Schokolade ist ein schlechter Tröster
Süssigkeiten waren für Marie-Anne Gasser (57) schon in ihrer Kindheit das wohltuende «Trösterli». In schmerzvollen Momenten, bei Verlusten, erfahrener Ablehnung, Stress- oder Drucksituationen – Süssigkeiten waren immer die «Lösung», damit es ihr etwas besser ging. Heute ist ihr klar: «Schon als Kind litt ich an diesem Suchtverhalten.»
Schuldgefühle, aber keine Veränderung
Marie-Anne war schon immer ein ausgeprägter Bewegungsmensch. «Es ist meine grosse Leidenschaft, mich zu bewegen.» Das war auch der Grund, weshalb ihr die viele Schokolade nicht anzusehen war. Von Übergewicht gab es bei ihr keine Spur – jedenfalls lange Zeit nicht. Trotzdem erkannte sie irgendwann, dass sie ein Problem mit ihrer Essgewohnheit hatte. Schuldgefühle plagten sie. Die Kraft, ihr Verhalten dauerhaft zu ändern, fand sie jedoch nicht. «Irgendwie hatte ich das Gefühl, mein Leben ohne diesen Tröster nicht auf die Reihe zu kriegen.» So blieb das schlechte Gewissen genauso wie die Schokolade ihr ständiger Begleiter.
Dann kamen die Kilos
Nach dem dritten Kind eskalierte die Situation äusserlich. «Ich fand kaum mehr Zeit, um Joggen zu gehen.» Das Gewicht ging steil nach oben. Im Gegensatz zu vielen Frauen, empfand sie ihre zusätzlichen Pfunde nicht als Schönheitsmakel. Mit 35 Jahren war sie am Punkt angekommen, wo sie der Wahrheit direkt in die Augen blickte: «Ich bin süchtig nach Süssigkeiten.» Sie versuchte abzunehmen, doch die Erfolge waren bescheiden und die Rückschläge frustrierend.
Sie war nun 35 Jahre alt, 174 Zentimeter gross und 103 Kilogramm schwer. Und jedes «angefressene Kilo» bezeugte, dass Süssigkeiten zu ihrem «Ersatz-Gott» geworden waren. Bei ihnen suchte sie Trost und Kraft zum Leben und Gott liess sie nicht an ihren tiefen, inneren Schmerz heran. «Ich brauchte Vergebung und schrie nach Veränderung.»
Kapitulation und Gotteserfahrung
Es folgte die Kapitulation. «Ich sah ein, dass ich mein Leben nicht auf die Reihe kriegte und war bereit, mich Gott zu stellen.» Vor ihrem Mann, der seit ihrer Jugend an ihrer Seite stand, musste sie sich nicht verstecken. Sie fürchtete sich aber davor, mit Gott ihre Schmerzen zu teilen. «Ich glaubte, es nicht aushalten zu können, mit meinem Schmerz ganz alleine vor Gott zu sein.»
In einer Seelsorgesitzung wurde Marie-Anne durch traumatische Erfahrungen ihrer Kindheit geführt. Dabei erlebte sie, wie Gott ihr in diesen Erinnerungen begegnete. «Es war eine tiefe Berührung von Gott. Von diesem Moment an wusste ich, dass Gott meinem Schmerz begegnet.»
Veränderter Glaube, verändertes Körpergewicht
Innert sechs Jahren nahm sie 45 Kilogramm ab – problemlos. «Oft war ich mir überhaupt nicht bewusst, dass ich am Abnehmen war.» Das Wesentliche ihrer Veränderung waren aber nicht die verschwundenen Kilos, sondern ihre neue Gottesbeziehung. «Wann immer ich verletzt wurde oder an meine Grenzen kam, wandte ich mich an Jesus!» Das neugewonnene Vertrauen zu Gott machte Schokolade als ihren «Ersatz-Gott» überflüssig.
Doch auch über Diät machte sie sich ihre Gedanken. Da sie sich durch eine Sonderkost nicht zu sehr von ihrer Familie abgrenzen wollte, war sie anfänglich etwas unsicher, wie sie die Sache angehen sollte. «Dann hatte ich plötzlich eine Idee – ich glaube, es war ein Impuls von Gott.» In der Folge ersetzte sie täglich eine Mahlzeit durch einen Eiweissshake. Ansonsten lebte sie ihr Leben ohne Einschränkungen.
Die grosse Prüfung
Im Alter von 54 Jahren verlor Marie-Anne ihren geliebten Ehemann durch einen Unfall. «Das war ein harter Schlag, der Verlustschmerz drohte mich zu zerreissen. Doch auch da begegnete Gott meinen Kindern und mir als wunderbarer Tröster und Fürsorger.» In dieser Zeit des Trauerns entschied sie sich, ganz auf Süssigkeiten zu verzichten. Als ihr alter «Ersatz-Gott» anklopfte und seinen Trost versprach, war es an der Zeit, diesem einen festen Tritt zu verpassen. Bis heute hält sie das so: keine Süssigkeiten. Und für Marie-Anne ist das kein grosses Opfer. «Es ist vielleicht vergleichbar mit einem Alkoholiker, der sagt: Ich bin froh, dass ich es lassen kann und so keine inneren Kämpfe führen muss.»
Den besten Tröster gefunden
«Das Gefühl, schutzlos zu sein, hat mich viele Jahre begleitet. Und ich hatte in Süssigkeiten Trost gesucht.» In den Essattacken glaubte sie, Schutz zu finden. Schliesslich hatte sie es selbst in der Hand, sich zu trösten. «Wäre mein Gewicht nicht in die Höhe gegangen, wäre ich vielleicht noch immer in meinem Verhalten gefangen.»
Doch sie hat die Lüge, Gott würde sich nicht um ihren Schmerz kümmern, erkannt. Gott selbst offenbarte sich ihr als überaus liebenden Vater. «Seit mehr als zwanzig Jahren lebe ich befreit», sagt Marie-Anne. Damals hat sie den besten Tröster dieser Welt gefunden. Und das ist weit mehr, als unnötige 45 Kilogramm loszuwerden.
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Datum: 30.01.2020
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Jesus.ch