Sauberkeit einüben

Toilettenhäuschen machen einen grossen Unterschied

Jugendliche im Slum Kibera sammeln Müll ein
Inge Schmidt aus Dübendorf engagiert sich für bessere Hygiene im Slum Kibera in Nairobi. Die Rentnerin sorgt für sauberes Wasser und den Bau von Toilettenanlagen und Duschen. Und sie regt Jugendliche an, regelmässig Abfall einzusammeln.

«Ich hatte so viele Fragen, auf die ich eine Antwort von Gott suchte», erklärt Inge Schmidt. Die gebürtige Deutsche besuchte nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin das Theologische Seminar auf St. Chrischona. Als Katechetin arbeitete sie in verschiedenen Schweizer Kirchgemeinden mit Kindern und Jugendlichen, später war sie elf Jahre lang in der Seniorenarbeit für die reformierte Kirche Dübendorf tätig.

Ende der 90-er Jahre besuchte sie eine Missionsstation in Nairobi. Hier lernte sie Margaret kennen, eine alleinerziehende Mutter, die von ihrem Mann verlassen worden war. «Ich bin praktisch veranlagt, also half ich der Frau, ein Nähatelier aufzubauen», erklärt Inge. So entstand ein erster Kontakt in Kenia, der schliesslich zu einem Dauerengagement führte. «Heute ist mir klar, dass Gott alles so geführt hat», zieht Schmidt Bilanz.

Viele Tropfen werden zum See

2006 flog sie wieder hin und schloss sich einer einheimischen Organisation an, die im Slum Kibera bei Nairobi Aufklärung zur Wasseraufbereitung betrieb. Die Bewohner erfuhren, dass Trinkwasser mit der SODIS-Methode je nach Wetterlage durch ein- bis zweitägiges Lagern in Petflaschen keimfrei wird. Inge beobachtete die Lebensweise der Slumbewohner und besprach mit Einheimischen, was verbessert werden könnte. So stiess sie auf die Not, dass sich bis zu 70 Personen eine Toilette teilen müssen. Da wollte sie Abhilfe schaffen. Sie wusste, sie würde sich anpassen müssen und viel Geduld mitbringen. Ihr war klar: «In einem Slum mit geschätzt einer Million Bewohnern ist das, was ich tue, nur ein Tropfen auf einen heissen Stein. Aber viele Tropfen ergeben auch einen See.» Und sie ist überzeugt: Toilettenhäuschen machen einen grossen Unterschied für die Bewohner von Kibera.

Loch mit Häuschen

Inge Schmidt

Zurück in der Schweiz erzählte sie Freunden und Bekannten von ihren Plänen, und bekam so das Geld, um auf einem geräumigen Areal einen grossen Wassertank und einige Toilettenhäuschen bauen zu lassen. «Inzwischen stehen auch Reinigungsmittel zur Verfügung, um die Hände ohne Wasser zu desinfizieren», erklärt Schmidt. Weil die Toiletten nahe der Häuser aufstellt werden, können Mädchen und Frauen auch nachts gefahrlos hingehen. Schulen oder Familienverbände bekommen die Möglichkeit, im Schutz der einfachen Kabine eine traditionelle Toilette zu benutzen oder sich zu waschen. Beides besteht aus einem Loch im Boden. Das Wasser, mit dem man sich zum Duschen per Becher übergiesst, bringt man selbst mit. Einheimische bauen und unterhalten die WC-Anlagen, so werden Arbeitsplätze geschaffen.

Dass die Strassen voller Abfall sind, störte Inge Schmidt ebenfalls: «Was man nicht mehr braucht, wird einfach weggeworfen.» Sie leitete Jugendliche an, gegen eine kleine Bezahlung den Müll der Slumbewohner abzuholen und der Wiederverwertung oder Verbrennung zuzuführen. Auch dies ein Beitrag zu besserer Hygiene und Verdienstmöglichkeit. «Es gibt immer genug junge Frauen und Männer, die gern mitmachen – und sie lernen gleich, dass man Abfall selbst entsorgen kann.»

Auf zwei Kontinenten zu Hause

Mit 60 Jahren liess sich Inge Schmidt frühpensionieren, um sich einige Monate pro Jahr in Kibera einsetzen zu können. Bis vor wenigen Jahren pendelte die bald 79-Jährige regelmässig zwischen ihren Wohnsitzen in Dübendorf und Kibera. Heute ist ihr das aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, doch per Internet bleibt sie in Kontakt. Sie fühlt sich auf beiden Kontinenten zu Hause und nutzte in der Schweiz viele Gelegenheiten, um von ihrem Einsatz in Afrika zu berichten. Kollekten, der Erlös von Kirchenbazaren und der Verkauf von kenianischen Produkten ermöglichten es, weitere Verbesserungen in Kibera zu finanzieren. Nun sucht sie Wege, die nicht so viele persönliche Auftritte verlangen, um die nötige Unterstützung zu generieren.

Nachfolgeregelung mit Gottes Hilfe

Mit einem Team von zwölf Personen, Frauen und Männern vor Ort, plant Inge Schmidt weitere Schritte. Sie gehören verschiedenen Kirchen an, auch Muslime sind dabei. Doch der Wille, den Menschen in ihrem Umfeld Gutes zu tun, verbindet sie. Für Inge gehört auch das Bibellesen und Gebet dazu. Sie ist regelmässig mit Jesus im Gespräch, was sie anpacken soll, und immer stösst sie auf neue Ideen. «Ich habe mit Naimo, der Projektleiterin, darüber ausgetauscht, Frauen das Herstellen von Seife zu lehren. Viele sind alleinerziehend und könnten so Geld verdienen für die Familie.» Ob es zur Umsetzung kommt, wird das Team besprechen. Jede Woche tauschen sich Inge und Naimo per Skype aus und pflegen persönlichen Kontakt. «Sie hat sich durch Bücher weitergebildet und leitet das Team heute sehr kompetent», lobt die Seniorin ihre wichtigste Mitarbeiterin.

2012 wurde Inge Schmidt für ihren Einsatz im Slum von Kibera zur Dübendorferin des Jahres gewählt. Die Hilfe zur Selbsthilfe mit den bestehenden Ressourcen in ihrer zweiten Heimat möchte sie nun mehr und mehr ganz in die Hände der Einheimischen übergeben. Inzwischen wurden 60 Toilettenhäuschen gebaut, die von etwa 12`000 Personen genutzt werden. Das erfüllt sie mit Freude. «So konnte ich mit meiner praktischen Art nützlich sein.»

Zum Projekt:
Hilfe zur Selbsthilfe, Einsatz mit Herz

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Datum: 14.12.2024
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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