Kostüme kauft, wird gemobbt. Ausserdem ermöglichen verschiedene Plattformen als Zuschauer dabei zu sein. Twitch.tv zum Beispiel verzeichnete seit 2018 bis zu 150 Millionen Zuschauerstunden pro Monat.

Virtuelles Morden macht süchtig

Zum Wesen des Videospiels Fortnite befragt, meinte der Ostschweizer Medienpädagoge Nathanael Trüb (43): «Ich finde es ethisch inakzeptabel, dass man alle anderen ermorden muss, um in einem Spiel zu gewinnen. Natürlich könnte man auch argumentieren, dass man mit diesem Spiel Teamfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit lernen könne. Dazu gibt es aber bessere Strategie- oder Adventure-Games.»

Dem Einwand, dass man in Fortnite die Toten nicht rumliegen sehe, entgegnet Trüb: «Das Töten wird so nicht 'real' nachempfunden und somit verharmlost. Mit ähnlichen Online-Games, wie zum Beispiel Browl Star, wird dieser Mechanismus noch weiter 'abstrahiert', damit man schon jüngere Altersgruppen damit prägt.» Der Kern sei bei diesen Spielen der gleiche.

Noch bedenklicher als den ethischen Aspekt findet Nathanael Trüb die Tatsache, dass solche Online-Games sehr stark süchtig machen können, da man quasi grenzenlos über das Internet weiterspielen kann. Im Team-Modus kann zudem ein gewisser Gruppendruck zur dauernden Verfügbarkeit entstehen.

Den Kampftrieb lenken

Nathanael Trüb setzt auf eine aufgeklärte und verantwortungsvolle Haltung gegenüber Videospielen. «Diese besteht darin, dass man ein Kind altersentsprechend instruiert und es somit das Game oder Gerät beherrscht, regiert, also nicht einfach nur noch reagiert.» Er denkt, dass es in der menschlichen Natur liege, zu kämpfen, sich behaupten und gewinnen zu wollen. «Man kann diese Grundemotionen auch in eine gute Richtung lenken, begleiten und steuern.» Herausforderndes sollte durch die Eltern im Dialog thematisiert werden. Sobald das Kind oder der Jugendliche gewisse Defizite im sozialen Umfeld oder bei der Anerkennung versuche zu kompensieren, werde es bei Online-Games heikel.

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Datum: 25.10.2019
Autor: David Gysel
Quelle: idea Schweiz

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