Ist christlicher Pazifismus naiv?
Der Pazifismus hat es nicht leicht. Angesichts täglich neuer Gräuel-Meldungen vorwiegend aus dem Irak, Syrien und Nigeria unterstützen auch Christen Waffenlieferungen oder ein militärisches Eingreifen.
Das Theologische Seminar Bienenberg hat nun – in mennonitisch-pazifistischer Tradition – ein Thesenpapier verfasst, in dem festgehalten wird, «warum pazifistische Überzeugungen auch in dieser Situation nicht hinfällig geworden sind», wie Dozent Lukas Amstutz erklärt. «Wir waren uns sehr wohl bewusst, dass wir nicht auf alles eine befriedigende Antwort geben können, aber dies gilt ja auch für militärische Interventionen», hält Amstutz fest.
Tagung erklärt und vertieft
Für den 14. Februar lädt das Theologische Seminar zu einer Tagung ein, an der diese «Bienenberg-Stellungnahme» vertieft und erläutert werden soll. «Eine anregende Mischung aus theologischer Reflexion und reflektierter Praxis», verspricht Amstutz für die Tagung. Rund um die brennende Frage «Dem Bösen widerstehen – was kann man tun?», soll in Impulsvorträgen und Diskussionen und anhand von Beispielen die Spannung zwischen biblischem Friedensgebot und der brutalen Wirklichkeit unserer Welt ausgeleuchtet werden.
Kein «Theologisieren im warmen Kämmerlein»
Die Tagung will über theologisches Reflektieren hinaus konkret werden. Darum werden Mitarbeitende des nordamerikanischen Hilfswerkes MCC (Mennonite Central Comittee) teilnehmen, die in Jordanien, im Irak und Iran tätig sind. «Ihre Beiträge werden ganz gewiss helfen, dass diese Veranstaltung nicht zum weltfremden Theologisieren verkommt», ist Lukas Amstutz überzeugt und erwartet «eine herausfordernde Tagung, die uns neu die Frage stellt, was es für unser Christsein bedeutet, wenn Jesus die Sache mit der Feindesliebe wirklich ernst meint.»
Das Thesenpapier im Wortlaut
Das Bienenberg-Kollegium vertritt in erwähnter Stellungnahme die Überzeugung, dass Gewalt nicht mit Gewalt zu überwinden ist. «Gerade das Beispiel Irak erinnert schmerzlich daran, wie in Konflikten vorschnell und einseitig gewaltsame Reaktionen in Betracht gezogen werden, die letztlich den Konflikt aber nicht lösen, sondern mitunter gar verschärfen.» Derartige militärische Interventionen würden häufig mehr versprechen, als sie je einhalten könnten. «Ein Blick in die Geschichte zeigt: So mancher 'gerechte Krieg' wurde entgegen der ursprünglichen oder offiziellen Absicht mit zweifelhaften Motiven geführt.»
Jesus liebt seine Feinde
Die grossen Linien der gesamtbiblischen Botschaft zeigten deutlich, was Gott am Herzen liege: «Schalom – gerechter Friede», so die Autoren weiter. Am deutlichsten komme dieser umfassende Friedenswille in Jesus zum Ausdruck. «Kompromisslos kämpft er gegen jegliche Pseudoreligion, gegen Ungerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit – und liebt seine Feinde dennoch, anstatt sie zu töten.»
Im Text werden eine Reihe alternativer Möglichkeiten der gewaltfreien Intervention aufgezählt. Etwa Gebet, gewaltfreie Friedenseinsätze, Flüchtlingshilfe oder auch der Einsatz von Polizeitruppen, die «ausgebildet in gewaltfreier Konfliktlösung und gebunden an internationales Recht und Menschenrechte, die Menschen schützen könnten».
Die Tagung «Mit Gewalt gegen Gewalt?» findet am 14. Februar im Tagungszentrum Bienenberg, Liestal statt. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten unter www.bienenberg.ch.
Zur Webseite:
Theologisches Seminar Bienenberg
Stellungnahme «Mit Gewalt gegen Gewalt?»
Datum: 04.02.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet