Neuer Seminarleiter Bienenberg

«Ein grosser Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung»

Lukas Amstutz übernahm im Mai die Leitung des Bildungszentrums Bienenberg von Frieder Boller. Im Interview erklärt er, warum der Bienenberg keine Bibelschule mehr ist, und warum auch christliche Gemeinden Konfliktberatung brauchen.
Lukas Amstutz
Lukas Amstutz

idea Spektrum: Lukas Amstutz, Sie haben die Leitung des Seminars in einer Zeit des Umbruchs übernommen. Der Bienenberg nennt sich nun «Bildungszentrum». Ist das der Abschied als theologisches Seminar?
Lukas Amstutz:
Ja, wir bieten keine Studiengänge auf Bachelor- oder Masterlevel mehr an. Die letzten Masterstudenten schliessen ihr Studium noch ab, dann sind die Programme ausgelaufen. Wir haben das nicht bewusst gesucht, und hätten gerne noch weitergemacht. Aufgrund von mangelnden Studentenzahlen mussten wir aber neue Wege suchen. Mit dem Bildungszentrum stellen wir die Ausbildung der Gesamtgemeinde wieder stärker ins Zentrum. Für uns ist das eine Art «Back to the Roots». Das war nämlich das Anliegen, als die Schule in den 1950er-Jahren gegründet wurde. Nun haben wir ein breites Bildungsangebot für die Gemeinde zusammengestellt. Wir bieten die Seminare hier an, aber auch extern in den Gemeinden.

Einer der vier Schwerpunkte ist «Compax», die Konfliktberatung. Haben Sie den Eindruck, dass in christlichen Gemeinden das Thema «Umgang mit Konflikten» etwas unterbelichtet ist?
Überall, wo Menschen mit Herzblut zusammenarbeiten, entstehen Konflikte. Auch in Gemeinden. Teilweise herrscht hier die seltsame Vorstellung, dass es im Glaubensleben so etwas wie Konflikte nicht geben darf. Dann fängt man an, die Dinge unter dem Deckel zu halten, was eben auf Dauer nicht geht. Es ist eine Verstrickung von Persönlichkeit und der Unfähigkeit, Konflikte in ein geistliches Leben zu integrieren. Unsere Friedenstradition sagt: Das Evangelium stiftet Frieden. Friede nicht nur im Sinn von «Abwesenheit von Krieg», sondern im Sinn von guten Beziehungen. In einem Miteinander müssen auch Meinungsverschiedenheiten Platz haben. Gemeinden und Institutionen im Umgang mit solchen Spannungen, die zum Menschsein einfach dazugehören, zu helfen, ist für uns ein grosses Anliegen.

Spielen zwischenmenschliche Spannungen hier eine grössere Rolle als theologische Differenzen?
Natürlich entzünden sich an theologischen und ethischen Themen oft Konflikte. Wenn man aber tiefer gräbt, stellt man häufig fest, dass auch menschliche Komponenten eine grosse Rolle spielen.

Wie gehen Sie an solche Konflikte heran?
Das ist sehr individuell. In Konfliktsituationen liegen häufig Vertrauensstörungen vor. Daher ist es eine ganz zentrale Aufgabe, einen vertrauensvollen Raum zu schaffen, in dem Menschen offen äussern können, wo ihnen der Schuh drückt. Es geht darum, gegenseitiges Verstehen zu lernen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Und ganz wichtig: miteinander und nicht übereinander reden. Es sind zum Teil sehr lange Wege, die man da gehen muss.

Im Evangelium geht es um Vergebung und Versöhnung. Sollten Christen nicht besonders gut sein im Lösen von Konflikten?
Sich einem Konflikt zu stellen, konfrontiert uns mit Scheitern. Dies einzugestehen, fällt Menschen und auch Christen sehr schwer. Es gibt zudem einen grossen Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung. Unter Versöhnung verstehe ich den Moment, ab dem man einander wieder in die Augen schaut und miteinander unterwegs sein kann. Vergebung kann dagegen einseitig zugesprochen werden. Ich vergebe, indem ich meine Wut, meine Enttäuschung und meinen Rechtsanspruch loslasse. Das heisst aber noch nicht, dass es zu einer Versöhnung kommt. Dazu braucht es einen zweiten Schritt. Unsere Beobachtung ist, dass viele Menschen im christlichen Kontext sehr schnell zur Versöhnung kommen wollen. Man sagt: «Es ist wieder gut! Es ist vergeben und versöhnt.» Häufig ist das aber noch nicht so.

Kommen Gemeinden mit ihren Konflikten auf Sie zu?
Ja, das hat natürlich mit Vertrauen zu tun, aber es ist ein grosses Bedürfnis dafür da.

Der Leiter des Bildungszentrums Bienenberg, Lukas Amstutz, ist 44-jährig und wohnt in Läufelfingen BL. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach dem Handelsdiplom absolvierte Amstutz ein Studium am Theologischen Seminar Bienenberg. Er war Jugendsekretär der Mennoniten in der Schweiz, Pastor in Zweibrücken (D) und lehrt seit 2005 Friedenstheologie auf dem Bienenberg. Im Mai 2017 übernahm er die Leitung des Bildungszentrums von Frieder Boller, der in Pension ging.

Das komplette Interview lesen Sie im aktuellen ideaSpektrum.

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Datum: 08.09.2017
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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